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1000 Jahre und mehr – Gestatten, die Baum-Methusalems

1000 Jahre und mehr – Gestatten, die Baum-Methusalems

Die Femeiche in Raesfeld Erle.jpg
Foto: WAZ
Über 700 grüne Senioren hat das Landesumweltamt in einer Datenbank gesammelt. Einige bringen es auf 1000 Jahre und mehr. Sie sind ein Stück Heimat.

An Rhein und Ruhr. 

Die Vorstellung, dass ein Baum nicht nur den Einmarsch von Napoleons Truppen im Rheinland erlebt hat, nein, dass er auch schon zu Zeiten des 30-Jährigen Krieges fest in der Erde stand – die Vorstellung hat ihren Reiz. „Alte Bäume begeistern“, sagt Christoph Hoheisel vom Landesumweltamt (Lanuv). Mehr als 700 Altbäume hat die Behörde mittlerweile in einer Datenbank zusammengetragen, und das vor allem dank ehrenamtlicher Hilfe. Mehrere Dutzend Methusalems von mehr als 500 Jahren sind darunter. Die gute Nachricht: Mit vielen Umwelteinflüssen und diesem Larifari-Winter jetzt kommen viele der grünen Senioren überraschend gut klar.

Okay, mancher Baum muss gestützt werden, damit kein Ast ausreißt. Allgemein aber gilt: „Die Bäume haben im Laufe der Zeit ihre Überlebensstrategien entwickelt“, so Hoheisel. Sie verfügten in der Regel über eine breite Krone und „bemerkenswerte Selbstheilungskräfte“ (z. B. bei Pilz- oder Insektenbefall). Klimawandel und Pfingststürme wie „Ela“ sind auch für sie eine Herausforderung: „Aber das gilt für alle Bäume.“ Für die Ökologie sind die Methusalems besonders wichtig. Mit ihrer dicken Borke und ihren Höhlen bieten sie vielen Tieren bis hin zu Schwarzspecht und Fledermäusen einen Lebensraum, erläutert Stefan Befeld vom Landesbetrieb Wald & Holz.

Datenbank wird demnächst überarbeitet

Der wohl älteste und bekannteste Baum NRWs ist ein Beispiel für Überlebenskunst: Die „Femeiche“ in Raesfeld im Münsterland treibt früher aus als andere, schlägt den Schädlingen so ein Schnippchen. Auf 850 bis 1250 Jahre wird die schon lange hohle Stieleiche geschätzt, unter der im Mittelalter Gerichtsverhandlungen stattfanden. „Die Eiche dürfte auch zu den ältesten Bäumen in Deutschland gehören“, sagt Hoheisel.

Baum-Methusalems findet man auch direkt an Rhein und Ruhr. In Xanten etwa wird eine Eibe vor der Polizeiwache auf 1000 Jahre geschätzt. In Essen hingegen dürfte die 400 bis 500 Jahre „Lüstner Eiche“ (Stadtteil Rellinghausen) der älteste Baum im Stadtgebiet sein, sagt der Lanuv-Fachmann. Und bei der Gerichtslinde auf dem Kalkarer Markt weiß man sogar genau, dass sie aus dem Jahr 1545 ist. Der Kaufbeleg von damals befindet sich heute noch im Stadtarchiv.

Alter ist bei Bäumen relativ und hängt sehr von der Art ab. Weil z. B. Kirschen nicht so alt werden, zählen sie schon mit etwa 100 Jahren zu den Senioren. Meist sind es aber nur Bäume mit besonderen Funktionen, welche die Zeiten überdauern. Solche Gerichtsbäume oder Tanzlinden prägen also nicht nur durch ihr Äußeres das Landschaftsbild, sondern stellen häufig auch ein Stück Heimatgeschichte dar. Das gilt übrigens auch für die 200 Jahre alten Maulbeerbäume, die noch im Weseler Hafen stehen: „Sie sind Relikte aus der Zeit des Preußenkönigs Friedrichs II.“, erzählt Lanuv-Experte Hoheisel. Damals seien 50 000 Maulbeeren am Niederrhein gepflanzt worden, mit deren Laub Raupen für die Seidenproduktion gefüttert wurden.

Bürger können Datenbank selbst füttern

Und noch mal Heimatkunde: Viele Esskastanien kamen im 18. Jahrhundert an den Niederrhein. Pfälzer, die eigentlich nach Amerika auswandern wollten, waren in der Region gestrandet und haben die Bäume mitgebracht.

Die ständig wachsende Datenbank „altbaumfinder-nrw.de“ gibt einen Überblick über die Baum-Senioren in einem Alter von meist 200 Jahren und mehr. Bürger können die Lanuv-Datenbank mit ihren Hinweisen füttern. Sie soll in nächster Zeit noch einmal überarbeitet werden. Geplant sind zum Beispiel Hinweise auf besonders herausragende Bäume.