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Bundestagswahl: Chefin der Grünen Jugend will Grundschüler wählen lassen – „16 Jahre nur Zwischenschritt“

Bundestagswahl: Chefin der Grünen Jugend will Grundschüler wählen lassen – „16 Jahre nur Zwischenschritt“

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Bundestagswahl: Chefin der Grünen Jugend will Grundschüler wählen lassen – „16 Jahre nur Zwischenschritt“

Bundestagswahl: Chefin der Grünen Jugend will Grundschüler wählen lassen – „16 Jahre nur Zwischenschritt“

Das ist Annalena Baerbock

Annalena Baerbock ist die erste Frau im Amt des Außenministers. Wir stellen die grünen Politikerin vor.

Anna Peters führt seit 2019 die Grüne Jugend als Bundessprecherin an. In einer Doppelspitze mit Georg Kurz. Es ist eine der erfolgreichsten Zeiten der Grünen bisher. Umfragehoch, Kanzlerkandidatin, Regierungsbeteiligung fast sicher – doch was kommt danach?

Im Interview mit unserer Redaktion merkt man, dass sich Anna Peters einen radikalen Politikwechsel in der Bundesregierung wünscht – am liebsten in einem linken Bündnis mit SPD und Linkspartei. Und sie spricht über Frauenhass in der Politik. Den habe Annalena Baerbock bei ihrer Kanzlerkandidatur erleben müssen, die Jungpolitikerin aber auch schon selber.

Anna Peters sagt vor der Bundestagswahl: „Das Ziel der Grünen Jugend ist ganz klar, dass die konservative Stillstandspolitik endlich beendet wird.“

Vor der Bundestagswahl haben wir Gespräche mit Vorsitzenden verschiedener Jugendorganisationen von Parteien geführt. Anna Peters gehört zu den großen Nachwuchstalenten der grünen Partei.

Frau Peters, die Grünen wollen das Wahlalter auf 16 Jahre senken. Gleichzeitig tendieren vor allem viele Erstwähler zu den Grünen. Wollen Sie das also durchsetzen, um bessere Wahlergebnisse zu erzielen?

Anna Peters: Nein, darum geht es wirklich gar nicht. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass die Jugend politisch ist und vor allem, dass die Jugend Ahnung hat, wie politische Prozesse funktionieren. Auf kommunaler Ebene gibt es das schon lange, dass 16-Jährige mitwählen können. Deswegen ist es für uns nicht logisch, dass sie die großen Fragen der Zeit nicht mitbestimmen dürfen. Wir sehen auch nicht die Notwendigkeit, ein Bundeswahlalter an die Volljährigkeit zu knüpfen, weil auch andere Dinge nicht an Volljährigkeit geknüpft sind. Man darf sich mit 14 für einen Gott entscheiden, man ist teilweise strafmündig, man kann in den Jugendknast wandern, aber fürs Wählen und für Zukunftsentscheidungen ist man nicht mündig genug? Deswegen sagen wir als Grüne Jugend, jetzt sofort ab 16 und setzen uns langfristig für eine weitere Senkung ein.

Wie weit wollen sie das Wahlalter denn noch senken?

Wir setzen uns dafür ein, über das Wahlalter 0 zu debattieren, weil am Ende auch 16 eine willkürliche Barriere ist. Das Beste wäre, dass man es einfach selber entscheiden könnte und sich in ein Wahlregister eintragen dürfte. Wahlalter 16 ist nur ein netter Zwischenschritt, aber langfristig muss generell darüber geredet werden, wer berechtigt ist zu wählen. Es gibt auch Millionen Menschen, die in Deutschland nicht wahlberechtigt sind, weil sie die Staatsbürgerschaft nicht haben, aber diese Gesellschaft durchaus mitgestalten. Da geht es ja nicht nur um junge Leute.

Sie wollen also, dass eine 8-Jährige selber wählen gehen darf?

Genau! Wenn das Kind sich dazu entscheidet und sich bereit fühlt, dann kann es zum Amt gehen und sich für die Bundestagswahl registrieren lassen.

Was hätten Sie denn in der Grundschule gewählt?

Ich glaube, ich hätte die Grünen gewählt.

Das ist natürlich jetzt eine passende Antwort….

Als ich 8 Jahre alt war habe ich schon an kleinen sozialen Projekten teilgenommen und sie mitgestaltet. Darum hätte ich damals schon mein Kreuz bei den Grünen gemacht, denke ich.

