Die Weihnachtsmarkt-Händler im Ruhrgebiet klagen über einen schlechten Start. Nur gutes Wetter kann das Geschäft noch retten, sagen sie.
Ruhrgebiet.
Vor der Dortmunder Reinoldikirche steht ein einsamer Geiger im Glanz der vielen Lichter und spielt „Ihr Kinderlein kommet“. Eine Bitte, die sie alle unterschreiben würden in den Buden und Ständen auf dem größten Weihnachtsmarkt im Revier. Mit dem Zusatz, doch bitte auch den Rest der Familie mitzubringen – plus Freunde und Bekannte. Denn die Zwischenbilanz auf den Weihnachtsmärkten im Ruhrgebiet ist nicht erfreulich.
Natürlich sind Leute da, es sind auch nicht wenige, die an diesem Abend durch die Gassen schlendern, aber Platzangst ist nicht zu befürchten. Dabei herrschen keine schlechten Bedingungen. Gerade einmal drei Grad zeigt das Thermometer, und kein Tropfen fällt vom Himmel. „Das ist schon gut heute“, sagt Claudia Kuhlmann, die am Stand „Artisan“ Seifen und Düfte aus der Provence verkauft. „Sie sollten mal sehen, wie wenig hier los ist, wenn es regnet.“ Und es hat oft geregnet in den letzten Wochen. Hinzu kommen die Attentate von Paris. „Das hat Spuren hinterlassen bei den Leuten.“
Deutlich weniger Besucher als sonst
Nicht nur in Dortmund, überall im Ruhrgebiet. Deshalb ist die Situation in Bochum, Essen, Oberhausen und Duisburg auch ganz ähnlich in diesem Jahr. „Die ersten zwei Wochen“, sagt Mario Schiefelbein von der Bochum Marketing GmbH, „waren nicht gut. Aber da war das Wetter ja auch dramatisch schlecht.“ Auf „fünf bis zehn Prozent“ schätzt Peter Joppa, Geschäftsführer des Frischekontor Duisburg, das den Markt in der Ruhrstadt organisiert, den Besucherrückgang in den ersten 14 Tagen. Dortmunds oberster Marktbeschicker und Präsident des Bundesverbands Deutscher Schausteller, Hans-Peter Arens, spricht in Einzelfällen sogar von Umsatzrückgängen „zwischen 30 und 50 Prozent“. Und auch in Essen registrieren die Händler ein „schleppendes Geschäft“.
„Erst seit Mitte vergangener Woche ist es besser geworden“, weiß Markus Remark, Manager des Centro Oberhausen, vor dessen Toren 145 Stände locken sollen. Es ist ein Trend, den die Verantwortlichen in den anderen Städten bestätigen. „Wir brauchen eine beständige Wetterlage“, sagt Arens. Wobei mit „beständig“ weder Dauerregen noch lang anhaltender Sturm gemeint sind. „Trocken muss es sein“, da sind sich alle einig.
„Auf dem Weihnachtsmarkt darf man auch mal frieren“
Wie kalt es sein soll, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Rutschen die Temperaturen zu sehr in den Keller, gibt Remark zu bedenken, „bleiben die Besucher nicht so lange auf dem Markt“. Auch Arens will es nicht zu kalt. „Will ja keiner, dass die Hände der Kinder auf dem Karussell am Lenkrad festfrieren.“
Zu warm soll es aber auch nicht sein. „Dann schmeckt der Glühwein nicht“, findet Schiefelbein. Nicht nur das: „Auf einem Weihnachtsmarkt darf man ruhig auch mal frieren“, glaubt Monika Frahm. „Zum Räuchermännchen“ heißt der Stand, in dem sie in Dortmund seit 30 Jahren Figuren aus dem Erzgebirge verkauft. „Aber ich kann mich nicht erinnern, schon mal ein so schlechtes Jahr erlebt zu haben.“
„Latente“ Angst vor Terror seit den Anschlägen von Paris
Denn zum Regen hat sich in vielen Orten die Angst vor Terroranschlägen gesellt. „Latent vorhanden“ sei sie, hat Arens festgestellt. Manchmal auch ganz offen. Als die Berliner Polizei vor einem Anschlag auf den Markt in Dortmund warnte, „da war gar nichts mehr los“, erinnert sich Frahm. „Passen Sie gut auf sich auf“, sagen ihr viele Kunden zum Abschied. „Es kann doch überall was passieren“, antwortet sie stets.
Weihnachtsmärkte 2015 Peter Joppa hat eine „gewisse Unsicherheit“ festgestellt. Vor allem bei Besuchern aus den Niederlanden, die nicht so zahlreich auf den Markt in Duisburg gekommen sind wie im Vorjahr. „Dort macht man sich offenbar mehr Sorgen.“ Aber auch das wird besser. „Die Erinnerung verblasst“, sagt ein Dortmunder Würstchenverkäufer.
Prinzip Hoffnung. „Es ist ja erst Halbzeit“, sagt Joppa. Centro-Manager Remark bemüht Erfahrungswerte. „Wenn der Heiligabend spät in der Woche ist, ist es am Wochenende davor meist richtig gut.“ Und in Bochum machen die letzten Tage Mut. „Da war es proppevoll in der Stadt“, sagt Schiefelbein.
Mit einem blauen Auge
Hans-Peter Arens sieht die Lage nicht ganz so rosig. „Das wird kein gutes Jahr“, ahnt er. Aber vielleicht eines, in dem viele Schausteller noch mal mit einem blauen Auge davon kommen. Das kann sich Monika Frahm nicht vorstellen. „Selbst wenn es den Rest der Zeit gut läuft, die schlechten Wochen können wir nicht mehr rausholen.“