Phoenix Hagen gelingt gegen Alba Berlin eine weitere Überraschung. 94:87 gewinnen die Hagener. Als das Spiel gegen Alba Berlin zu kippen drohte, gab Hagens Spielmacher-Talent Ole Wendt seinem Team und den heimischen Fans die Leidenschaft für den Sieg. Coach Freyer: „Er verkörpert im Moment unser Selbstvertrauen.“
Hagen.
Durch den langen, schmalen Gang zu den Kabinen dröhnt ein furchteinflößender Schrei. Ein tiefer, erschütternder Jubelschrei, wie man ihn von einem dieser Bären-Menschen erwartet, die diesen Gang Minuten zuvor entlang gegangen sind. Männer mit üppigen Tätowierungen auf der dunklen Haut, Männer mit Oberkörpern wie Baumstämme, Männer, deren Körperlänge das Normalmaß deutscher Türrahmen deutlich überschreitet. Männer wie sie Alba Berlin zum Spiel der Basketball-Bundesliga bei Phoenix Hagen reihenweise mitbringt.
Sie sitzen in ihrer Kabine. Geschlagen von Phoenix Hagen. 94:87 (46:36) lautet das Endergebnis. Geschlagen auch von dem Mann, der da gerade seine Freude in den Gang brüllt. Das Adrenalin schwappt in rauen Mengen durch den Körper von Ole Wendt. Wie in den 40 Minuten zuvor.
Furioses Produkt
Dabei ist Wendt nicht die zentralste Figur dieses Hagener Spektakels, das sich in schöner Regelmäßigkeit in der Halle am Ischeland abspielt. Nach Ulm und Bamberg fertigte die Mannschaft von Trainer Ingo Freyer nun den nächsten Branchenriesen in eigener Halle ab. Und Ole Wendt ist wie schon in der Woche zuvor bei der Sensation gegen den Meister und Pokalsieger Bamberg der verlässliche Zulieferer für ein furioses Produkt.
Dabei scheint die Partie gerade dann zu Hagener Ungunsten zu kippen, als der 20-Jährige Mitte des vierten Viertels auf dem Parkett steht. Berlin führt erst zum dritten Mal, aber die Partie droht den Hagenern aus der Hand zu gleiten. Bis hierher hatten sie Berlin erst überrollt und dann wieder ins Spiel kommen lassen. Nun ist Ole Wendt auf dem Weg zum Ausgleich. Er könnte abspielen, aber er zieht zum Korb – und foult. So sehen es die Schiedsrichter. Berlin hat den Ball, beendet seinen Angriff erfolgreich. Statt 65:65 steht es 63:69. Ole Wendt blickt zum Trainer. Aber der lässt ihn auf dem Parkett. „Er hat mir auch in der Phase weiter das Vertrauen geschenkt und ich habe es zurückgezahlt“, so Wendt.
Nächste große Hoffnung
Deshalb ist er ja auch hergekommen im vergangenen Sommer. Er galt im Land damals schon „als die nächste große Hoffnung auf der Spielmacher-Position“, wie Phoenix-Geschäftsführer Oliver Herkelmann bemerkt. Trotz mehrerer Angebote entscheidet sich Wendt für Hagen. Und damit für Spielpraxis und gegen mehr Geld anderswo. Abende wie diese bestätigen ihn.
Er verbeißt sich immer weiter in dieses Spiel und gibt Phoenix die Energie zurück, die es für einige Momente verloren zu haben scheint. Wendt verfolgt seine Gegenspieler so leidenschaftlich wie kaum ein anderer, er klaut Alba in dieser Phase die Bälle und schickt seine Mitspieler auf die schnelle Reise zu einfachen, spektakulären Punkten. Und er verwandelt seine Freiwürfe ebenso nervenstark wie zuvor einen Dreipunktewurf. Das ist eigentlich nicht sein Kerngebiet. Umso glücklicher ist Trainer Ingo Freyer. „Ole verkörpert im Moment unser Selbstvertrauen. Er hat uns sehr viel Energie gegeben.“ Das ist sein Spiel, dafür ist er da.
Überraschung perfekt
Drei Minuten vor dem Ende muss er das Parkett mit sieben Punkten auf dem Konto verlassen, weil er noch Spieler vor sich hat, die erfahrener sind. Von dort aus sieht er, wie seine Kollegen den Vorsprung, den er hinterlassen hat, ins Ziel bringen. Zwei Dreier von Adam Hess, ein Ballgewinn von David Bell und vier verwandelte Freiwürfe von Larry Gordon – mit 19 Punkten bester Hagener – nach einem technischen Foul durch Alba-Trainer Sasa Obradovic machen die Überraschung perfekt.
Wie ein Flummi hüpft Ole Wendt nach der Sirene durch die Halle. Auf der Ehrenrunde schreibt der gebürtige Kieler seinen Namen auf die gelben Trikots erröteter junger Mädchen. Ole Wendt ist längst in Hagen angekommen. „Das ist ein super Team“, sagt er, „und zu Hause, mit diesen Fans im Rücken, können wir jeden schlagen.“ Eine Warnung an Oldenburg, das am Freitag zum Favoritenschreck reist.