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Parks im Revier – Zwischen Verfall und Vorzeigeprojekt

Parks im Revier – Zwischen Verfall und Vorzeigeprojekt

16_08_2016 Duisburg_ Der sogenannte Grüngürtel.jpg
Foto: Funke Foto Services
  • Revierpark Vonderort verfällt zusehends
  • RVR und Städte schießen jährlich 950.000 Euro zu
  • Positives Beispiel: „Grüngürtel Bruchhausen“ auf 30 Jahre gesichert

Oberhausen. 

Das Entrée zum Revierpark Vonderort schaut „schön verwunschen“ aus, findet Helmut Grothe. „Aber ob man teure Fahnenmasten aufstellen muss, um sie von wildem Hopfen überwuchern zu lassen?“ Beflaggt wurde dieser Park schon lange nicht mehr, in den Büschen unter den grünspanigen Masten machen sich Unkräuter breit. Im Rondell am Eingang entdeckt Grothe „eklatante Pflanzfehler“: schattenliebende Rhododendren in der prallen Sonne, „das können die nicht überleben“. Grothe ist Mitautor des Buches „Gärten und Parks im Ruhrgebiet“ und hat als Planer viele öffentliche Räume geprägt, darunter etliche Halden. Die Revierparks, findet er, sind ein Schatten ihrer selbst.

Tatsächlich ist Vonderort ja weiterhin eine tolle Anlage: mächtige Bäume, überall Verweilecken und Spielplätze, ein hübscher Teich mit Steg, der nahtlose Übergang zum Wald, nicht zuletzt das Solbad – der Geldbringer, auch wenn er bezuschusst werden muss. „Bädertechnisch ist modernisiert worden, aber der Park dahinter ist stehengeblieben“, sagt Grothe.

Tatsächlich, gemessen an dem was war und sein könnte, ist es ein Trauerspiel: Kaum eine Sitzecke ist noch heile, meist ist der Holzbelag auf den Betonblöcken angefressen oder fehlt gleich komplett. Brennesseln säumen viele Wege. Man sieht einen Bolzplatz und denkt Wellenbad. Der rote Belag der Spielbereiche wird von Moosen überwuchert – Hochmoorbildung im ersten Stadium. Auf dem Spielplatz dahinter lockt zwar ein recht neues Rutschkonstrukt, aber nur ein paar Schritte weiter wird es wieder gruselig: Der Friedhof der Wippetiere. Die Holzteile sind verschwunden, aber keiner hat sich gemüht, die Federn abzubauen.

Ulrich Lüttenberg (59) ist mit den Enkeln Matz und Mika am Wasserspielplatz. „Ein bisschen ungepflegt“, findet der Essener die Anlage, „da oben ist zum Beispiel eine Dichtung kaputt“. Unter dem gewollten Wasserstrahl fließt es ungewollt über das Pflaster. Auch Vandalismus ist ein Problem: Die Toiletten sind deswegen geschlossen und selbst den Bootssteg haben sie Ende Juni angezündet. Allerdings hat sich seither auch niemand berufen gefühlt, das Mahnmal eines zerschmolzenen Bötchens wegzuräumen.

Eigentümer des Parks sind der Regionalverband Ruhr und die Städte Oberhausen und Bottrop. Sie geben 950.000 Euro im Jahr, aber damit muss der externe Betreiber Prova auch Bäder und Sauna schmeißen. „Der Zuschuss hat sich seit zehn Jahren nicht erhöht“, sagt Prova-Chef Dieter Vatheuer. Um den Revierpark Mattlerbusch könnten sich deutlich mehr Mitarbeiter kümmern, ergänzt Sohn und Betriebsleiter Sven Vatheuers. Sein Park-Team besteht aus einer Vollzeitkraft, drei 450-Euro-Kräften und drei Flüchtlingen. Die Kritik vieler Bürger empfänden die Mitarbeiter als unfair. „Wir holen ein Optimum raus.“

Ob sich die finanzielle Lage ändert, wenn ab 2017 der Regionalverband Ruhr Vonderort und drei weitere Revierparks komplett übernimmt, muss sich noch zeigen. „Kostengünstig und Pflege ist ein Widerspruch in sich“, sagt Grothe. „Wenn man nicht aufpasst, ist der Zug schnell verpasst.“ Dann repariert man nur noch hinterher. „Es fehlt auch der Blick für den Rückbau“, sagt Grothe. Die Relikte der Verweilecken zeigen: Dieser Park ist in den 70ern für wesentlich mehr Besucher geplant worden. Und so viele Betontischtennisplatten hat es schon damals nicht gebraucht.

Ein Park rettet die Zukunft: Das Beispiel „Grüngürtel Bruckhausen“

„Als Park kann man es nicht bezeichnen“, sagt Jutta Wiechert. „Es ist mehr was zum Durchlaufen.“ Darum heißt der jüngste große Park des Reviers im Norden Duisburgs auch schlicht „Grüngürtel Bruckhausen“. So neu ist er, im Frühjahr eingeweiht, dass die meisten Bäume noch keinen Schatten liefern. Die Sonne knallt auf die Wiesen am Fuße eines Walls, und dahinter hat der Mann von Jutta Wiechert sein Leben lang gearbeitet: bei Thyssen. Horst Wiechert kennt noch den „Schwarzen Diamanten“ – abgerissen, die Stahlarbeiter-Kneipe, wie 120 weitere Häuser. Nun will das Paar aus Walsum vergleichen bei einer Radtour.

Ein Ausflugsziel ist der „Grüngürtel“ wohl nur für Heimatverbundene. Aber ein Vorzeigeprojekt ist er doch: Der Park hat Bruckhausen gerettet, in dem er einen Teil verschlungen hat. Die Stadt flankiert den Umbau mit vielen sozialen Hilfen, vom Bürgerbüro über ein Fassadenprogramm bis hin zu Umzugshilfen. Und der Park soll mindestens in den nächsten 30 Jahren sauber bleiben – drei Millionen Euro für die Pflege liegen auf einem Sonderkonto, sicher vor dem Zugriff der Sparfüchse. Woanders kommt die Grünpflege ein paar mal im Jahr, hier dreht täglich ein Parkpfleger seine Runden – „auch wegen der sozialen Kontrolle“, sagt Edeltraud Klabuhn von der Entwicklungsgesellschaft Duisburg.

Das Beste: Die Stadt hat das Ganze nicht einen Euro gekostet. ThyssenKrupp hat vor elf Jahren den Vorschlag gemacht, einen Park einzurichten und die Hälfte der fast 72 Millionen Euro dazugegeben. Den Rest zahlten EU und Bund – wobei nur rund zehn Prozent in den eigentlichen Parkbau flossen. Die Stadt musste viele Grundstücke erwerben, um die Häuser abzureißen – was Denkmalschützer kritisierten. Darauf sagt die Stadtteilmanagerin Klabuhn: „Diese Wohnungen waren unmenschlich und menschenverachtend.“ Vierzig Prozent betrug der Leerstand in den Straßen, die ans Werk angrenzten. Eine verfallende Geisterstadt.

Nun, berichtet Klabuhn, werden zum ersten Mal seit sechzehn Jahren wieder neue Wohnungen in Bruckhausen gebaut, barrierefrei. „Ein Investor glaubt wieder an den Stadtteil!“ Und langsam wachsen auch die Parkbäume gen Himmel. (mit hell)