Und beim Ausländerstimmrecht was würde Ihnen da für eine Reform vorschweben?

Wenn eine Person hier leben darf, dann ist meiner Meinung nach auch notwendig, dass sie auch hier wählen darf. Auch anerkannte Geflüchtete, die ja jetzt schon Teil unserer Gesellschaft sind, sie prägen und voranbringen, sollten wählen dürfen. Es macht für mich auch keinen Sinn, dass Menschen die damals in der Gastarbeiter-Zeit ins Land gekommen sind, nicht wahlberechtigt sind, weil sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Das sind Menschen, die 40 Jahre hier leben, die hier arbeiten, deren Lebensmittelpunkt hier ist.

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Das ist Anna Peters:

  • Die 25-Jährige hat ihr Abitur in Freiburg gemacht.
  • Danach war sie im Rahmen eines „weltwärts“-Freiwilligendienstes in Ecuador.
  • In Heidelberg studierte Peters bis 2019 Politische Wissenschaft und Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Umweltökonomie.
  • Seit 2012 ist sie Mitglied der Grünen Jugend, seit 2015 auch bei der grünen Mutterparei.
  • Anna Peters arbeitet als Assistentin für den grünen Europaabgeordneten Michael Bloss.

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Viele junge Menschen verknüpfen mit den Grünen große Hoffnungen auf einen radikalen Politikwechsel, insbesondere auch in der Fridays for Future-Bewegung. Befürchten Sie, dass diese großen Erwartungen enttäuscht werden etwa in einer Jamaika-Koalition oder in einer Ampel?

Wir kämpfen als Grüne Jugend genau dafür, diese Themen zu setzen. Ich glaube, wir würden im Wahlkampf zu viel vorwegnehmen, wenn man jetzt darüber reden würde, wie schlimm Jamaika sein könnte. Es muss das Ziel sein, unsere Punkte als Grüne Jugend zu setzen: Soziale Gerechtigkeit, Mindestlohn, eine Ausbildungsplatzgarantie, Mieten, die man sich überhaupt noch leisten kann. Themen, die auch gerade den Gerechtigkeitskampf unserer Generation so sichtbar machen. Und natürlich der Kampf gegen den Klimawandel!

Es ist jetzt unserer Anspruch, genau diese Themen in der Partei und darüber hinaus zu platzieren. Dann wird es natürlich auch unsere Aufgabe sein, nicht am 27. September die Flyer in den Müll zu schmeißen und nichts mehr zu tun, sondern in Sondierungsgesprächen präsent zu sein und diese Generation zu vertreten, die sich radikale Änderungen wünscht.

Jede Partei-Jugendorganisation will möglichst viel durchsetzen. Aber sehen Sie da für die Grünen und die Grüne Jugend eine besondere Gefahr, Wählerinnen und Wähler zu enttäuschen. Die Jusos kennen das ja bereits aus den GroKo-Jahren. Die Grünen aber sind seit 2005 in der Opposition…

Wir haben diese Erfahrung teilweise schon machen müssen in Landesregierungen, da sind die Leute schon geübt darin, Kritik zu äußern, nicht zuletzt in Baden-Württemberg. Natürlich wird es Momente geben, in denen wir nicht begeistert sein werden. Nichtsdestotrotz wäre es falsch zu sagen, die nächste Regierung – auch wenn sie grün angeführt wird – kann jede Krise auf dieser Welt sofort meistern. Das ist ja auch unseren Mitgliedern bewusst. Unser Anspruch muss sein, dass wir so viel wie möglich in den Koalitionsvertrag kriegen. Wir brauchen auch danach den Druck der Klimaschutz-Bewegung und wollen auch weiterhin mit ihr zusammenarbeiten. Das ist natürlich ein Spagat, den wir aber hinbekommen müssen.

Welche Koalition wünscht sich die Grüne Jugend?

Unser Ziel muss es sein, dass Armin Laschet nicht ins Kanzleramt kommt. Dass CDU/CSU kein Abo aufs Kanzleramt haben und dass der Wechsel möglich ist, damit die Stillstandspolitik, die 16 Jahre geführt wurde, endlich beendet werden kann. Darüber hinaus ist natürlich klar, dass wir für ein linkes Bündnis stehen, da würde ich jetzt nicht die FDP dazu zählen, die natürlich in vielen Punkten überhaupt nicht mit uns übereinstimmt und besonders nicht mit uns als Grüne Jugend.

