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DFB-Weltmeister gehen am Essener Uhlenkrug auf Zeitreise

DFB-Weltmeister gehen am Essener Uhlenkrug auf Zeitreise

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Foto: Kai Kitschenberg / WAZ FotoPool
Am Essener Uhlenkrug bereitete sich die Nationalelf auf den EM-Qualigegner Irland vor. Manfred Rummel hat noch bessere Tage des ETB erlebt: Während Müller, Götze und Co. im Stadion trainieren, erinnert er sich an den Pokalsieg der Schwarz-Weißen im Jahr 1959.

Essen. 

Am Uhlenkrug ist die Zeit irgendwann stehengeblieben. Es scheint so, als würde eine Saugglocke über dem altehrwürdigen Stadion hängen – und niemand hat den Deckel in den vergangenen Jahrzehnten mal angehoben und gelüftet. An den Holzbänken auf der Tribüne blättert der Lack ab, auf ihnen sind grüne Plastikschalen montiert, auf denen Manfred Rummel nun sitzt. Er schaut auf den Rasen, auf dem sich junge Burschen in blauen Shirts den Ball zuschieben. Von ihnen würde vermutlich niemand den heute 76-Jährigen erkennen. Das ist verzeihlich, auch wenn er ein Urgestein des Essener Turnerbunds Schwarz-Weiß ist und Stürmer der legendären Pokalsiegermannschaft von 1959 war. Macht nichts, denkt sich Rummel, „ich finde das gut, dass die mal hier sind.“

Die, das sind die Spieler der Nationalmannschaft. Die Weltmeister trainieren am Uhlenkrug und bringen zumindest für ein paar Stunden Glanz in die sportlich längst triste Fußballwelt des ETB. Als der Mannschaftbus am Uhlenkrug vorfährt und Mario Götze oder Mats Hummels aussteigen, kreischen die Hunderten Schaulustigen. Sie holen sich ein paar Autogramme, bevor hinter den Weltmeistern das Tor schließt und Bundestrainer Joachim Löw sie in aller Abgeschiedenheit auf das EM-Qualifikationsspiel am Dienstag in Gelsenkirchen gegen Irland vorbereiten kann.

Für den ETB waren die Fünfziger goldene Jahre

Müller, Neuer und Co. sind zwar für kurze Zeit die Gegenwart, doch Manfred Rummel schwelgt in Erinnerungen. Es waren die goldenen Fünfziger, der ETB war der Lackschuhklub aus dem reichen Essener Süden. Kohle und Fußball spielten an der Ruhr Doppelpass, Helmut Rahn erlebte nach seinem Wechsel von den Sportfreunden Katernberg seine große Zeit beim Essener Zechenklub aus Bergeborbeck namens Rot-Weiss, Horst Szymaniak malochte erst unter Tage und wurde in der zweiten Schicht Nationalspieler bei der Spielvereinigung Erkenschwick. Von Schalke 04 und Borussia Dortmund war da noch keine Rede.

Am Ende dieses Jahrzehnts gelang dem ETB sein größter Triumph: Deutscher Pokalsieger 1959, erst kickten die Schwarz-Weißen den Hamburger SV mit Weltmeister Uwe Seeler aus dem Wettbewerb, Ende Dezember besiegten das Team von Trainer Hans Wendlandt dann im Finale Borussia Neunkirchen mit 5:2. Zwei Treffer steuerte Rummel bei.

„Meine schönste Zeit habe ich beim ETB erlebt“, sagt der Ex-Stürmer, der nach dem Abstieg 1960 für 50 000 Mark zu Preußen Münster ging und mit dem Start der Bundesliga 1963 als Kaiserslauterer wie die anderen Talente Hans Küppers, Heinz Steinmann, Theo Klöckner und Horst Trimhold für Vereine aus der höchsten Spielklasse auflief. Geld für eine bessere Zukunft war beim ETB eigentlich genug da, „die ganze Rüttenscheider Straße war unser Sponsor“, erzählt Rummel, „aber der Vorsitzende Gerloff wollte auf keinen Fall in die Bundesliga. Wären wir alle zusammengeblieben, hätten wir einen Durchmarsch hingelegt wie Borussia Mönchengladbach.“

Einst vor 35.000 Zuschauern

Rund 60 Jahre später darbt der Verein vor sich hin, der ETB spielt statt vor 35 000 Zuschauern wie einst gegen den BVB nur noch vor 300 in der Oberliga. „Ich würde mich ja freuen, aber ich glaube, da kommt der ETB nicht mehr raus“, sagt Rummel, der nach vielen Jahren als Sportlicher Leiter bei Rot-Weiß Oberhausen heute noch immer die Ergebnisse des FSV Kettwig, von RWO und des ETB auf einer Handy-App bis zur Jugend herunter verfolgt.

Der finanziell klamme Klub wagt trotzdem einen neuen Anlauf, hat ein Zukunftsprojekt angestoßen, bei dem viele kleinere Sponsoren die gute Nachwuchsarbeit am Uhlenkrug sichern sollen. „Ich weiß nicht, ob es viele Vereine gibt wie den ETB, der mit Jens Lehmann und mir mit zwei Spielern gleichzeitig in der Nationalmannschaft vertreten war“, sagt Oliver Bierhoff, der bei den Schwarz-Weißen groß wurde, bei der Präsentation, „daher ist es gut, auf die Jugend zu setzen.“ Klingt so, als wollten sie doch nochmal die Saugglocke anheben und für frische Luft sorgen.