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Dramatischer Mangel an Schulen: Mit dieser Peinlich-Kampagne wirbt NRW jetzt um Lehrer

Dramatischer Mangel an Schulen: Mit dieser Peinlich-Kampagne wirbt NRW jetzt um Lehrer

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Yvonne Gebauer wirbt in grellen Farben um Lehrer. Foto: dpa

Düsseldorf. 

„Job mit Pultstatus – Gönn Dir!“ Mit greller Reklame wirbt NRW um Lehrer. Das scheint bitter nötig, denn eine neue Bedarfsprognose zeigt eine klaffende Lehrerlücke auf.

In den nächsten zehn Jahren fehlen laut einer Prognose der Landesregierung über alle Schulformen hinweg rund 15.000 Lehrer in Nordrhein-Westfalen. Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) stellte am Mittwoch in Düsseldorf ein Maßnahmenpaket vor, um gegenzusteuern. Ob die neue Plakatkampagne der Landesregierung da helfen wird – zweifelhaft. Zumindest aber für Aufmerksamkeit dürfte die in Jugendsprache gehaltene Ansprache sorgen.

Die Einzelheiten:

Die Gesamtsituation

Schon jetzt ist es laut Gebauer nicht mehr möglich, alle Stellen zeitnah mit grundständig ausgebildeten Lehrern zu besetzen. Derzeit fehlten schulformübergreifend rund 1700 Lehrer. Laut Einstellungsprognose des Ministeriums sind in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich über 78.000 Stellen an öffentlichen und privaten Schulen in NRW neu zu besetzen. In den nächsten 20 Jahren müssen demnach sogar fast 140.000 oder 85 Prozent aller Stellen im Schulbereich neu besetzt werden. Doch das Personal fehlt.

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Grundschulen

An den Grundschulen werden innerhalb der nächsten zehn Jahre rund 3400 Lehrer fehlen. Aus dem Angebot, Arbeitslose mit Lehramt für die Sekundarstufe II zwei Jahre lang an einer Grundschule unterrichten zu lassen, seien seit vergangenem Herbst erst 73 Verträge hervorgegangen, bilanzierte Gebauer. Ab dem Wintersemester 2018/19 wird es in NRW mindestens 200 zusätzliche Studienplätze für angehende Grundschullehrer geben.

Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen

Bis zu 8000 Lehrer werden hier in den kommenden zehn Jahren fehlen. Allerdings bestehen für die einzelnen Fächer erhebliche Unterschiede. Hervorragende Jobchancen gibt es der Prognose zufolge etwa für Deutsch, Mathematik, Englisch, Sport, Geographie, Chemie, Kunst, Musik, Technik, Hauswirtschaft, Französisch, Informatik und Spanisch. Ein Bewerberüberhang zeichnet sich dagegen für Geschichte, Textilgestaltung und Religion ab.

Gymnasien und Gesamtschulen Sekundarstufe II

Hier wird mit einem Bewerberüberhang von rund 16 000 Stellen innerhalb von zehn Jahren gerechnet. Der Bedarf werde erst wieder steigen, wenn zum Schuljahr 2026/27 erstmals wieder neun statt acht Jahrgangsstufen zu beschulen sind. Günstig blieben die Aussichten laut Prognose aber in Mangel-Fächern wie Mathematik, Physik, Informatik und Technik, aber auch Kunst und Musik.

Berufskollegs

Das Ministerium geht von bis zu 3000 fehlenden Lehrern im Zehnjahreszeitraum in dieser Schulform aus.

Sonderpädagogik

In diesem Bereich werden voraussichtlich rund 1000 regulär ausgebildete Lehrer fehlen – mit beträchtlichen Unterschieden je nach Fachrichtung.

Kampagne

Eine grell plakatierte Kampagne mit unkonventioneller Ansprache soll für den Lehrerberuf werben und das Image aufmöbeln. Erstes Motiv in knalligem Pink: «Job mit Pultstatus. Gönn Dir.» Allein in diesem Jahr gibt die Landesregierung dafür zwei Millionen Euro aus. «Bunte Bilderchen helfen den Schulen nicht weiter», meint die SPD-Opposition. «Lehrerwerbung mit dem Holzhammer», kritisiert auch der Verband Lehrer NRW.

Information

Die Einstellungschancen für Lehrer bis zum Schuljahr 2039/40 sind in einer Bedarfsprognose abgebildet. Auf 29 Seiten kann jeder nachlesen, wie die Aussichten für welche Fächerkombination an welcher Schulform sind. Diese Daten sollen jährlich aktualisiert werden. In den vergangenen Jahren hätten die Geburtenzahlen deutlich über den alten Prognosen gelegen, stellte Gebauer fest. Zudem seien seit 2015 rund 90 000 zugewanderte Kinder ins NRW-Schulsystem gekommen.

Seiteneinsteiger

Ohne Seiteneinsteiger wird der Bedarf an den meisten Schulformen nicht zu decken sein – das gilt vor allem auch für die technische Ausbildung an Berufskollegs. Die Landesregierung werde weitere Hürden senken, kündigte Gebauer an.

Bezahlung

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wies darauf hin, dass die Ziele nicht erreichbar seien, solange Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen und Bezahlung nicht stimmten. Die Landesregierung sei darüber im Gespräch und wolle besoldungsrechtliche Konsequenzen ziehen, versicherte Gebauer. (dpa/göt)