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Wenn nach dem Schlaganfall nichts mehr geht

Wenn nach dem Schlaganfall nichts mehr geht

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Foto: Knut Vahlensieck

Essen. 

Meist kommt der Notfall plötzlich. Vater oder Mutter waren immer rüstig, bis ein Schlaganfall oder Unfall alles ändert. Die Eltern brauchen intensive Pflege. Kinder können oder wollen das immer seltener übernehmen. Schnelle, bezahlbare Hilfe tut dann Not.

Hilde P. war eigentlich immer noch sehr rüstig für ihre 80 Jahre. Sie führte ihren Haushalt allein. Eine Nachbarin half ihr beim Putzen, der Sohn bei größeren Einkäufen. Die Nachbarschaft funktionierte gut, man kannte und half sich. Doch nach dem ersten Schlaganfall war schnell klar: Alleine zuhause und ohne fremde Hilfe geht es nicht mehr.

Sohn und Schwiegertochter sind berufstätig, fallen als Dauer-Pflegekräfte aus. Ein Altenheim kommt weder für Hilde P. noch für die Kinder in Frage. Bleibt ambulante Hilfe in der eigenen Wohnung. Zu sich nehmen können die Kinder Hilde P. nicht. Die eigene Tochter lebt noch daheim, der Platz ist knapp. Und letztlich wollen sie das auch nicht.

700 Euro Eigenanteil sind schnell erreicht

Hilde P. hat Pflegestufe I bescheinigt bekommen. Mehr gibt es auf Anhieb nie, weiß Stefan Horn, Inhaber eines ambulanten Pflegedienstes, aus Erfahrung. Hilde P. kann sich nicht mehr alleine anziehen und auch beim Waschen braucht sie Hilfe. Das Geld der Pflegeversicherung für eingekaufte ambulante Pflege der Stufe I – 440 Euro im Monat – reicht gerade fürs morgendliche Waschen fünfmal je Woche. Wenn Hilde P. sich mittags hinlegen will, müsste eigentlich auch jemand helfen, damit sie sich die Bluse ausziehen kann. Und auch abends braucht sie Hilfe. Das alles, und auch die Unterstüzung am Wochenende, muss aber „zugekauft“, aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Da sind 600 oder 700 Euro Eigenanteil schnell zusammen. Genau genommen braucht Hilde P. ohnehin viel mehr Unterstützung, wie sich nach der Entlassung aus dem Krankenhaus schnell herausstellt. Auch nachts. Doch selbst wenn der medizinische Dienst ihr Pflegestufe II zubilligt, reicht das Geld der Pflegeversicherung (1040 Euro) nur für eine große Wäsche morgens und eine kleine abends täglich, plus An- und Ausziehen.

Die Kinder haben von Pflegekräften aus Osteuropa gehört, die bei Pflegebedürftigen wohnen. Eine professionelle 24-Stunden-Betreuung mit deutschen Pflegediensten würde mindestens 6000 Euro (Mindestlohn 8,50 Euro) im Monat kosten, von denen sie sogar bei der höchsten Pflegestufe 4500 Euro selbst tragen müssten. Die Kinder verdienen zwar gut, aber ihr gemeinsames Nettomonatseinkommen von 4000 Euro reicht auch mit Omas Rente von 1000 Euro nicht.

Es müsste also wohl doch Hilfe aus dem Ausland sein. Ab 1000 Euro im Monat plus Kost und Logis gibt es das, haben sie gehört. Renate Löry, Geschäftsführerin einer Vermittlungsagentur, empfiehlt Kräfte zu 1400 bis 1800 Euro; je nach Deutschkenntnissen. Verfügbar binnen 24 Stunden.

Der rettende Strohhalm

Anke Willers-Kaul, stellvertretende Geschäftsführerin des Landesverbands der ambulanten Krankenpflege e.V., kennt das Problem und verteufelt auch keine Angehörigen, die zu dem rettenden Strohhalm greifen. „Es geht ja um die optimale Versorgung. Wenn wir solche hauswirtschaftlichen Hilfen, die beim Patienten wohnen, antreffen, versuchen wir uns so gut wie möglich abzustimmen. Aber wir müssen natürlich alles genau dokumentieren, uns abgrenzen, um uns abzusichern.“ Schließlich haftet der Pflegedienst gegenüber der Pflegeversicherung.

Hilde P. wird nun bald eine polnische Mitbewohnerin be­kommen. Der Urlaub der Kinder ist aufgebraucht für die erste Zeit nach dem Krankenhaus. Es muss wieder Alltag einkehren können.