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Warum Einfamilienhäuser bald deinen jährlichen Strandurlaub gefährden

Warum Einfamilienhäuser bald deinen jährlichen Strandurlaub gefährden

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PALMA DE MALLORCA, SPAIN - JULY 27: Visitors relax at the beach along the Ballermann stretch on July 27, 2017 in Palma de Mallorca, Spain. The term Ballermann, which combines the Spanish word for bathing site "balneario" and the German slang word for heavy drinking "ballern," has become synonymous with the party atmosphere of the beach-front street. The stretch is especially popular among young German and Dutch tourists, who spend the days at the beach and the nights in the pubs and discos. (Photo by Sean Gallup/Getty Images) Foto: Getty Images
  • Die Bauindustrie boomt weltweit
  • Für Beton wird Sand benötigt
  • Der Rohstoff wird allerdings immer knapper

Berlin. 

Sonne, Meer, Sandstrand – diese drei Dinge gehören zum Jahresurlaub vieler Menschen einfach dazu. Die meisten wissen allerdings nicht, dass sie auf letzteres eventuell bald verzichten müssen. Denn der Rohstoff Sand wird weltweit knapp.

Gigantische Baustellen prägen vielerorts das Stadtbild. Dabei wird stets nach neuen Superlativen gestrebt: Für Burj Khalifa, den höchsten Turm der Welt in Dubai, sind 330.000 Kubikmeter Beton verarbeitet worden. Beton besteht größtenteils aus Sand. Deshalb ist die Nachfrage nach dem Rohstoff extrem gestiegen. Experten sind bereits alarmiert.

Strand in Jamaika spurlos verschwunden

Beton ist buchstäblich Gold wert. Längst haben Kriminelle ihre Finger im Spiel: 2008 wurde in Jamaika über Nacht ein ganzer Strandabschnitt abgetragen. Der 400 Meter lange Sandstrand von Coral Spring verschwand spurlos. Die Täter hatten unbemerkt 500 LKW-Ladungen des Rohstoffs abtransportiert. Sie wurden nie gefasst, die Ermittlungen führten ins Leere.

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Aurora Torres, Wissenschaftlerin am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung, bezeichnete den Rohstoff als „Grundlage unserer modernen Gesellschaft“. Die meisten Menschen seien sich der „drohenden Tragödie“ nicht bewusst. Dabei spiele Sand eine riesige Rolle in unserem Leben: Er sei nicht nur in Häusern, sondern auch in Zahnpasta, Smartphones, Autos, Kosmetika oder Glas zu finden. Selbst in der Weinindustrie werde das aus Sand gewonnene Siliciumdioxid (SiO2) eingesetzt.

„Sand ist der Megastar unseres industriellen und elektronischen Zeitalters“, heißt es in einem Artikel der ETH Zürich. Der globale Bedarf übersteigt bei weitem das, was durch Verwitterung nachkommt. „Die Masse an Sand, die gebraucht wird, hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht“, rechnet Pascal Peduzzi vom UN-Umweltprogramm (UNEP) vor. Er warnt schon lange vor den Konsequenzen und hat 2014 den UN-Report „Sand, knapper als man denkt“ verfasst. „Wir schätzen den derzeitigen Verbrauch auf 50 Milliarden Tonnen pro Jahr – das sind 18 Kilogramm täglich für jeden Einwohner der Erde.“

Warum wird kein Wüstensand verwendet?

Selbst für ein Einfamilienhaus werden Schätzungen zufolge 200 Tonnen des Rohstoffs gebraucht. Allein mit dem Jahresverbrauch des Bausektors „könnte man eine 27 Meter hohe und 27 Meter breite Mauer rund um den Äquator aufschütten“, so Peduzzi.

Man könnte glauben, dass in den Wüsten der Welt genug von dem begehrten Rohstoff herumliegt. Doch Wüstensand ist für die Herstellung von Beton nicht geeignet. Die Körner sind so glatt und rund , dass sie sich kaum verhaken und nicht haften.

Zur Sandgewinnung werden Schwimmbagger eingesetzt, die den Rohstoff vom Meeresgrund, aber auch aus Seen oder Flüssen abtragen. Dass die Folgen für die empfindlichen Ökosysteme oft verheerend sind, liegt auf der Hand. Flussbetten sinken ab, es kommt zu Küstenerosion, die Fauna in den Ozeanen wird zerstört, ganze Inseln verschwinden. Natürliche Schutzmechanismen, die eigentlich Stürme und Tsunamis abhalten, werden außer Kraft gesetzt.

Auch Europa ist bedroht

Indonesien etwa verliere durch hemmungslosen Sandabbau immer mehr seines Territoriums, schrieb die spanische Zeitung „El País“ zuletzt. Mehr als zwei Dutzend Inseln des bei Urlaubern aus aller Welt beliebten Archipels seien bereits komplett verlustig gegangen. Aber auch Europa ist betroffen: „Die Strände der Kanarischen Inseln etwa überleben heutzutage durch Sandimporte aus der West-Sahara.“

Der bei weitem größte Exporteur der Ressource sind Statistiken zufolge die USA, der größte Importeur das für seine glitzernden Shopping Malls und Megabauten berühmte Singapur. Auf der Liste der Einfuhrländer belegt Deutschland immerhin den achten Rang. Viele Länder vor allem in Südostasien haben den Export von Sand verboten. Jedoch wird weiter mit dem Rohstoff gehandelt – nur eben illegal. Die sogenannte Sand-Mafia operiere besonders erfolgreich in Indien, erklärt Aurora Torres. „Sie gilt dort als eine der gewalttätigsten und undurchdringlichsten Gruppen des organisierten Verbrechens.“

Expertenteams arbeiten derweil an der Entwicklung von Alternativen. Baustoffrecycling und Forschungen dazu, Wüstensand für das Bauen nutzbar zu machen, gelten als vielversprechend. Aber das Problem ist komplex, vielschichtig und noch relativ neu. „Sand ist ein ganz besonderes Material, das immer in Hülle und Fülle vorhanden und extrem billig war“, sagt Aurora Torres. Das hat sich inzwischen geändert. „Bisher hat noch niemand eine Lösung gefunden, die den riesigen Hunger nach Sand stillen könnte.“ (dpa/raer)