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Pole Dance im Selbstversuch – Kein Sport von der Stange

Pole Dance – Kein Sport von der Stange

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Duisburg - Fitness-Serie - Pole Dance Foto: Lars Heidrich/Funke Foto Services
Vom Nachtleben auf die große Sportbühne: Pole Dance fordert jede Menge Kraft und Ausdauer. Redakteur Felix zur Nieden hat sich an die Stange gewagt.

Duisburg. 

Es zieht, es knackt. Im Rücken, den Armen und den Beinen. Pole Dance verlangt vom Körper Kraft und Beweglichkeit. Und davon eine ganze Menge. Aber das Schönste am Sport ist doch, dass die Herausforderungen nie ausgehen. Immer neue, immer ausgefallenere Angebote buhlen um die Motivation der Bewegungshungrigen.

Doch manchmal ist das Angebot gar nicht neu. Es erfährt nur die Anerkennung, die es verdient – Sport zu sein. Pole Dance ist ein solcher Trend. Längst lässt sich die Akrobatik an einer Stange nicht mehr ins rote Nachtleben drängen – nicht ohne Gegenwehr.

Kein Anzeichen von Rotlicht

„Es wird immer Menschen geben, die Pole Dance damit in Verbindung bringen, aber es werden weniger. Wer es probiert, wird anerkennen, dass es Sport ist“, sagt Anna Weirich. Die 28-jährige Duisburgern betreibt gemeinsam mit ihrer zwei Jahre älteren Geschäftspartnerin Carolin Rueter das Pole-Dance-Studio „Vertical Moves“ in Duisburg-Hochheide.

Nach Rotlicht sieht es hier wirklich nicht aus. Im Gegenteil. Im hellen Studio warten elf Tanzstangen, Sitzgelegenheiten für „Zuschauer“ gibt es nicht. Wofür auch? Hier geht es um Sport. Die Männerquote ist gering, bislang gibt es nur einen Mutigen, der sich regelmäßig hierher traut. Ein Grund mehr, Pole Dance einmal auszuprobieren.

Zugegeben: Mein Wohlfühlfaktor in engen, kurzen Hosen ist überschaubar – die gehören aber dazu, denn herumwehende Kleidung stört nur beim akrobatischen Turnen. Vor die Kunststückchen haben die Trainerinnen aber das Aufwärmen gesetzt. Beine schmeißen in alle nur erdenklichen Himmelsrichtungen – und direkt der erste Dämpfer.

Mehr als hüfthoch wollen die Gräten nicht fliegen, während die beiden Profis aus dem Stand die Füße deutlich über Kopfhöhe bringen. „Rücken gerade, Brust in Richtung Stange schieben, Hände anschauen.“ Die Anweisungen von Anna Weirich sind so einfach wie eindeutig. Aber ganz eindeutig nicht so einfach umzusetzen. „Das kann man lernen. Als ich vor vier Jahren anfing, musste ich daran auch hart arbeiten“, erinnert sich Carolin Rueter.

„Es ist völlig normal abzurutschen“

Zeit fürs erste Kunststück: der „Chair Spin“. Nur Sekunden später wird klar, dass die Einleitung der Erklärung mit den Worten „ganz einfach“ nicht für jeden Gültigkeit hat, obwohl es bei der 30-Jährigen aussieht als sei es das Normalste auf der Welt. An ausgesteckten Armen hängend in Sitzposition um die Stange zu kreisen ist deshalb nicht „einfach“, weil erstens das Sitzen ohne Stütze unterm Allerwertesten mit Sitzen nur wenig zu tun hat und zweitens das eigene Körpergewicht zum schweren Problem werden kann. „Es ist völlig normal abzurutschen. Schlecht sah das nicht aus“, macht Carolin Rueter Mut. Aufgeben kommt aber eh nicht infrage.

Wer an der Stange weiter glänzen will, muss sie erstmal erklimmen. „Pole Climb“ nennen das die Fachleute und es erinnert ein bisschen an das Seilklettern damals in der Schule. Fuß einhaken, hochziehen, zweites Bein einhaken – fertig. „Jetzt eine Hand loslassen, jetzt die zweite“, fordert Anna Weirich. Schmerz! Die Kraft in den Beinen reicht nicht, unaufhörlich geht es abwärts. Doch das Gros des Körpers ist schneller als die Haut an den Beinen. „Da muss man durch. Gehört halt dazu“, sagt Anna Weirich, für die Schmerz offenbar ein Fremdwort ist. Der aber lässt schnell nach und die Übungen an der Stange – so anstrengend sie auch sind – machen großen Spaß.

Zum Finale ein blauer Fleck

Zum großen Finale noch ein echtes Highlight: Die menschliche Flagge. Ziel ist es, den möglichst gestreckten Körper in rechten Winkel zur Stange zu bringen. Für meinen Körper so realistisch wie ein Kampf auf Augenhöhe mit Wladimir Klitschko. Also begnügen wir uns mit der „Damen-Version“ mit angewinkelten Beinen. Während Carolin Rueter schon an der Stange hängt und dabei auch noch entspannt lächelt, erklärt sie die „ganz einfache“ Übung. Ebenso klar, dass es nicht einfach ist, denn die eingeklemmte Stange unter der Schulter beschert den ersten blauen Fleck des Tages – liebevoll „Pole-Kiss“ genannt. Und Aug in Aug mit dem Boden kommt unweigerlich die Frage auf: „Was mache ich hier eigentlich?“ Nur die starken Arme unter meinen Beinen verhindern, dass dem Pole-Kiss am Arm der Nasen-Kuss am harten Boden folgt.

Zum Glück: Die Gesichtsmitte bleibt unbeschadet und nach 90 Minuten sind die Profis zufrieden. „Zu weinerlich“ sei ich nicht gewesen und bisweilen hätte ich sogar „beeindruckt“. Die Fotos sprechen eine andere Sprache, machen aber deutlich: Pole Dance ist alles, aber kein Sport von der Stange.