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Ex-Polizist Nick Hein spricht Klartext: So wird die deutsche Polizei kaputtgespart

Ex-Polizist Nick Hein spricht Klartext: So wird die deutsche Polizei kaputtgespart

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Nick Hein erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Foto: imago sportfotodienst
  • Ex-Polizist Nick Hein hat ein Buch über den Zustand der Polizei geschrieben
  • Seine Schilderungen sind dramatisch
  • Ausrüstung der Polizei teilweise nicht alltagstauglich

Köln. 

Nick Hein weiß genau, wie der Alltag von Polizisten aussieht. Elf Jahre lang war er selbst Polizist, drei davon am Kölner Hauptbahnhof.

Nach den Silversterübergriffen von Köln stellte Hein sich vor seine ehemaligen Kollegen von der Polizei. Die galten damals als mitverantwortlich für das dramatische Ausmaß der Übergriffe.

Hein erklärt die Lage der Polizei

Der Vorwurf: Sie hätten nicht gehandelt und die Frauen dadurch den Tätern ausgeliefert. Hein sah das anders. In einem Facebook-Post erklärte er, wie schlecht die Polizei ausgestattet sei:

Hein bekam für seinen Post viel Zustimmung. Insgesamt wurde sein Post über 100.000 Mal geteilt. Jetzt hat Hein, der sein Geld mittlerweile als UFC-Fighter verdient, ein Buch über die Lage der Polizei geschrieben – mit schockierenden Details. Wir haben mit ihm gesprochen.

Herr Hein, wie konnte es zur Kölner Silvesternacht kommen?

Hein: Wir haben rechtlich nicht hart genug durchgegriffen. Viele Täter haben wir geschnappt. Vor Gericht wurden sie dann aber kaum bestraft. Das hat die Täter teilweise selbst gewundert. Es gab keinerlei Konsequenz. Wir haben die Täter zur Skrupellosigkeit erzogen.

Haben die Ereignisse der Silvesternacht Sie noch überrascht?

Hein: Das Phänomen dieser sexuellen Übergriffe war neu. Die Tätergruppe nicht. Von dem Ausmaß war ich überrascht, aber wir hatten an Silvester auch schon in den Jahren davor Probleme mit Tätern aus Nordafrika. Da wurde mit Raketen auf Polizisten und Zivilisten geschossen. Kollegen haben gesagt: „Hey, das ist Ausnahmezustand, kein Silvester.“

Gab es auch im Alltag Probleme mit dieser Gruppe?

Hein: Hauptsächlich Diebstähle. Wir hatten am Tag bis zu 30 Diebstähle am Kölner Hauptbahnhof. Wenn ein Diebstahl nicht funktionierte, ging es auch manchmal in eine Körperverletzung über. Ich kann mich an eine Szene erinnern, als eine Frau mit zwei zugeschwollenen Augen zu uns auf die Dienststelle kam. Ein Täter hatte sie verprügelt.

Und vor Ihnen als Polizisten haben die Leute keinen Respekt?

Hein: Null. Unsere Gesetze sind teilweise zu milde. Gewalt gegen Polizisten wird fast nie bestraft. Das sahen Richter wohl oft als Berufsrisiko. Da haben die Täter gemerkt, dass nichts passiert, wenn man Polizisten angreift oder bespuckt. Eine Kollegin hat bei einem Einsatz mal Pfefferspray verpasst bekommen. Da ist rechtlich nichts passiert. Die Richter haben sowas salonfähig gemacht, indem es fast nie bestraft wurde.

Zur welcher Stimmung hat das unter den Beamten geführt?

Hein: Die Polizisten waren sauer. Die sind mit einer Wut im Bauch zum Dienst gekommen und haben nur noch versucht, durchzuhalten. Wir hatten das Gefühl, dass man uns nach Strich und Faden hängen lässt.

Nach meinem Facebook-Post habe ich viel Rückendeckung von ehemaligen Kollegen bekommen. Viele haben gesagt: „Da kotzen wir uns schon seit Jahren drüber aus und es interessiert keinen. Aufmerksamkeit in den Medien haben wir auch nicht, streiken können wir nicht. Alles wird gegen uns verwendet. Bitte mach weiter.“

Ist die lasche Bestrafung von Wiederholungstätern das einzige Problem?

