Veröffentlicht inrhein-und-ruhr

Der alltägliche Terror durch Neonazis in Dortmund

Der alltägliche Terror durch Neonazis in Dortmund

Demonstrationen in Dortmund--656x240.jpg
Foto: WAZ FotoPool
Viele Menschen müssen zum Teil seit Jahren den alltäglichen Terror durch Neonazis ertragen. Drohungen, Einschüchterungen, Anschläge sind an der Tagesordnung. Was bleibt, ist oft nur ein Leben in Angst: „Was passiert wohl als Nächstes?“

Dortmund. 

„Jeder kann das Opfer rechter Gewalt werden“, erklärt Claudia Luzar von der Beratungsstelle „Back Up“, einer Anlaufstelle für Opfer rechter Gewalt in Dortmund. Im November hat die Anlaufstelle, zuständig für ganz Westfalen, die Arbeit aufgenommen. Eine zweite, im Rheinland, soll folgen. Denn die Zahlen sind erschreckend: Schon 31 Opfer rechter Gewalt suchten Unterstützung und Hilfe bei den Mitarbeitern von „Back Up“.

Wenn man, warum auch immer, ins Visier der Nazis geraten ist, „gibt es keine Zufluchtsräume mehr“, erzählt ein Opfer. Nicht mal zu Hause sei man sicher vor den Bedrohungen, vor Anrufen, Farbschmierereien, eingeworfenen Scheiben, Buttersäureanschlägen. Wenn man es abends geschafft habe, „nach einem oder zwei Glas Wein endlich einzuschlafen, wird man durch das kleinste Geräusch auf der Straße wieder wach.“ Panisch wanke man schlaftrunken ans Fenster, gucke ängstlich auf die Straße. Oftmals ist da nichts. „Aber dann sieht man sie auch vor dem Haus.“ Ihre Wagen, die Kennzeichen haben sich schon eingeprägt. Und wenn man die Polizei anruft, werde man häufig allein gelassen, mit Sätzen wie: ,Sie wissen ja gar nicht, was die wollen’.“

„Warum ich? Was passiert jetzt?“

Oft komme man nächtelang nicht in den Schlaf, zermartere sich den Kopf: „Warum ich? Was passiert jetzt?“ Normal könne man sich nicht mehr in der Stadt bewegen. Immer in der Angst, den Neonazis gegenüber zu stehen. Pfefferspray wird zum ständigen Begleiter, steht auch zu Hause griffbereit. Im Bus sieht man sie täglich, in der Stadt. „Und sie lächeln einen an, drohen ganz unverhohlen und sie sind bewaffnet, mit Messern“, erzählt ein junger Mann.

Verständnis bei Freunden und Nachbarn finde man kaum. Nur unter Betroffenen habe man Kontakt. Da funktioniere ein Alarmsystem: „Die fahren wieder bei mir vor der Haustür vorbei. Gleich könnten Sie auch bei euch vorbeikommen. Passt auf! Meldet euch, wenn Sie weg sind.“

Lange Zeit, so Claudia Luzar von „Back Up“, sei das Thema Gewalt von Rechtsextremen in den Osten abgeschoben worden. „Man hat das hier immer als ein Jugendproblem abgehakt, nie aber die Dimension an Gewalt dahinter gesehen.“ Und die Gewalt reiche von subtiler, alltäglicher Bedrohung bis hin zum Mord. Die Betroffenen habe man im Stich gelassen – und das oft über viele Jahre hinweg.

Luzar war Ende der 90er Jahre verantwortlich für den Aufbau der „Opferperspektive Brandenburg“. Auch da sei das Problem klein geredet worden, habe man versucht die Einrichtung einer Beratungsstelle in Frage zu stellen. Jetzt, nach Aufdeckung der Mordserie durch die NSU, „habe ich endlich das Gefühl, dass wir willkommen sind.“ Es sei, wie an Dortmund, einer der Hochburgen der Neonazis, zu sehen ist, von der Zivilgesellschaft und der Stadt etwas passiert. Es müsse nun besser vernetzt werden.

Die Homepage der Beratungsstelle.