Also dann Rot-Grün-Rot?

Grün-Rot-Rot!

Genau das wäre noch eine Nachfrage gewesen: Sie haben jetzt sehr defensiv gesprochen. Das Ziel sei, dass Armin Laschet nicht Kanzler wird. Warum sagen Sie denn nicht, dass Annalena Baerbock Kanzlerin wird?

Mein Ziel ist natürlich, dass Annalena Baerbock Kanzlerin wird, sonst würde ich ja jetzt nicht jeden Tag auf der Straße Wahlkampf machen und durchs ganze Land touren. Ich stehe voll und ganz hinter ihr. Nichtsdestotrotz ist das Ziel der Grünen Jugend ganz klar, dass die konservative Stillstandspolitik endlich beendet wird. Deswegen habe ich auf die Frage nach der Koalition gesagt: Auf gar keinen Fall mit der Union. Das ist der Grund, warum ich Armin Laschet als Kanzler ablehne.

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Interviews mit den Chefs der Jugendorganisationen vor der Bundestagswahl:

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Die Umfragewerte der Grünen sind immer noch im zweistelligen Bereich, aber der Höhenflug ist vorbei. Was haben die Grünen falsch gemacht und die SPD richtig in den vergangenen Wochen?

Es war auch uns immer klar, dass der Höhenflug nicht ununterbrochen sechs Monate so weitergehen wird. Ich glaube, dass wir Fehler gemacht haben. Wir hätten zum Beispiel besser über die Quellenangaben gucken müssen oder was in dem Buch von Annalena Baerbock steht. Wir sind aber auch im Vergleich zu den anderen zwei Parteien ein bisschen wie ein Start-up, das gerade versucht gegen Großkonzerne einen Wahlkampf durchzuziehen. Wir sind personell weniger, wir sind eine Partei, die momentan im Bundestag noch die kleinste Fraktion stellt. Wir sind der Underdog und versuchen gegen massive Strukturen im Wahlkampf anzukämpfen.

Ein Start-up, das in vielen Landesregierungen mitregiert und schon mal in einer Bundesregierung war! Der Newcomer sind die Grünen nicht…

Wir sind natürlich keine Newcomer. Aber alleine wenn man vergleicht, wie groß unsere Geschäftsstellen sind, wie wir aufgestellt sind im Bund, haben wir deutlich weniger Personal als die anderen beiden großen Parteien.

Die Grünen sagen, dass diese Bundestagswahl entscheidend ist im Kampf gegen die Klimakrise, eine echte Richtungsentscheidung. Hätten sie dann nicht alles hinten anstellen und unterordnen müssen bei der Frage der Kanzlerkandidatur und auf Robert Habeck setzen müssen, als die Beliebtheitswerte von Annalena Baerbock derart abstürzten?

Es geht nicht darum, Robert gegen Annalena auszuspielen oder umgekehrt. Beide machen gute Arbeit. Ich stehe weiterhin hinter Annalena Baerbock. Sie war und ist die richtige Frau im Rennen ums Kanzlerinamt ist. Was wäre das denn gewesen, nach dem Frauenhass, den sie erlebt hat, wenn wir Grünen gesagt hätten: ‘Ach nee, wir überlegen es uns jetzt anders!’ Das wäre auch gar nicht möglich gewesen, weil es einen Parteitagsbeschluss gab, zu dem ich auch weiterhin stehe. Das war eine Scheindebatte und auch symptomatisch für den politischen Diskurs in Deutschland, sobald eine Person stark unter Beschuss steht. Ich würde auch sagen, dass mit zweierlei Maß gemessen wurde im Vergleich zu den anderen Kandidaten.

Aber bei Herrn Laschet gab es die Diskussion doch auch ähnlich, ob er zurückziehen und Söder stattdessen doch noch Kanzlerkandidat werden sollte…

Den Hass, den Annalena Baerbock als junge Frau ab April, Mai erlebt hat, das ist nicht der gleiche Hass, den Armin Laschet erlebt hat. Wie in diesem Wahlkampf immer wieder auf ihre Fehler verwiesen wird, im Vergleich zu Fehlern, die andere gemacht haben, finde ich nicht richtig. Die Kampagnen, die gegen Baerbock gefahren wurden, waren viel härter. Das meine ich mit zweierlei Maß.

