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Dokumente aus Karl Marx' Studentenleben in Bonn

Dokumente aus Karl Marx' Studentenleben in Bonn

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Museumsleiter Thomas Becker steht am 26.05.2017 im Universitätsmuseum in Bonn (Nordrhein-Westfalen) vor einer Vitrine mit dem Abschlusszeugnis von Karl Marx. In den Dokumenten ist eine eintägige Haft wegen Trunkenheit und Rühestörung verzeichnet. Aufgrund dieser Exponate ist das Museum zu einem Pilgerort für chinesische Touristen geworden. (zu dpa: "Als Karl Marx in den Karzer kam - Dokumente eines Studentenlebens") Foto: Marius Becker/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++   Foto: dpa
Das Universitätsmuseum Bonn zeigt Karl Marx von einer unbekannten Seite. Der Vordenker des Kommunismus wollte als Student vor allem Spaß haben.

Bonn. 

Rauer und dicker als heutiges Papier fühlt sich das Abgangszeugnis des Studenten Karl Marx an. Es stammt von 1836, der spätere Philosoph war da gerade mal 18 Jahre alt. Das Doppelblatt ist eines von mehreren erhaltenen Originaldokumenten aus Marx‘ Bonner Studienzeit. Ausgestellt sind sie im vor vier Jahren eröffneten Universitätsmuseum im Kurfürstlichen Schloss der rheinischen Stadt. Dort erfreuen sie sich wachsender Aufmerksamkeit von chinesischen Touristen.

Trunkenheit und nächtliche Ruhestörung

Gekicher gibt es immer dann, wenn Archivdirektor Thomas Becker den handschriftlichen Eintrag über Marx auf der Rückseite des Zeugnisses vorliest: „Hinsichtlich seines Verhaltens ist zu bemerken, dass er wegen nächtlichen ruhestörenden Lärmens und Trunkenheit eintägige Carcerstrafe sich zugezogen hat. Sonst ist in sittlicher und in ökonomischer Rücksicht nichts Nachteiliges bekannt geworden. Nachträglich ist gegen ihn angezeigt worden, dass er verbotene Waffen in Köln getragen habe. Die Untersuchung schwebt noch.“

Marx‘ Einlochung im Karzer in der Nacht vom 16. auf den 17. Juni 1836 ist zusätzlich noch auf einer Liste der Insassen vermerkt. In das Studentengefängnis zu kommen, war so ungewöhnlich nicht. „Es war im Grunde eine Art Mutprobe, ein Initiationsritus“, erläutert Becker. Der spartanisch eingerichtete Karzer befand sich unter dem Dach eines Stadttors, doch konnte der Aufenthalt gleichwohl recht angenehm ausfallen: Meistens waren mehrere Studenten zugleich eingesperrt. Dann bestellten sie sich Bier, Wein und Essen – was durchaus erlaubt war -, spielten Karten und musizierten.

Da die Riegel der schweren Eichentüren kaputt waren, konnten die Delinquenten tagsüber entweichen und bei gutem Wetter im Rhein schwimmen gehen oder ein benachbartes Mädchenpensionat besuchen. Der Hausmeister, der eigentlich auf sie aufpassen sollte, überließ die Aufsicht tagsüber seiner Tochter, und diese hatte ein Herz für die jungen Studenten.

„Er hat die ersten Semester vor allem Spaß gehabt“

Ein anderes Dokument ist der „Anmeldungs-Bogen“, auf dem sich Marx den Besuch seiner Vorlesungen abzeichnen ließ. Links sind die Veranstaltungen aufgelistet, dahinter kommt ein Kassenvermerk über die Zahlung der fälligen Gebühr und ganz rechts das „Testat“, eine Beurteilung des Studenten durch den Hochschullehrer. Hier finden sich bei Marx zum Beispiel lobende Worte von August Wilhelm Schlegel (1767-1845), der ihm „fleißigen und aufmerksamen Besuch“ attestierte – was allerdings eher eine Standardformulierung war. Marx war Student der Rechtswissenschaften, doch er meldete sich auch für Vorlesungen über Archäologie, Zoologie und Mineralogie an.

Mehrfach ging er dann aber doch nicht hin. „Er hat die ersten Semester vor allem Spaß gehabt“, meint Becker. „Das war normal.“ Erst als er nach einem Jahr nach Berlin wechselte, begann er ernsthaft zu studieren, dann allerdings eher Philosophie.

Auffallend oft wird das Universitätsmuseum von chinesischen Besuchergruppen angesteuert. Den Touristen aus der kommunistischen Volksrepublik ist der Name Marx ein Begriff. „Sie amüsieren sich darüber, dass er wegen Trunkenheit im Karzer war“, berichtet Becker. „Vielfach sind sie sehr beeindruckt – wir haben aber auch schon die absolut gegenteilige Reaktion gehabt. Da haben sich dann Besucher, die aus China kamen – vielleicht auch aus Taiwan -, entrüstet, dass wir Karl Marx hier so ausstellen. „Der hat so viel Schlimmes gebracht, und ihr zeigt das hier“, war der Vorwurf.“ Wenn das geschieht, wird immer rege diskutiert. Etwas Besseres, so meint Becker, könne einem Museum gar nicht passieren. (dpa)