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„Die Partei“ will geschmackloser als die NPD sein

„Die Partei“ bekämpft NPD mit Satire-Plakaten

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Die NPD hat mit umstrittenen Plakaten in Berlin Aufsehen erregt. „Die Partei“ kontert mit einem ebenso geschmacklosen Motiv, mit dem die Originale überklebt wurden. Ex-„Titanic“-Chef Martin Sonneborn erklärt die Aktion im Interview mit DerWesten.

Berlin. 

Sie demonstrieren im Bademantel gegen Sex-Partys bei der Ergo-Versicherungsgruppe, sie werfen mit Schuhen am Bottroper Hauptbahnhof, sie fordern eine Mauer zwischen Bottrop und Kirchhellen – die Anhänger der von Martin Sonneborn gegründeten „Partei“. Und sie überkleben geschmacklose NPD-Plakate in Berlin mit ebenso geschmacklosen Motiven. Aus Protest.

Der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt sitzt auf einem Motorrad, darüber der Slogan „Gas geben“ – so wirbt die rechtsextreme Partei in Berlin. Auch gegenüber vom jüdischen Museum. Die Plakate wurden offenbar überklebt mit einem neuen Poster. Was ist jetzt zu sehen?

Martin Sonneborn: Wir sind der Meinung, dass die „irre Titanic-Partei“, wie die Dresdner Morgenpost uns nannte, die einzige Partei ist, die geschmacklose Plakate in Wahlkämpfen aufhängen darf. Jetzt kommt eine dahergelaufene rechtsradikale Partei an und hängt etwas derart Geschmackloses vors Jüdische Museum. Deswegen haben wir reagiert und haben das NPD-Plakat nachgebaut mit einem etwas anderen Motiv: Es sieht im Prinzip genauso aus wie das Original-Plakat, mit NPD-Logo und dem gleichen Slogan – dann haben wir aber ein Bild von Jörg Haider und seinem völlig zerschmetterten Phaeton darüber gesetzt. Der Mann hat auch Erfahrung mit „Gas geben“.

Wer hat denn die Plakate aufgehängt?

Sonneborn: Wir haben in Berlin eine Kampa, mit der wir den Wahlsieg vorbereiten. Wir haben 25 Polit-Praktikanten, die in Hausmeister-Kleidung mit Partei-Aufdruck hier in Berlin zur Verfügung stehen. Und offensichtlich haben übereifrige Praktikanten dieses Bild nachts auch vor der NPD-Zentrale aufgehängt. Als da die letzten Trupps gerade das Gebäude verlassen hatten, haben wir die Laternen-Pfähle umplakatiert und haben ihnen auch eins an die Eingangstür genagelt.

Sie waren also mit dabei?

Sonneborn: Ich hoffe, ich bin schwer zu identifizieren auf den Fotos. Aber wahrscheinlich war ich aus Versehen auch mit dabei.

Was genau sollen solche Aktionen der „Partei“ bewirken?

Sonneborn: Ich erhoffe mir, dass die NPD weniger geschmacklose Plakate aufhängt in Berlin. Die Offensive ging ja von der NPD aus, wir haben nur reagiert. Wie gesagt: Wir sind die einzigen, die in Berlin geschmacklose Plakate aufhängen dürfen.

Warum eigentlich?

Sonneborn: Das hat Tradition. Wir machen das seit Gründung der Partei 2004. Wir sind der politische Arm des Faktenmagazins „Titanic“. Und „Titanic“ arbeitet schon seit der Gründung immer mal wieder mit geschmacklosen Aktion.

Der NPD-Pressesprecher kündigt an, Strafanträge wegen des öffentlichen Aufrufs zu Straftaten, Sachbeschädigung und presserechtliche Vergehen stellen zu wollen. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Sonneborn: Nein, eigentlich nicht. Es ist doch eine interessante Reaktion. Sie schreiben ja nicht, dass sie einen Antrag stellen, sondern dass sie ihn prüfen. Es ist nicht ganz einfach, uns jetzt zu verklagen. Der Materialwert von drei NPD-Plakaten vor der Zentrale und einigen mehr vor dem jüdischen Museum ist wohl nicht so hoch.

Ist die Protestaktion der „Partei“ nach der Nacht-und-Nebel-Aktion jetzt beendet?

Sonneborn: Es hat relativ viel Nachfrage nach diesen NPD-Plakaten gegeben. Wir mussten Hunderte davon an interessierte Demokraten austeilen. Was die damit machen, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Plakate werden auch weiterhin verteilt und verschickt. Das ist, glaube ich, das erfolgreichste NPD-Plakat, das die NPD jemals nicht gemacht hat.

Gibt es bereits eine Reaktion der Polizei oder von anderen Parteien?

Sonneborn: Ich bin vorgeladen worden, jedoch wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Ich war zufällig in der Nähe des Brandenburger Tores, als ein paar Polit-Praktikanten in 49-Euro-C&A-Anzügen aus Nylon mit Fackeln durch das Brandenburger Tor liefen und das Partei-Lied sangen. Vielleicht war ich sogar dabei – das ist nicht mehr genau verifizierbar. Es war nachts und dunkel. In dieser Sache habe ich noch einen Termin mit dem Polizei-Präsidenten in Berlin.

Wird es bei dem Termin auch um die Plakate gehen?

Sonneborn: Das weiß ich nicht. Aber ich sehe das nicht als großes rechtliches Problem. Wenn uns jemand deswegen verklagen möchte, dann steht ihm das natürlich frei. Wir wären mal wieder in bester Gesellschaft, die NPD wird ja in Sachen „Gas geben!“ auch gerade verklagt wegen Volksverhetzung. Anzeigen, die nichts bewirken werden. Der Rechtsstaat hat gezeigt, dass er in solchen Situationen nur schwer reagieren kann. Deshalb finde ich eine satirische Aktion hier hoch gerechtfertigt. Und zu der stehen wir dann auch. Und setzen uns gerne vor Gericht mit Leuten auseinander, denen das nicht gefällt.