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WAZ-Gruppe schließt Redaktionen der „Westfälischen Rundschau“

WAZ-Gruppe schließt Redaktionen der „Westfälischen Rundschau“

Die Mitarbeiter traf die Entscheidung hart: Die WAZ-Mediengruppe schließt die Lokalredaktionen der traditionsreichen „Westfälische Rundschau“. 120 Redakteure und Redaktionsmitarbeiter, die bislang für die 24 Lokalausgaben der Zeitung gearbeitet haben, verlieren ihren Job, wie die WAZ-Gruppe am Dienstag in Essen mitteilte.

Essen/Berlin (dapd-nrw). Die Mitarbeiter traf die Entscheidung hart: Die WAZ-Mediengruppe schließt die Lokalredaktionen der traditionsreichen „Westfälische Rundschau“. 120 Redakteure und Redaktionsmitarbeiter, die bislang für die 24 Lokalausgaben der Zeitung gearbeitet haben, verlieren ihren Job, wie die WAZ-Gruppe am Dienstag in Essen mitteilte.

Der Titel soll erhalten bleiben, die Inhalte kommen künftig sowohl von anderen Zeitungen der WAZ-Gruppe als auch von der Konkurrenz. Der Deutsche Journalistenverband in NRW (DJV-NRW) zeigte sich entsetzt und sprach von einem „Desaster“. Mit der SPD-Medienholding ddvg als Mitgesellschafterin wurde der Schritt eigenen Angaben zufolge nicht abgestimmt.

Die „Westfälische Rundschau“ habe „seit vielen Jahren Verluste in Millionenhöhe“ hinnehmen müssen, sagte der Geschäftsführer der Mediengruppe, Manfred Braun, laut Pressemitteilung. Die Mediengruppe sprach von einer „Sanierung“ des Blattes.

Inhalte von der Konkurrenz

Die Berichterstattung für die „Westfälische Rundschau“ werde ab Anfang Februar von anderen Verlagen sowie Zeitungen der WAZ-Mediengruppe beigesteuert. Demnach kommen die Mantelthemen komplett von Content-Desk der WAZ-Mediengruppe. Die lokale Berichterstattung werde künftig von der zur WAZ-Gruppe gehörenden „Westfalenpost“ geliefert, aber von Konkurrenz-Zeitungen aus den Verlagen Rubens und Lensing-Wolff sowie dem Märkischen Zeitungsverlag, der zur Verlagsgruppe Ippen gehört.

Den gekündigten Mitarbeitern sollen den Angaben zufolge frei werdende Stellen in der WAZ-Gruppe in Nordrhein-Westfalen bevorzugt angeboten werden. Außerdem gebe es einen Sozialplan. „Wir wissen, dass das für die Betroffenen und ihre Familien sehr hart ist, aber wir sehen im Interesse des gesamten Unternehmens leider keine andere Möglichkeit“, sagte Geschäftsführer Braun.

Der DJV-NRW kritisierte die Schließung der Redaktionen scharf. Der Landesvorsitzende Helmut Dahlmann sagte: „Hier wird eine Medienkrise für einen weiteren Kahlschlag in der nordrhein-westfälischen Medienszene genutzt.“ Wie ein „leeres Gefäß“ solle die „Westfälische Rundschau“ mit den Inhalten anderer Verlage gefüllt werden. Die Übernahme von Inhalten der Konkurrenz zeige „die ganze Armseligkeit und Einfallslosigkeit der WAZ-Manager“.

„Publizistische Mutlosigkeit“

Auch die Gewerkschaft ver.di kritisierte die Entscheidung als „fragwürdig und nicht nachvollziehbar“. Der Inhalt der Konkurrenz müsse teuer bezahlt werden, während die WAZ-Mediengruppe eine Stimme verliere, die in der Region von Gewicht sei, sagte der stellvertretende Vorsitzende Frank Werneke. Die „publizistische Mutlosigkeit“ sei „fatal“. Der Konzern sei keineswegs ein Sanierungsfall, die Entscheidung diene offenbar dem Zweck, den nicht schlechten Renditen des Konzerns einen weiteren Schub zu verleihen.

Bei der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (ddvg) zeigte man sich überrascht. Die Maßnahmen hätten der Zustimmung der ddvg als Mitgesellschafterin bedurft, die nicht erteilt worden sei. Die SPD-Medienholding sei Ende November 2012 „sehr rudimentär“ über geplante Einschnitte bei der Tageszeitung informiert worden, hieß es in einer Mitteilung. Trotz Nachfragen seien keine näheren Informationen übermittelt worden. „Wir werden rechtlich prüfen, wie wir damit umgehen“, hieß es weiter. Das Vertrauensverhältnis zum Mehrheitsgesellschafter sei „zerrüttet“.

Die „Westfälische Rundschau“ gibt es seit 1946. Die Tageszeitung erscheint im südlichen Westfalen und im östlichen Ruhrgebiet. Weitere WAZ-Titel in Nordrhein-Westfalen sind die „Westfalenpost“, die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ und die „Neue Ruhr / Neue Rhein Zeitung“.

Bereits im November hatte die „Frankfurter Rundschau“ Insolvenz angemeldet. Gruner + Jahr stellte im Dezember die „Financial Times Deutschland“ ein, betroffen waren rund 300 Mitarbeiter aus der Gemeinschaftsredaktion der Gruner + Jahr Wirtschaftsmedien.

Dessen ungeachtet mag der Bonner Pressestatistiker Walter J. Schütz auch nach der neuerlichen schlechten Nachrichten noch immer nicht von einer Zeitungskrise sprechen. „Viele Zeitungen verdienen doch immer noch ordentlich Geld“, sagte der 82-jährige Wissenschaftler, der seit 1954 in einer Stichtagsammlung alle deutsche Zeitungen zählt, am Dienstag der Nachrichtenagentur dapd. „Nicht überall sind die Auflagenrückgänge so drastisch wie in den Großstädten.“ Er sehe nichts, „was die Zeitung substituieren könnte“.

dapd