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Zuviel Stress, zu wenig Zeit – ambulante Pflegedienste schlagen Alarm

Zu wenig Zeit! Ambulante Pflegedienste schlagen Alarm

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Foto: Michael May/IKZ
Geld- und Zeitmangel bedrohen Qualität der Betreuung. Wohlfahtsverbände fordern mehr Geld von den Krankenkassen. Nur zwei Prozent der Ausgaben gehen in die häusliche Pflege, so die Dienste. Dabei steigt die Zahl der pflegebedürftigen Menschen stark an.

Düsseldorf. 

Der 86-jährige Mann erhält abends mehrere in Wasser aufgelöste Medikamente. Außerdem muss er inhalieren, bekommt Augentropfen und die Kompressionsstrümpfe werden ausgezogen. Die ambulante Pflege hat gerade zehn Minuten Zeit – der Pflegedienst kann für diese Leistung 9,12 Euro mit der Krankasse abrechnen. Inklusive Anfahrt und Dokumentation. Der Chef der Spitzenverbände der NRW-Wohlfahrtsverbände, Hermann Zaum, ist empört. „Die Unterfinanzierung der Dienste bedroht die Qualität der Pflege.“

Zeitdruck und Personalnot

Regina Pascoletti weiß zu berichten, wie die Arbeitsverdichtung im ambulanten Pflegedienst an die Substanz geht. 16 und mehr Pflegebedürftige in einer vierstündigen Tour, darunter Menschen mit Demenz und schweren Krankheiten. „Das ist nur zu schaffen, wenn nicht der Müllwagen die Einbahnstraße blockiert, wenn immer ein Parkplatz vor der Tür ist, und wenn keine Angehörigen dringende Fragen haben“, erläutert die Leiterin eines Pflegedienstes in Krefeld. Zeitdruck und Arbeitsdichte verschlechtern das Image der Pflege. Die Folge: Pflegedienste werben im Ausland händeringend um Personal.

Morgens um vier Uhr raus, abends die letzte Schicht bei den Patienten. Auch am Wochenende und Weihnachten müssen alte und kranke Patienten gehoben und gewaschen werden. Der berufliche Alltag der ambulanten Pflegekräfte ist anstrengend und belastend. Regina Pascoletti beklagt, dass die Arbeitsverdichtung unzumutbare Ausmaße angenommen habe. Auch deshalb wollen die Wohlfahrtsverbände in den nächsten zwei Wochen den Druck auf die Krankenkassen erhöhen und bessere Bedingungen in der ambulanten Pflege bewirken.

Allein in NRW wird die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 um 150 000 auf knapp 700 000 anwachsen. Die meiste Menschen wollen auch bei Pflegebedürftigkeit zu Hause bleiben. Dass die häusliche Krankenpflege trotzdem gerade zwei Prozent der gesamten Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen ausmacht, wollen die Pflegedienste nicht länger akzeptieren. Schließlich geben die Kassen mehr Geld für Zahnersatz aus.

Kaum Zeit für Patienten

Pflegedienstleiterin Pascoletti, die seit 20 Jahren in der Pflege tätig ist, hat erfahren, dass der Pflegedienst für viele häuslich Versorgte der einzige Kontakt zur Außenwelt ist. Gleichwohl bleiben den Pflegern auf ihrer Tour nur wenige Minuten für die Patienten. Für die Versorgung eines Mannes mit fünf offenen Wunden an Beinen und Rücken braucht die Pflegerin 45 Minuten Zeit – vergütet wird die Pflegeleistung mit 16,31 Euro.