Die parteiinterne Regelung, Frauen zu bevorzugen, war mit ein Grund für das Chaos im Saarland, wo die Grünen nun gar nicht über die Zweitstimme gewählt werden können. Wie sinnvoll ist das strikte Frauenstatut Ihrer Partei?

Es ist sehr sinnvoll und sehr notwendig in einer Welt, in der de facto eine Männerquote besteht durch patriarchale Strukturen in der Gesellschaft. Die Parteien schaffen es immer noch nicht, dass das Parlament zumindest den Anteil der Frauen in der Gesellschaft korrekt repräsentiert. Darum ist für uns Grüne notwendig, unsere Listen paritätisch zu besetzen, um unseren Anspruch gerecht zu werden, Geschlechterungerechtigkeiten zu bekämpfen. Das Frauenstatut ermöglicht den Frauen in unserer Partei den gleichen Zugang zu Bundestagsmandaten.

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Würde man damit nicht im Extremfall in Kauf nehmen, dass eine schlechter qualifizierte Frau vor einem besser qualifizierten Mann in der Liste steht?

Die Frage an finde ich schon falsch, muss ich leider sagen, weil ich nicht behaupten würde, dass Frauen an sich schlechter oder unqualifzierter sind. Wer sagt mir denn, dass eine Frau, die in der Pflege arbeitet, unqualifizierter ist als der Mann, der einen Doktor hat und Anwalt ist. Die Vergleichbarkeit zwischen Bildungsabschlüssen ist in diesem Maße gar nicht möglich. Sonst wäre eine junge Person auch nicht so qualifiziert wie eine ältere. Doch es muss auch genauso unser Anspruch sein, junge Menschen im Bundestag zu repräsentieren.

Sie haben den Hass angesprochen, den Annalena Baerbock erlebt hat. Mussten Sie als Politikerin auch schon Erfahrung mit Sexismus machen?

Ja, ich erlebe ihn auch. So traurig es klingt: Es ist Teil von Politik, dass man als junge Frau diesem Hass ausgeliefert wird. Aber es gibt auch starke, überparteiliche Netzwerke. Diese Art von Umgang erleben auch andere, da kann man sich auch über Parteigrenzen hinweg den Rücken stärken. Ich persönlich kriege vor allem anzügliche Nachrichten, Vergewaltigungsfantasien oder andere eklige Nachrichten. Es ist für mich vor allem ein Ansporn weiterzukämpfen und es nicht hinzunehmen. Und auch dafür zu kämpfen, dass endlich andere Gesetze herkommen.

Was muss sich ändern?

Es darf nicht mehr Twitter, Instagram und Faceook selber überlassen sein, wie sie mit diesem Hass umgehen. Es braucht klare Gesetze, die regeln, ab wann gelöscht wird. Die Polizei muss besser ausgestattet werden, um Online-Gewalt entgegenzutreten.

Selbst wenn ich jetzt eine Anzeige gestellt habe, die strafrechtlich relevant war, kam es in 90 Prozent der Fälle zu überhaupt keiner Konsequenz, obwohl ich auch mit Screenshots die Klarnamen belegt habe. Da braucht es mehr Kompetenzen für die Polizei, vor allem auch mehr Fortbildungen und Personal. Der Gesetzgeber muss das endlich ernst nehmen, was im Netz passiert. Der Bundestag hat in den letzten Jahren dazu einfach viel zu wenig getan.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass die Grünen eine Partei der Besserverdiener in Großstädten und für Akademiker sei? Geht die Politik der Grünen an der Lebenswirklichkeit der Menschen auf dem Land und von Geringverdiener vorbei?

Gerade im Wahlkampf nehme ich wahr, dass wir diese Menschen gut erreichen. Wir sind keine Partei mehr, die gerade an den acht Prozent knabbert, sondern wir sind eine Partei, die jetzt um die 20 Prozent erreichen kann. Wir schaffen es breit Menschen anzusprechen, auch ältere Menschen. Insbesondere auch Großeltern, die sagen: Zum ersten Mal werde ich Grün wählen. Oder ich bin aus dem ländlichen Raum und werde bewusst Grün wählen, weil mir klar ist, dass die Grünen die Antworten der Zeit geben. Unser Parteiprogramm ist nicht nur für die geschrieben worden, die eine U-Bahn-Station vor der Tür haben, sondern das Programm hat auch Antworten für strukturschwache Gebiete.

