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Zeitreise durch das Rock’n’Pop Museum – Seniorenführung

Zeitreise durch das Rock’n’Pop Museum – Seniorenführung

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Foto: MATTHIAS GRABEN
Jürgen Wiedenhöft führt mit Begeisterung Rock-Fans ab 60 durchs Museum in Gronau: „Die wissen nämlich noch, wovon ich da rede!“

Hans Peters erinnert sich: „Der Udo war gerade mal zehn Jahre alt, der hat auf allem herumgetrommelt, was er kriegen konnte. Und einmal hat er eine Gitarre genommen und ein paar Minuten später konnte er drauf spielen!“ Hans Peters Pfadfinder-Freund, der Nachbarsjunge aus der Gartenstraße, wurde als Udo Lindenberg ein großer Musiker, jetzt steht der 71 Jahre alte Peters im Rock ’n’ Pop Museum am Udo-Lindenberg-Platz in dessen Heimatstadt Gronau und schwelgt in musikalischen Erinnerungen. So ist es immer, wenn Jürgen Wiedenhöft (67) „Senioren“ durch die Ausstellung führt, die eigentlich ganz jung geblieben sind und sich wippend, singend und staunend auf Zeitreise begeben.

Seit 13 Jahren führt Jürgen Wiedenhöft durch die ständige Ausstellung des Museums und mehr als hundert Jahre Musikgeschichte, Kinder, Jugendliche, und eben auch Leute jenseits der 60. Die mag er ganz besonders, denn „die wissen noch, wovon ich rede“, kennen noch Plattenspieler, Vierspur-Tonbänder, Grundig-Transistorradios und Cassettenrecorder, waren Beatles- oder Stones-Fans und halten den „blauen Engel“ nicht für einen Cocktail. „Jugendliche steigen da oft aus, selbst Hiphop ist für die bereits von gestern. Außerdem können die ganz schlecht zwei Stunden durchhalten, ohne auf ihren Handys herumzutippen!“

2500 Führungen hat Wiedenhöft schon gemacht, 30 000-mal, hat er ausgerechnet, hat er die Songs gehört, die in den Monitoren der Ausstellung als ewige Bestenliste in Endlosschleife laufen oder die man den thematisch geordneten Schubladen entlocken kann – „Im weißen Rössl am Wolfgangsee“, „Vincent“, „Bohemian Rhapsody“, „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, „Mein kleiner grüner Kaktus“, und, und, und.

Auch Wiedenhöft ist ja bereits im Rentenalter und konnte doch bislang nicht loslassen, schließlich hat er das Rock ‘n’ Pop Museum mit aufgebaut. Er ist ein Musikverrückter, der klassische Gitarre spielt und bereits als kleiner Junge Leuten in einem Geschäft in Gronau vorsang, am Wochenende, wenn der Vater von seiner Arbeit als Bergmann im Ruhrgebiet nach Hause kam und den Jungen mitnahm: „Anneliese, ach Anneliese, warum bist du böse auf mich…?“ Dabei saß er in einem Karton, weil er sich ein bisschen schämte.

Die Senioren lachen. Es sind so schöne Erinnerungen, die Wiedenhöft ausgräbt. Er zeigt eine Musiktruhe, 950 Mark kostete sie, „viele stotterten sie ab“. Links waren die Platten eingeordnet, rechts war das Fach für den selbst gemachten Eierlikör. Hans Peters kann sich an seine erste Single erinnern: „Yes tonight Josephine von Johnny Ray, damit haben wir Rock’n’Roll gelernt!“ Peters erinnert sich an Partys, die den Namen noch verdient haben, im Keller, und „dann hatte jemand glü

hende Zigarettenasche auf die Platte fallen lassen, da war sie hin und ich sehr sauer!“

Die Gruppe lässt Janis und Jimi hinter sich, staunt über Pete Townshends 250 000-Euro-Gitarre, nickt beim „Zupfgeigenhansel“ und singt „zwei kleine Italiener“ in der 50er-Jahre-Ecke mit der Segelschiff-Tapete und der feurigen Zigeunerin an der Wand: „Das Bild hing in meiner Kindheit überall, wahlweise aber auch als röhrender Hirsch“, erinnert sich Mechthild Peisker (63) aus Duisburg.

Und, ja sicher, haben sie auch alle den „Beatclub“ gesehen, Samstags, 17 Uhr, und wer keinen Fernseher hatte, ging in den „Lindenhof“. Klar, Bravo-Starschnitte hingen im eigenen Zimmer – wer denn eins hatte – an der Wand und Radio Hilversum rauschte über den Äther, die hatten die neuesten Hits und wer ein bisschen intensiver zuhören wollte, der tat dies bei Mal Sondocks „Diskothek im WDR“, denn was der sagte, musste ja stimmen.

Man passiert die 80er- und 90er, da war man dann schon erwachsen, staunt über den Mini-Anzug des spindeldürren Bay City Roller-Sänger und die winzigen rosa Schühchen von Ina Deter, „die mit den neuen Männern“.

Dazwischen rauscht und groovt es, dass man nicht stillstehen kann. Klaus Franke (74) fährt der Swing in die Glieder, das ist seine Musik, aber auch die deutschen Liedermacher mag er und Pink Floyd. Hans Peters war immer Beatles Fan, Jürgen Wiedenhöft fährt klare Kante mit Größen wie Van Morrison, Sting, Led Zeppelin: „Seit den 90er-Jahren hat sich musikalisch nichts mehr getan, die Berliner Loveparade war noch mal was Neues, aber das war es dann auch!“

Und dann führt er die Truppe ins Allerheiligste des Museums, ins Original-Studio der fabelhaften Avantgarde-Band Can, mit Raritäten wie einer Hammond P3 Orgel und einem gigantischen Mischpult. Von der Aufnahmelampe bis zu acht Kilometern Kabel, von Mikro-Kleinodien bis zu riesigen Batiktüchern, die 500 zur Dämmung verwendete Bundeswehr-Matratzen verhüllen, ist alles original. Die Besucher nehmen auf einer riesigen beigen Couch Platz und erfahren, dass Can mit einem einzigen Hit sich dieses grandiose Studio leisten konnte: „Spoon“, 1972, Titelmelodie des Durbridge-Straßenfegers „Das Messer“.

Aber wer weiß heute schon noch, was ein Straßenfeger ist?
Die nächste Seniorenführung (ab 60) im Rock’n’Pop Museum in Gronau ist am 13. Januar, Anmeldung erbeten