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Peter Bongartz: „Ich bin weiß Gott kein Menschenfreund“

Peter Bongartz: „Ich bin weiß Gott kein Menschenfreund“

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Foto: IKZ

Als ich im vergangenen Jahr Peter Bongartz zum ersten Mal beim Zeitungs- und Theaterfest traf, fiel mir auf, dass er ganz still neben der Bühne stand und nur beobachtete. Die Leute und das Drumherum. Er wirkte fast etwas einsilbig. Ein paar Monate später treffe ich ihn bei „Neuhaus“ und will mich zum Interview verabreden. Bongartz ist bereits in Fahrt, freut sich angeblich auf das Gespräch und sagt: „Bringen Sie Ihre Frau mit, damit die Sache Niveau bekommt.“ Und am Termin selbst sitzt mir ein Mann gegenüber, der es vermutlich faustdick überall hat. Der Versuch also, ein ungewöhnliches Gespräch mit einem außergewöhnlichen Menschen nachzuzeichnen.

Wenn ich jemandem erzähle, dass ich Sie treffe, sagen alle: „Bongartz? Klar, kenne ich doch.“ Und alle haben sofort ein Bild im Kopf, haben vielleicht sogar auch ein paar Rollen vor Augen. Aber über Peter Bongartz als Promi, Star oder auch Mensch wissen sie kaum was. Hat man Sie nichts gefragt oder haben Sie nichts gesagt?

Ich mache das ja jetzt seit 40 Jahren. Es gibt in Ihrem Beruf einige unheimlich nette Kollegen, die sagen: Wenn Du nichts sagen willst, dann musst Du auch nichts sagen! Du darfst nur nicht an der falschen Stelle was sagen, dann biste dran. Da habe ich eine Einigung erzielt: Ich habe gesagt, ich mache einmal in meinem Leben eine Homestory und dann nie wieder! Haben sich alle dran gehalten. Wunderbar! Ich habe nichts zu erzählen, meine Frau hat ihren eigenen Beruf, ist Anwältin, die weiß genau, dass sie ihre Persönlichkeitsrechte hat. Die will auch nicht. Und ich gehöre nicht zu denen, die sich für 100 000 Mark in die Südsee einladen lassen. Und mit Foto hier und Foto da, dann bist Du einmal in der Falle und kommst nicht wieder raus. Der Manfred Krug hat damals Kohle dafür genommen, aber das war mir egal, der brauchte die Kohle. 1000 Mark, sonst sagt er gar nichts. Ist okay. Bei mir gibt’s aber nichts zu erzählen.

Ich werde es mir merken. Aber vielleicht erlauben Sie doch einen Blick auf den Lebenslauf, jedenfalls soweit bekannt. Geboren in Greifswald und dann geht’s in der Vita schon mit einem Philosophie-Studium weiter. War das eine fröhliche Jugend? Greifswald könnte doch ganz spannend gewesen sein.

Quatsch! Wir sind Rheinländer, wir haben damit nichts zu tun. Mein Vater war da Soldat. War dann zwischenzeitlich in Amerika, ist wiedergekommen, sollte in die Politik, sah aber seine hungernde Familie in Greifswald und hat gesagt, wir gehen wieder ins Rheinland. Wo wir ja auch herkommen.

Reinrassige Rheinländer?

Im Zuckmayerschen Sinne ist alles durchgeflossen. Meine Mutter und Großmutter aus Andernach, der Rhein ist mir heute noch ans Herz gewachsen. Als Kind fand ich die ersten Schlepper nach dem Krieg furchtbar aufregend.

Die Wurzeln zur Schauspielerei – liegen die auch schon in diesen Lebensanfängen oder war da eher noch der Zug zur Philosophie?

Alles war eher einfach ein Anfall von Übermut. Anwalt wollte ich nicht werden. Anfang der Sechziger stand einem doch alles offen. Es gab keinen Numerus clausus. Jetzt kam noch hinzu, dass ich auch keine Familie gründen wollte, wollte keine Kinder, wollte keine Verantwortung übernehmen. Also habe ich erst einmal Sport gemacht. Tennis. Für Rot-Weiß Köln gespielt und habe damit sogar auch Geld verdient. Man konnte sich ja den Luxus erlauben zu denken, wenn ich so Ende 20 bin, dann überlege ich mal, was ich so mache.

