Veröffentlicht inRegion

Markus Lanz in England – Moderator zieht harten Vergleich zum Ruhrgebiet: „DAS ist das große Missverständnis“

Markus Lanz in England – Moderator zieht harten Vergleich zum Ruhrgebiet: „DAS ist das große Missverständnis“

Markus Lanz.png
Markus Lanz reist durch England. Foto: Screenshot/ZDF

London. 

Die EU und Großbritannien haben sich am Donnerstag auf einen Brexit-Deal geeinigt. Doch wird das britische Unterhaus dem Deal am Samstag zustimmen? Die nordirische Partei DUP kündigte bereits an, den Antrag von Premierminister Boris Johnson abzulehnen. Tritt dieser Fall ein, muss der 55-Jährige laut Gesetz eine Fristverlängerung bei der EU beantragen – doch Johnson wiederholte mehrmals, den Brexit am 31. Oktober durchzuziehen – notfalls auch ohne Deal.

Mehr als drei Jahre ist es her, dass die Mehrheit der Briten für einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union stimmte. Das Land ist seitdem gespalten wie nie. Anlass für Markus Lanz, auf die Insel zu reisen. In seinem großen Spezial „England ungeschminkt – Zerreißprobe einer Nation“ beschäftigt sich der Moderator mit der Frage: Was wollen die Menschen in Großbritannien wirklich?

Markus Lanz: Brexit – Alptraum oder Chance?

Alleine in und um London fallen die Antworten auf diese Frage sehr unterschiedlich aus. Da gibt es die, für die der Brexit ein Alptraum ist. Markus Lanz trifft auf zwei junge Engländerinnen. „Es ist enttäuschend, entmutigend. Vor allem für unsere Generation. Für den Brexit hat die ältere Generation gestimmt, aber es ist unsere Zukunft. Und wir müssen jetzt damit klarkommen, was wir nicht gewählt haben und müssen die Konsequenzen tragen“, erklärt eine von ihnen.

Und sie bringt auf den Punkt, was viele, vor allem junge Briten, denken: „Es ist ein riesiges Schmierentheater.“ Auch den ausländischen Geschäftsleuten, die im Londoner Nobelviertel South Kensington leben, ist der Brexit ein Dorn im Auge.

Auf der anderen Seite stehen die, die für einen Austritt stimmten, als der damalige Premierminister David Cameron seine Bürger im Juni 2016 an die Urne bat.

„Wir sind am Limit“

Sie trauern der großen Kolonialmacht Großbritannien hinterher. „Make Britain Great Again.“ Das erwarten sie vom Brexit. Im Windsor Park trifft Markus Lanz auf die High Society Englands. Dort findet das Queens Polo Tournament statt – ein exklusiver Zirkel, nur auf Empfehlung wird man Mitglied, der Jahresbeitrag liegt bei 18.000 Pfund im Jahr.

Vor allem die ältere Generation ist dort anzutreffen – sie sind Brexitbefürworter. Ihrer Einschätzung nach sind sie die letzten, die die alten britischen Werte schätzen und beibehalten. Doch die Upper Class bangt um ihre Zukunft. „Ich wollte eine Kontrolle der Grenzen, eine begrenzte Migration“, erzählt eine Frau, während sie an ihrem Champagnerglas nippt, im Hintergrund steht eine Luxuskarosse neben der anderen. Deshalb habe sie pro Brexit gestimmt.

Sie erklärt: „Wir sind am Limit. (…) Wir werden jetzt alt. Es betrifft unsere Kinder und Enkel.“

+++ Markus Lanz: Precht zeichnet düsteres Bild von NRW-Städten – „Dramatisch“ +++

Im Nordosten herrscht Armut – Menschen geben EU die Schuld

Klassentechnisch und geographisch ganz weit davon entfernt, in der Meinung aber vereint ist der reiche Süden vom armen Nordosten des Landes. Markus Lanz macht sich auf den Weg nach Sunderland, eine der ärmsten Städte Englands. Einst eine Industriemetropole, die durch Kohle und Schiffsbau Reichtum erlangte. Durch die Globalisierung zeigt sich heute ein ganz anderes Bild. Die Stadt ist verarmt. Die Menschen arbeitslos.

