Berlin. Rechtsextremes Gedankengut ist einer Studie zufolge in Ostdeutschland dramatisch auf dem Vormarsch: Die Zahl der Bürger mit einem fest geschlossenem
rechtsextremen Weltbild stieg dort im Vergleich zu 2010 sprunghaft von 10,5 auf
15,8 Prozent, wie aus der am Montag in Berlin vorgestellten Untersuchung der
Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) hervorgeht. Die Verfasser bezeichneten die
Entwicklung in den neuen Ländern als "alarmierend".
Dass rund jeder
siebte Ostdeutsche ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild habe, sei der
höchste Wert, der bei ihren regelmäßigen Studien bislang gemessen wurde, betonte
die FES. In Westdeutschland sank die Quote dagegen von 2010 bis 2012 von 7,6 auf
7,3 Prozent. Der Mittelwert für ganz Deutschland erhöhte sich von 8,2 auf neun
Prozent. Die SPD-nahe Stiftung untersucht in der repräsentativen Erhebung "Die
Mitte im Umbruch" alle zwei Jahre die Verbreitung von rechtsextremen,
antidemokratischen, antisemitischen und islamfeindlichen Haltungen.
Offensichtlich eine Folge der Strukturprobleme in Ostdeutschland
Als
besonders dramatisch bezeichneten die Autoren, dass in Ostdeutschland inzwischen
eine neue Generation von Rechtsextremisten entstanden ist. Anders als bei
früheren Befragungen wiesen 14- bis 30-Jährigen dort hinsichtlich ihrer
Zustimmung zu einer rechtsautoritären Diktatur, zu Sozialdarwinismus oder zur
Verharmlosung des Nationalsozialismus höhere Werte auf als über
60-Jährige.
"Bestand in der Vergangenheit ein enger Zusammenhang zwischen
zunehmendem Alter und rechtsextremer Einstellung, so findet sich dieser nun
nicht wieder", warnt die Studie. "Die Brisanz dieser Situation darf keinesfalls
unterschätzt werden." Es handle sich offensichtlich um eine Folge der
Strukturprobleme in Ostdeutschland sowie des Gefühls einer Generation, nicht
gebraucht zu werden.
Im Kern kein ostdeutsches Problem
Der Verweis auf die soziale und wirtschaftliche
Abkopplung zeige auch, dass es sich im Kern nicht um ein ostdeutsches Problem
handle, betonten die Autoren. Entscheidend seien wirtschaftliche
Strukturmerkmale. Im Osten gebe es nur besonders viele "abwärtsdriftende
Regionen".
Angesichts einer enormen Jugendarbeitslosigkeit und unsicherer
Perspektiven mache das auch mit Blick auf andere Regionen Deutschlands und
Europas pessimistisch. "Diese zurückgelassenen Regionen bringen für die
Demokratie langfristig viel schwerwiegendere Probleme mit sich als 'nur' hohe
Arbeitslosenzahlen oder Verschuldungsraten", erklärte die FES.
Der
Erhebung zufolge sind in Deutschland in hohem Maße auch antisemitische und
antiislamische Einstellungen vorhanden. Antisemitische Einstellungen seien bei
mindestens knapp einem Drittel (28 Prozent) in der einen oder anderen Form
festzustellen. Daneben gebe es ein "enormes Potenzial" an antiislamischen
Haltungen. So seien 36,2 Prozent islamfeindlich, 60,8 Prozent islamkritisch. Für
die Untersuchung befragte die FES nach eigenen Angaben im diesem Sommer 2400
Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund. (afp)