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In der Basketball-Bundesliga gibt’s einen Punkt fürs Verlieren. Deshalb verstehen die Fans die Tabelle nicht mehr. Die Basketball-Bundesliga mutet ihren Fans in dieser Spielzeit eine Tabelle zu, die alles auf den Kopf stellt, woran sich Sportfans seit Jahrzehnten gewöhnt haben.
Punkte fürs Verlieren? Unmöglich? Nicht im Basketball. Es ist nicht so, als würden in der Brust des Champions zwei Herzen schlagen. Predrag Krunic, Trainer des amtierenden Deutschen Meisters EWE Baskets Oldenburg, liegt mit seinem Team im Moment auf Platz drei – einen Rang hinter seiner alten Mannschaft aus Bonn, die er jahrelang betreut hat und mit der in Deutschland seine Trainer-Laufbahn begann. Bei aller Erinnerung dürfte Krunic schon die Wut packen, wenn er auf die Tabelle schaut: Bonn hat nämlich nicht einen einzigen Sieg mehr auf dem Konto als Oldenburg. Aber zwei Niederlagen mehr. Und hat genau deshalb in der Tabelle die Nase vorn.
Muss man das verstehen? Nein, aber die Basketball-Bundesliga (BBL) mutet ihren Fans in dieser Spielzeit eine Tabelle zu, die alles auf den Kopf stellt, woran sich Sportfans seit Jahrzehnten gewöhnt haben. Hintergrund ist eine international seit langem praktizierte Regel des Basketball-Weltverbandes FIBA: Der Sieger einer Partie erhält zwei Punkte, der Verlierer einen. Während die US-Profiliga NBA sich darum seit jeher nicht schert, hat die BBL das System in dieser Saison erstmals übernommen – und den Fans damit ein aberwitziges Tabellenbild beschert. Die BG Göttingen, wie der Dritte Oldenburg mit 17 Siegen und sechs Niederlagen gut im Rennen, liegt nur auf Platz sechs, noch hinter den Teams aus Bamberg und Frankfurt, die erst 15 Siege, aber schon zehn Pleiten auf dem Konto haben – was alles 40 Punkte ergibt.
Heftige Proteste
Ein Beispiel vom Tabellenende: Der Letzte aus Hagen kommt bei nur sechs Siegen und 18 Schlappen auf 30 Zähler. Vorletzter ist das punktgleiche Team aus Paderborn – aber kein Fan kann nachvollziehen, wieso die Ostwestfalen für einen Sieg weniger und zwei Niederlagen mehr in der Tabelle noch belohnt werden. An dem Tabellenbild, das Vereine und Fans seit Saisonbeginn erzürnt und manchen Managern sogar das Verhandeln mit irritierten Sponsoren schwieriger macht, ist allerdings nicht nur die Regel des Weltverbandes schuld. Dass alle Mannschaften nach 25 Spieltagen auch 25 Partien absolviert haben, ist in der Basketball-Bundesliga, ähnlich wie im Eishockey, seit jeher die Ausnahme. Die Europapokal-Einsätze mehrerer Teams, durch andere Sportarten oder Konzerte belegte Multifunktions-Hallen und die Wünsche des Fernsehens zerfleddern immer wieder die Spieltage. Die neue Punkteregel gibt der Tabelle den Rest. Das merkwürdige Prinzip: Je mehr Spiele ein Team absolviert hat, desto besser steht es optisch da.
Eingeführt hat die FIBA den Punkt fürs Verlieren übrigens vor langer Zeit mit Blick auf die unteren Spielklassen. Der eine Zähler soll Teams belohnen, die zu Auswärtsspielen tatsächlich antreten – in vielen Amateurklassen waren Spielausfälle an der Tagesordnung, weil abgeschlagene Mannschaften sich im Zweifelsfall schon einmal weite Fahrten geklemmt hatten. Deshalb bleibt die umstrittene Regelung ab der zweithöchsten Spielklasse bis in die unterste Liga in Deutschland auch nach dieser Saison in Kraft.
Die Bundesliga hat ihren Fehler, sich darauf einzulassen, nach heftigen Protesten eingesehen und korrigiert. Ursprünglich sollte erst im Juni entschieden werden, wie es weiter geht, inzwischen rudert die BBL zurück: In der kommenden Spielzeit gibt’s fürs Verlieren keinen Punkt mehr, die Tabelle „wird dann wieder die tatsächlichen Kräfteverhältnisse zeigen“, wie BBL-Geschäftsführer Jan Pommer erklärt. Parallel dazu wird die Liga weiter eine Tabelle nach dem neuen FIBA-System führen – damit der Weltverband still hält.