Der Moderator trifft einen Mann, der in den 80ern unter der Thatcher-Regierung seine Arbeit verlor. Gemeinsam mit der EU-Kommission entschied diese, die Werften dicht zu machen. Frank war Schiffsbauer, so wie in seiner Familie fünf Generationen vor ihm. Er war der letzte.

Auch Frank gehört zu den Brexitbefürwortern, gibt der EU die Schuld für die Misere der Arbeiter. „Nie hätte ich geglaubt, dass es die Werft einmal nicht mehr gibt. Genau wie mit den Zechen, sie waren das pulsierende Herz der Stadt, des ganzen Nordostens“, erklärt er Markus Lanz.

Was hat das mit Frank gemacht? „Ich kann es nicht glauben. Es ist alles weg, gleichzeitig ist es immer noch da. Wir dachten, wir seien die Besten.“ Doch nun gebe es andere Leute, die von außen ins Land kommen. „Ich bin alles andere als ausländerfeindlich“, sagt er. „Aber ich finde auch nichts falsch daran, zu sagen, ‚Britain first‘. Und Großbritannien sollte sich als erstes um die Briten kümmern.“ Er habe „selbstverständlich“ dafür gestimmt, dass Großbritannien die EU verlässt.

—————————-

Markus Lanz:

  • Das ist die Fernsehsendung „Markus Lanz“:
  • „Markus Lanz“ ist eine Talkshow im ZDF, benannt nach Moderator Markus Lanz.
  • Die 75-minütige Sendung wird dienstags bis donnerstags am späten Abend ausgestrahlt.
  • Meistens wird die Sendung einige Stunden vor der Ausstrahlung in einem TV-Studio in Hamburg-Altona aufgezeichnet, mitunter gibt es auch Live-Übertragungen.
  • In jeder Ausgabe der Show empfängt Markus Lanz vier bis fünf (meist prominente) Talk-Gäste, mit denen er zu einem pro Sendung jeweils neuen Thema spricht.

—————————-

Markus Lanz: Situation erinnert an Ruhrgebiet

Markus Lanz erinnert die Situation der Menschen in Sunderland an das Ruhrgebiet. „Wenn man mit den Leuten spricht – und das hört man auch in Deutschland, zum Beispiel im Ruhrgebiet, dann erfährt man, dass es nicht nur darum geht, arm zu sein, sondern es geht um verletzten Stolz“, sagt er im Gespräch mit Sir Paul Collier, einem renommierten Ökonomen der Universität Oxford.

Der Buchautor sagt: „Das ist das große Missverständnis von New Labour, der Politik von Tony Blair und Gordon Brown. Sie dachten, dass man nur den Konsum ankurbeln müsste. Aber die Menschen wollen beitragen, nicht nur konsumieren. Sie wollen teilhaben. Aber das geht nur, wenn sie auch was produzieren, also Arbeit haben.“

+++ Markus Lanz: Bild sorgt Aufregung, Watzke „verstört“ – jetzt äußert sich Erdogan +++

„Erniedrigend und bevormundend“

„Es geht hier nicht darum, welche Rechte, sondern welche Pflichten man als Bürger hat. Wir alle tragen es in uns. Wir wollen auf gesellschaftliche Verpflichtungen eingehen und Verantwortung füreinander einnehmen.“ Die Menschen im Norden hätten aber gar keine Möglichkeit dazu. Durch Sozialleistungen mache man ihre Situation nur schlimmer.

„Man sagt: ‚Ihr seid unfähig, etwas beizutragen.‘ Es ist erniedrigend und bevormundend. Im Grunde erklärt man sie zu unmündigen Kindern.“

Die ganze Folge Markus Lanz kannst du hier anschauen.