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Der Todeskampf des Joseph Rudolph Wood

Der Todeskampf des Joseph Rudolph Wood

Wieder kommt es in den USA bei einer Hinrichtung zu einer entsetzlichen Panne. Ein Gift-Cocktail wirkt nicht wie geplant. Die Qual dauert zwei Stunden. Der Todeskampf des Joseph Wood wirft erneut ein schlechtes Licht auf die Hinrichtungs-Praxis in Amerika.

Washington. 

Troy Hayden und die übrigen Reporter, die in Arizona regelmäßig über Hinrichtungen berichten, hatten sich aller Erfahrung nach auf ein zehnminütiges Verfahren eingestellt, als sie am Mittwochmittag im Staatsgefängnis in Florence im verglasten Besucherraum Platz nahmen. Was der Mann von „Fox News“ und seine Kollegen dann mitansahen, ist die bislang erschreckendste Panne, die bei der Vollstreckung der Todesstrafe in Amerika seit Jahren aktenkundig geworden ist.

Joseph Rudolph Wood, 1992 zum Tode verurteilt, weil er seine Ex-Freundin Debra Dietz und deren Vater Eugene in Tucson erschossen hatte, erhielt um 13.53 Uhr die erste Injektion. Sein Tod wurde erst um 15.49 Uhr festgestellt. Dazwischen lag ein fast zweistündiges Martyrium aus „Schnauben und Schnappen“, das Troy Hayden an einen Fisch erinnerte, der „an Land gespült wurde und nach Luft ringt“. Nach der Verfassung und einem Urteil des Obersten Gerichtshofs in Washington ein Unding.

„Grausame und ungewöhnliche Strafen“ bei der Hinrichtung eines zum Tode verurteilten Häftlings sind danach eindeutig verboten. Kommen aber seit geraumer Zeit immer öfter vor, weil in Ermangelung erprobter Chemikalien kaum getestete und zudem öffentlich unbekannte Cocktails zum Einsatz kommen. Das möglichst zügige Ableben der Delinquenten wird dadurch oft in die Länge gezogen.

Die Zutaten für die lange übliche Giftspritze sind nicht mehr zu haben

In Ohio rang der Mörder und Vergewaltiger Dennis McGuire im Januar 15 Minuten mit dem Tod. Im April war in Oklahoma einem 38-Jährigen Todeskandidaten beim Spritzen des Giftes eine Vene geplatzt. Er verzerrte das Gesicht, wälzte sich umher und schnappte nach Luft, anstatt wie erhofft das Bewusstsein zu verlieren. Erst nach rund 45 Minuten setzte bei Clayton Lockett der Tod ein; nach einem Herzinfarkt.

Grund der Misere: In 32 von 50 US-Bundesstaaten ist noch die Todesstrafe zugelassen. Sie wird dort fast durchweg mit der Giftspritze vollzogen. Allein: Die Zutaten für die lange übliche Kombination aus drei Medikamenten, die den Verurteilten nach Angaben von Ärzten relativ schnell und schmerzlos töten (ein Betäubungsmittel, ein Mittel, das Muskeln und Atmung lähmt und eines, das den Herzstillstand erzeugt) sind nicht mehr zu bekommen.

Tod durch Erhängen. Gaskammer. Oder Erschießen

Unter dem wachsenden Druck von Gegnern der Todesstrafe weigern sich um ihr Image fürchtende Hersteller in bislang klassischen Lieferländern der Europäischen Union Medikamente wie Thiopentalnatrium oder Pentobarbital in die USA zu liefern. Mit der Konsequenz, dass mehrere Bundesstaaten damit begonnen haben, alternative Betäubungsmittel zu testen. Über den genauen Inhalt dieser Cocktails und ihre Hersteller wird ein Staatsgeheimnis gemacht, um nicht auch noch diese Lieferanten zu verschrecken. Seit Jahresbeginn gab es mehrere Fälle, in denen Hinrichtungen aus dem Ruder gelaufen waren. Einzelne Bundesstaaten erwägen darum bereits die Rückkehr zu ausgemusterten Methoden: Tod durch Erhängen. Gaskammer. Oder Erschießen.

Im Fall von Joseph Wood, der während seiner Tötung im Namen des Volkes vier Mal von Ärzten untersucht wurde, soll eine Mischung aus Hydromorphon und Midazolam verwendet worden sein. Medikamente, mit denen nach Angaben der US-Ärztekammer „normalerweise Patienten im Operationssaal beruhigt oder schmerzfrei gemacht werden“. Ob diese Wirkstoffe in Florence ursächlich für die „verstörende Hinrichtung in Zeitlupe“ (Troy Hayden) verantwortlich waren, soll nun eine von Gouverneurin Jan Brewer angesetzte Untersuchungskommission klären. Was bis dahin geschieht, ist umstritten.

Die den Republikanern zugehörige Chefin des Bundesstaates an der Grenze zu Mexiko sieht keinen prinzipiellen Handlungsbedarf, alles sei in geregelten Bahnen abgelaufen, Wood habe nicht leiden müssen. Was Cassandra Stubbs empört. „Es wird Zeit für Arizona und all anderen Staaten, die die Giftspritze einsetzen, endlich offen einzugestehen, dass die Experimente mit unzuverlässigen Giften ein totaler Reinfall sind“, erklärte die Direktorin der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union. „Anstatt die tödlichen Injektionen auf unsägliche Weise zu verheimlichen, müssen alle Bundesstaaten darlegen, woher die Stoffe kommen. Ohne glaubhaften Beweis, dass sie wie vorgeschrieben wirken, müssen alle Exekutionen bis auf weiteres ausgesetzt werden.“

Opfer-Angehörige: „Dieser Mann hat alles verdient, was ihm jetzt passiert ist“

Exakt das war das Anliegen von Wood und seinen Anwälten. Sie hatten einklagen wollen, dass dem Todeskandidaten vorher verlässliche Informationen über die bei seiner Exekution zur Anwendung kommenden Substanzen gegeben werden. Das oberste Gericht in Arizona gab dem Ansinnen erst statt, verwarf dann unmittelbar vor der Hinrichtung diese Entscheidung aus ungeklärten Gründen.

Als sich bei Wood nach 60 Minuten der Tod immer noch nicht einstellen wollte, schaltete dessen Anwalt Dale Baich per Eilverfügung das Oberste Gericht in Washington ein, um das laufende Verfahren zu stoppen. 30 Minuten nach dem Woods Herz zu schlagen aufgehört hatte, drang die Kunde nach Arizona: Richter Anthony Kennedy hatte das Gesuch abgelehnt. Zur Genugtuung der Angehörigen der Opfer von Joseph Wood. „Dieser Mann hat schreckliche Morde begangen und ihr macht euch jetzt Sorgen um die Medikamente?“, fragte Debra Dietz’ Schwager Richard Brown. „Warum haben sie ihm nicht eine Kugel verpasst, warum haben wir ihm nicht gleich Rohrreiniger gegeben?“ Jeane Brown, die Schwester von Debra Dietz, sagte: „Das war doch nichts. Dieser Mann hat alles verdient, was ihm jetzt passiert ist.“