Hein: Nein. Die Ausrüstung ist eine Katastrophe. Polizisten müssen sich von ihrem eigenen Geld Handschuhe, Taschenlampen und Materialhalter für die Gürtel kaufen. Das wird vom Dienstherren zwar bereitgestellt, ist aber uralt.

Die Handschuhe etwa. Das sind einfache Wildlederhandschuhe. Die sind aber für die Arbeit nicht geeignet – etwa bei Durchsuchungen von Leuten aus dem Drogenmilieu. So eine Nadel übersieht man schnell.

Und dann ist der Digitalfunk ein großes Problem. Selbst am Bahnhof funktioniert der Funk an manchen Stellen nicht.

Das führt zu absurden Szenen. Wir bei der Bundespolizei hatten immer zwei Digitalfunkgeräte dabei, zwei Analogfunkgeräte, riesige Teile. Dazu Ersatzakkus. Außerdem zwei Diensthandys und die Privathandys. Dann laufen Sie während des Dienstes mit acht Funkkörpern rum. Das kann doch nicht normal sein!

Ist wenigstens die Technik in den Wachen aktuell?

Hein: Nein. Da sind veraltete Rechner mit Windows XP. Dafür hat Microsoft den Support vor Jahren eingestellt. Wenn also ein Rechner ausfällt, muss man einen alten XP-fähigen Rechner besorgen. Das kann aber dauern. Dann fallen die Rechner aus. Und das führt dazu, dass das Notrufsystem nicht funktioniert.

Bürger erreichen den Notruf dann nicht?

Hein: Genau. Laut einer Studie des NRW-Innenministeriums ist das zwischen 2012 und 2015 eine halbe Million Mal passiert. Das sind sechs Prozent aller Notrufe. Die sind einfach nicht eingegangen.

Sie kritisieren auch, dass zu wenige Polizisten eingestellt werden. In den 70ern sind im Zuge der RAF viele Polizisten angestellt worden. Die gehen jetzt langsam in Rente.

Hein: So ist es. Innerhalb der nächsten drei Jahre will der Staat zwar 3000 neue Beamte bei der Bundespolizei anstellen. Aber seit den 90er-Jahren wurden 16.000 Stellen abgebaut. Bei der Bundespolizei haben wir derzeit 2,7 Millionen Überstunden.

Hat sich durch die Silvesternacht also nichts geändert?

Hein: In Köln hat man als Reaktion auf die Silvesternacht drei neue Beamte für den Hauptbahnhof eingestellt. Gleichzeitig wurden aber Kollegen zum Frankfurter Flughafen und nach Bayern abgeordnet – um bei der Bearbeitung von Flüchtlingen zu helfen. Dort sind jetzt also noch weniger Kollegen als vorher.

Es ist also schlechter geworden?

Hein: Ja.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Sie Angst hatten, mit Ihrem Facebook-Post den falschen Leuten Munition zu liefern. Was meinen Sie damit?

Hein: Die direkte Benennung der Haupttäter. Das waren bei uns ja die nordafrikanischen Asylbewerber. Das heißt nicht, dass sie es ausschließlich waren oder dass alle Nordafrikaner Taschendiebe sind. Sie machen halt nur eine unverhältnismäßig große Zahl aus. Und es geht darum, dass die gesetzliche Lage ihnen ein Schlupfloch gegeben hat.

Meine Sorge war, dass, sobald ich eine Tätergruppe mit einem Herkunftsland verbinde, ich in die rechte Ecke gestellt werde. Das war aber das Allerletzte, was ich wollte. Ich wollte nicht für rechte Propaganda instrumentalisiert werden.

Im Nachhinein habe ich aber Zuschriften von vielen Nordafrikanern bekommen. Die haben gesagt: „Wir finden das richtig. Mit den Kriminellen wollen wir auch nichts zu tun haben. Wir wollen uns in die Gesellschaft integrieren.“ Das hat mich beruhigt.

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