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Großkreutz, die ideale Identifikationsfigur

Großkreutz, die ideale Identifikationsfigur

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Foto: imago sportfotodienst

Göteborg. 

Stürmer Kevin Großkreutz stand früher bei Spielen von Borussia Dortmund auf der Südtribüne bei den treuen BVB-Fans, nun spielt er in der Deutschen Nationalmannschaft.

Der Dortmunder Nuri Sahin und der Kölner Lukas Podolski benahmen sich beim 2:1-Sieg des BVB beim FC vor einem Monat nicht gerade wie unzertrennliche Freunde. Ihre gegenseitigen Provokationen hatten sich allerdings nach dem Spiel erstaunlich zügig erledigt, die beiden reichten sich die Hand. Ein Verdienst des Schlichters. Kevin Großkreutz hatte dem Wirbel die Windstärke genommen, er versteht sich auch mit Podolski gut. Sie hatten perfekt miteinander harmoniert, als Großkreutz beim 3:0 gegen Malta im Mai in Aachen erstmals das Nationaltrikot trug.

Im letzten Länderspiel des Jahres gegen Schweden am Mittwochabend in Göteborg wird der verletzte Podolski fehlen, und ausgerechnet Großkreutz wird versuchen, ihm als offensiver Außen Konkurrenz zu machen. Der 22-Jährige ist einer von vier eingeladenen Perspektivprofis vom Bundesliga-Tabellenführer BVB, von denen sich Bundestrainer Joachim Löw für die Zukunft einiges verspricht. „Vier Dortmunder, das ist richtig geil“, sagt Großkreutz – ein typischer Satz für ihn. Ähnlich wie Podolski gerät er nicht in Verdacht, zum Fußball-Professor ernannt werden zu können. Das einfache Wort muss reichen.

In diesen Tagen trägt Kevin Großkreutz die gute Laune offen. Er genießt seine Erfolgsgeschichte, kein Wunder. Der Aufstieg des Kevin Großkreutz war nämlich nicht die logische Folge von elitärer Ausbildung. Der Junge aus Eving im Dortmunder Norden, der dort nach wie vor mit seinen Eltern wohnt, war als C-Jugendlicher beim BVB für zu schmächtig befunden worden. „Das war bitter, von deinem eigenen Verein aussortiert zu werden“, erzählt er.

Kevin Großkreutz aber zerbrach nicht an der Verschmähung, das hätte nicht seinem Naturell entsprochen. „Ich wollte unbedingt weitermachen“, erzählt er. Er ging einen schwierigen Umweg, spielte sieben Jahre lang für RW Ahlen – bis ihn der BVB 2009 zurückholte. Fürs Profiteam!

Genugtuung, Stolz, Euphorie: All das empfand Kevin Großkreutz, ein Sechser im Lotto hätte ihn nicht glücklicher machen können. Denn die Liebe zu Schwarzgelb hatte trotz der Erfahrung von damals nie gelitten. Seine Seele ließ ihm keine Wahl.

Die ideale Identifikationsfigur. Großkreutz war schon Zweitligaspieler in Ahlen, als er bei der Borussia immer noch mit Freunden auf der Südtribüne stand. Vor dieser Kulisse bewegen alle BVB-Profis leidenschaftlich gerne den Ball, aber was Kevin Großkreutz fühlt, kann kein anderer nachempfinden. Er hat den erstaunlichsten Sprung geschafft: den von den Rängen auf den Rasen.

Klopp ist von Großkreutz begeistert

Gleich in der ersten Saison eroberte der Draufgänger mit der Bereitschaft zu außergewöhnlichen Laufleistungen einen Stammplatz. „Ich hätte nie geglaubt, dass es so schnell gehen würde, das ist einmalig“, meint Kevin Großkreutz, der anfangs mit Irokesenfrisur auflief, dann aber problemlos einwilligte, als ihm sein Vereinstrainer vorschlug, den Hahnenkamm abzuschaffen. „Ich habe ihm gesagt, dass es besser ist, wenn die Leute ihn als guten Fußballer wahrnehmen,“ erklärt Jürgen Klopp. Sportlich ist Klopp nämlich von Großkreutz begeistert: „Kevin ist fußballtaktisch auf einem sensationellen Niveau, aus dem Gefühl heraus macht er vieles richtig.“

Gefühl für gebotenes Verhalten jenseits des Rasen-Rechtecks zu entwickeln, das musste Kevin Großkreutz erst lernen. Die Diplomatenschule hatte er nie besucht, in der Öffentlichkeit bewegte er sich unbekümmert wie im Spiel. Flapsige Bemerkungen über den Revierrivalen und ein ziemlich überflüssiges Scharmützel mit den Schalkern nach seinem ersten Derby 2009 in Dortmund brachten ihm einigen Ärger ein.

Er glaubt, daraus gelernt zu haben. „Wegen der Medien musste ich mich ein bisschen verändern“, sagt Kevin Großkreutz und meint lediglich sein Verhalten. Denn was ihm wirklich wichtig ist, fügt er noch hinzu, und dabei strahlt er so sehr, dass die Ohren von den Mundwinkeln Besuch bekommen: „Eigentlich bin ich immer derselbe geblieben.“