Die Grünen wollen zwei Prozent der Landfläche für Windräder zur Verfügung stellen. Schon heute tobt ein emotionaler Streit, wenn es um den Bau neuer Windräder geht. Wie wollen Sie das umsetzen?

Die derzeitigen Planungszeiten sind super lang. Das heißt wir müssen erstmal an die Planungsmöglichkeit ran und es schaffen, dass nicht über Jahre verschiedene Flächen ausgesucht werden und es dann an zu viel Bürokratie scheitert. Es müssen schnellere Prüfverfahren her. Jedes Kohlekraftwerk und jedes Atomkraftwerk dürfte nach Gesetzeslage näher an einer Siedlung gebaut werden als ein Windrad. Deswegen müssen wir einerseits ran an dieses 1000-Meter-Abstandsgebot, und dann müssen wir ran an die Flächen, die die Bundesländer ausgemacht haben und den Bau endlich schneller umsetzen.

Aber wie nah sollten Windräder Ihrer Meinung nach an Siedlungen gebaut werden dürfen?

Die 1000 Meter müssen weg. Ob es 500 Meter oder noch näher sein sollen, muss dann im Einzelfall entschieden werden. Aber die absurden Regelungen, die gerade existieren, müssen angegangen werden. Dass diese 1000 Meter keinen Sinn machen, auch im Vergleich zu anderen Energiekraftwerken, das ist für uns klar.

Atomausstieg, Kohleausstieg wie soll das funktionieren? Wird der Strom bald massiv teurer?

Wir müssen die Stromtrassen massiv ausbauen. Gerade im Norden, durch große Windparks an und vor der Küste kann super gut Strom erzeugt werde, auch in rauen, dunklen Tagen. Aber der Strom kann aktuell überhaupt nicht schnell genug nach Süddeutschland kommen. Wir müssen also die nationalen Netze massiv ausbauen – und vor allem müssen wir einen europäischen Strommarkt aufbauen, um von verschiedenen Ländern profitieren zu können.

Dann müssen wir uns um die Effizienz kümmern: Gebäude besser sanieren und dämmen. Dass wirklich jedes Haus, das neu bebaut wird, Solarpanels aufs Dach bekommt.

Die Lösungen und Ideen sind da – es wurde nur massiv blockiert in den letzten Jahrzehnten. Die Erneuerbare-Energie-Industrie wurde in den letzten Jahren durch die Bundesregierung kaputt gemacht. Genau das nehmen wir als Grüne jetzt wieder in die Hand!

Und was bedeutet das für meine Stromkosten?

Für die Stromkosten bedeutet das erstmal, dass die Industrien, die gerade subventioniert werden, die aber klimaschädlich sind, nicht mehr subventioniert werden. Aber die Bereiche, die klimaneutral Strom produzieren, werden billiger. Wir werden mit einem CO2-Preis die Industrien besteuern, die für zu viel Emissionen verantwortlich sind. Der CO2-Preis wird aber in einer Art BürgerInnen-Energiegeld am Ende eines Jahres zurückerstattet. Das kann man sich vorstellen wie so ein Kindergeld. Das ist eine aktive Umverteilung von Haushalten, die mehr verdienen und mehr verbrauchen zu Haushalten, die einfach weniger Energie verbrauchen.

Was bedeutet das für eine größere Familie mit vier Kindern ohne großes Einkommen, aber viel Stromverbrauch?

Das würde bedeuten, dass die Stromrechnung zunächst teurer wird, aber das Geld zurückerstattet wird. Aber die Klimapolitik kann nicht alleine zu einem besseren Leben dieser Familie führen. Teil unseres Sofortprogramms ist ein höherer Mindestlohn, die Abschaffung von Hartz 4, ein Mietendeckel. Klimapolitik kann nicht alles retten, was in der Sozialpolitik in den letzten Jahren falsch gelaufen ist. Dass der CDU/CSU immer nur dann das soziale Argument einfällt, wenn es darum geht Klimaschutz zu blockieren, finde ich scheinheilig, weil sie gleichzeitig nicht vorhaben den Mindestlohn zu erhöhen oder Hartz 4 abzuschaffen.

Das Interview führten Katharina Brenner-Meyer und Marcel Görmann

Vor der Bundestagswahl befragte unsere Redaktion die Vorsitzenden der großen demokratischen Jugendorganisation Jusos, Grüne Jugend, Julis und Linksjugend. Die Junge Union wurde erfolglos angefragt.