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Bürgergeld: Lohnt sich Arbeit noch? Sozialverband spricht Klartext

Lohnt sich Arbeit noch? Diese Frage beschäftigt viele seit Einführung des neuen Bürgergelds. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, klärt auf.

Lohnt sich Arbeiten trotz Bürgergeld weiterhin? VdK-Präsidentin Verena Bentele spricht Klartext!
© IMAGO / Michael Gstettenbauer

Das ist das neue Bürgergeld

Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss haben Bundestag und Bundesrat die Einführung des Bürgergelds beschlossen. Damit kann die neue Grundsicherung für Langzeitarbeitslose wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten.

Seit fast einem Monat gibt es nun schon die „größte Sozialreform seit zwanzig Jahren“. Das Bürgergeld löste zum 01. Januar 2023 das alte Hartz-4-System ab. Die Unterstützung soll einige Vorteile für Bezieher bereithalten.

So ist der Regelsatz für alleinstehende Erwachsene um rund 50 Euro auf 502 Euro im Monat gestiegen. Das löste immer wieder die Debatte aus, ob sich damit Arbeit überhaupt noch lohne. Der VdK Sozialverband spricht jetzt Klartext.

Bürgergeld: „Kapazitäten für die Jobsuche“

„Die Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar wird eine der größten Sozialreformen seit 20 Jahren sein“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bereits bei der Beratung über die neue Reform. Der Hartz-4-Nachfolger hält einige Neuerungen bereit, so soll es „unbürokratisch und digital zugänglich“ sein, bessere Möglichkeiten zur Weiterbildung sowie höhere Regelsätze bieten.

„Besonders für Menschen, die Bürgergeld neu beantragen, wurde der Prozess etwas vereinfacht“, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele dieser Redaktion. So müssten diese sich im ersten Jahr nicht der mühseligen Vermögensprüfung unterziehen und sich zudem nicht darum sorgen, dass ihre Miete nicht komplett übernommen werde. Das schaffe Kapazitäten für die Jobsuche oder Weiterbildungen. Für diejenigen, die schon länger im Bezug seien, gebe es diese Erleichterungen leider nicht, meint Bentele.

Das Bürgergeld habe viele gute Neuerungen mit sich gebracht, wie der Ausbau von Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie der vereinfachte Zugang durch die Karenzzeiten beim Thema Wohnen und Vermögen. Aber: „Leider haben die unsachlichen Vorwürfe und der Generalverdacht gegen Bürgergeldempfänger, viele der Reformen verwässert“, so Bentele.

Bürgergeld: Lohnt sich Arbeit weiterhin?

Das Bürgergeld umfasse viele neue Regelungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, die sich sehr positiv auswirken können, so die VdK-Präsidentin. Auch sei der Freibetrag, den man von seinem Zuverdienst behalten darf, erhöht worden. Der Direktor des Instituts für Weltwirtschaft, Stefan Kooths, sagte dazu der Zeitung „Bild am Sonntag“: „Unser Hauptproblem sind fehlende Arbeitsanreize durch ein unübersichtliches System an Abgaben und Zulagen. Das Bürgergeld hat mit diesem Sammelsurium nicht aufgeräumt – eine verpasste Chance.“ Die Zeitung schlussfolgert: „Wer arbeitet, ist der Dumme!“

Doch laut Präsidentin des Sozialverbands ist das schlichtweg falsch. „Niemand verdient mit dem Bürgergeld mehr, als ein Erwerbstätiger“, betont sie. Denn: „Dieser hätte bei Bedarf nämlich einen Anspruch darauf, mit Bürgergeld seinen Lohn aufzustocken.“ Bentele macht auf ein anderes Problem aufmerksam: „Wie kann es sein, dass es Menschen gibt, die so wenig verdienen, dass sie davon nicht leben können?“ Es brauche höhere Löhne im Niedriglohnsektor. „Keinem Geringverdiener wird es besser gehen, wenn Bürgergeldbeziehern das Geld gekürzt wird“, sagt Bentele auf Anfrage dieser Redaktion.

Bürgergeld: Was kann besser laufen?

Verena Bentele sieht für das neue Bürgergeld aber noch einige Verbesserungspotenziale, es gebe noch immer viele ungelöste Probleme. „Beispielsweise ist in den Berechnungen viel zu wenig Geld für die Stromkosten vorgesehen. Diese liegen weit unter den tatsächlichen Preisen“, mahnt die VdK-Präsidentin. Rund 40 Euro des gesamten Regelsatzes entfallen auf Strom. Es brauche eine Neuberechnung und Erhöhung der Regelsätze.

Auch eine gesunde Ernährung sei mit dem Regelsatz schier unmöglich. Hier brauche es dringend eine Neuberechnung. Maria Loheide, Sozialvorständin der Diakonie Deutschland, betonte ebenfalls, dass der Regelsatz des Bürgergelds nicht ausreiche, „sich nach den Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gesund zu ernähren“. „Gesundes Essen darf kein Luxus sein„.


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Was müsste also in Zukunft besser laufen? Laut Bentele braucht es zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt „genügend Mitarbeitende und finanzielle Mittel“. Da die Haushaltsmittel allerdings gekürzt worden sind, brauche es mehr Geld für die Jobcenter. Auch müsse die Erreichbarkeit der Jobcenter verbessert werden. „Zwar wurde der digitale Zugang zur Antragstellung ausgebaut, dieser kann aber nicht von allen Menschen genutzt werden. Persönliche Vorsprachen und Beratung müssen nach wie vor möglich sein“, macht Bentele deutlich.