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Revier fällt im Wettstreit der attraktivsten Regionen zurück

Revier fällt im Wettstreit der attraktivsten Regionen zurück

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Foto: www.blossey.eu
Im Regional-Ranking von 402 Städten und Kreisen liegen laut Institut der deutschen Wirtschaft Gelsenkirchen und Duisburg ganz hinten.

Essen. 

Die aktuell um sich grei­fende Schlusslicht-Debatte im Ruhrgebiet hat am Dienstag neue ­Nahrung erhalten. Nach einer ­Erhebung des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fällt das Revier im Wettstreit der attraktivsten Regionen immer mehr zurück. Im Regionalranking 2016, das ­dieser Redaktion vorliegt, haben die IW-Forscher die Wirtschafts­struktur, den Arbeitsmarkt und die Lebensqualität aller 402 Städte und Kreise Deutschlands untersucht.

In diesen drei Bereichen wurden Faktoren wie die Steuerkraft der Gemeinden, der Anteil der hoch qualifiziert Beschäftigten, die Beschäftigungsrate von Frauen, Straftaten, private Überschuldung, Ärztedichte, Baugenehmigungen und Arbeitsplatzwanderungen miteinbezogen und gewichtet.

Dortmund landet auf Rang 387

Das Ergebnis könnte für die Städte im Revier kaum ernüchternder ausfallen: Von den zehn Kommunen mit den schlechtesten Bedingungen sind laut dem Kölner Institut allein fünf aus dem Ruhrgebiet. Schlusslicht des gesamten Regionalrankings ist Duisburg. Gelsenkirchen rangiert auf dem vorletzten Platz.

Schlecht abgeschnitten haben auch Herne, Oberhausen, Hamm, Hagen, Bochum und ­Bottrop. Selbst Dortmund, in anderen Studien oft als Strukturwandel-Sieger gefeiert, fährt nach Einschätzung der IW-Forscher mit einem bescheidenen 387. Platz der Entwicklung in ­anderen Teilen Deutschlands hinterher. Im so genannten Dynamik-Ranking, das das Entwicklungspotenzial der Städte abbildet, kommt die größte Revierstadt ­sogar über Rang 392 nicht hinaus.

Essen liegt im Mittelfeld

Entgegen der Wahrnehmung könne sich Dortmund trotz Leuchtturmprojekten wie dem Phoenixsee noch nicht aus der wirtschaftlichen Negativspirale ­befreien, urteilt Studienmitautor Hanno Kempermann. Essen sei im Vergleich auch nicht auf Rosen ­gebettet. „Trotzdem sind die messbaren Erfolge dort zahlreicher und die positive Dynamik nimmt mehr Menschen mit“, sagte Kempermann dieser Redaktion. Der Lohn: Im Dynamik-Ranking schiebt sich der Sitz dreier Dax-Konzerne als bestplatzierte Ruhrgebietsstadt knapp vor den Neckar-Odenwald-Kreis auf Position 169.

Während das Revier mit seinen wirtschaftlichen Problemen kämpft, geht es in anderen Landesteilen weiter aufwärts: Der Großraum München bleibt die erfolgreichste Region in Deutschland, besonders geprägt durch starke Kennzahlen bei der Wirtschaftsstruktur und somit auch dem Steueraufkommen. Ähnlich stark ist sonst nur noch die Region Frankfurt am Main.

Drei Auto-Standorte unter den Top Ten

In den Top-Ten der Standorte ­finden sich auch die drei „Auto­regionen“: der bayerische Landkreis Dingolfing-Landau, die ­„Audi-Stadt“ Ingolstadt und die VW-Stadt Wolfsburg. Insgesamt liegen in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen 89 der 100 stärksten Regionen in Deutschland.

Gründe für die Probleme an der Ruhr sehen die Studienautoren im zu geringen Transfer zwischen ­Wissenschaft und Unternehmen. „Hier sind andere Regionen wie etwa Nürnberg, Ingolstadt und München eindeutig besser aufgestellt“, sagte Studienautor Kempermann.

Der Ruhrwirtschaft fehle es zudem an Innovationskraft. Bei der Vernetzung von Produktion und Digitalisierung, der „Industrie 4.0“, ­laufe das Revier anderen Regionen hinterher. Außerdem mangele es dem Revier an Einigkeit. Kempermann: „Das Ruhrgebiet muss mit einer Stimme sprechen.“

„Auf dem richtigen Weg“

Rasmus C. Beck, als Chef der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr von Amts wegen Anwalt des Strukturwandels an der Ruhr, tritt dem harten Urteil der IW-Studie entschieden entgegen. „Die Wirtschaft im Ruhrgebiet befindet sich entgegen pessimistischer Einschätzungen in einem klaren Aufholprozess“, betonte Beck auf Nachfrage. In den vergangenen beiden Jahren seien in wichtigen Leitmärkten wie Logistik und Gesundheitswirtschaft über 35.000 neue Jobs ­zusätzlich entstanden. Beck: „Die Zahlen zeigen, dass der Strukturwandel auf dem richtigen Weg ist.“