Dann kamen die ersten französischen Filme, mit Leuten wie Belmondo, das fand ich alles ganz toll. Es war die Laune einfach. Wissen Sie, ich bin manchmal richtig sauer auf meine Generation, wenn die mit so langen Gesichtern rumlaufen. Die müssten eigentlich so dankbar sein.

War die Familien denn ähnlich begeistert von der Idee, dass der Sohn auf der Welle des Luxus und des Sich-nicht-entscheiden-müssens dahinplätscherte?

Meine Eltern waren sehr locker und musisch. Und mein Vater sah das entspannt. Er sagte: „Pass mal auf, Du siehst nicht ganz blöd aus, hast keinen Buckel, hast was in der Birne – mach was.“

Waren Sie Einzelkind?

Ja, ich hatte eine ältere Schwester, die allerdings noch als Baby gestorben ist.

Kommt daher auch die Entscheidung, keine Verantwortung für eine Familie übernehmen zu wollen?

Ja, weil ich wusste, wenn ich in den künstlerischen Bereich gehe, dann bin ich abhängig, dann bin ich erpressbar. Meine Frau hat einen eigenen Beruf, wenn es bei mir nicht läuft, dann läuft es bei ihr. Da ist man flexibel. Und übrigens – zum Glück hat sie einen eigenen Beruf. Schauspieler, die immer nur über die gleiche Scheiße reden? Ist doch furchtbar. Dann muss man natürlich nur jemanden finden, den man liebt und der das mitmacht.

Verstehe, das ist also so ziemlich von Anfang an Ihre „Ein-und-alles-Frau“?

Ja, wir haben auch erst ganz spät geheiratet. Weil ich lange in die Südsee musste, und da habe ich gedacht, dann wollen wir es erst mal alles in Ordnung bringen. Warum soll man sonst heiraten.

Noch mal zur Philosophie. Gab’s dafür einen Grund?

Also, ich machte den Sport, dann wollte ich Schauspieler werden. Aber ich wollte nicht zur Schauspielschule, das war mir zu doof. Aber ich wollte auch was für meine Birne tun. Und dann bin ich zur Uni nach Köln gegangen, habe beim WDR Nachrichten gelesen. Das hat mir richtig Spaß gemacht. Geld hatte ich ja immer genug. Allein schon, weil es drei Sender gab, bei denen ich jobben konnte.

Und das alles dann komplett ohne Schauspielschule?

Ja, ich hatte ein bisschen Sprachunterricht bei einem Privatlehrer. Ich sage ja immer: Das Handwerk muss man können, das ist in der Sprache, der Rest ist Persönlichkeit. Alles andere ist Mist. Dieses amerikanische Method Acting macht mich verrückt. Ich bin Südländer. Nehmen Sie Mastroianni, diese Natürlichkeit, wo sie vorher gar nicht wissen, was kommt, diese Improvisation. Das fand ich toll. Aber als ich dann anfangen wollte, habe ich festgestellt, dass die gar nicht auf mich gewartet haben. Da wurde es dann ernst.

Sie machen allerdings nicht den Eindruck, als seien Sie von großen Selbstzweifeln gequält. Sind Sie damals auch schon mit so breiter Brust in die Geschichten gegangen?

Das Problem stellte sich nicht, ich wurde ja gar nicht erst genommen. Denken Sie an die Zeit, rund um die 68er. Wenn ich da reinkam, gute Sportfigur, braun gebrannt und habe gelacht, dann war es schon aus. Die saßen blass in der Ecke, waren verpickelt, verkrampft und fanden Wim Wenders gut.

Auch an den klassischen Theaterbühnen?

Total, da war es ja ganz verkrampft. Die haben bestimmt, wo und wann gelacht werden durfte. So sieht das mit dem Humor ja heute noch teilweise aus. Eigentlich wollte ich ja ohnehin auch nie zum Theater. Das war mir immer zu laut, dauerte auch viel zu lang und die schreien immer. Und man musste die Gegenüber sich ja immer vorstellen. Julia war in Wirklichkeit vierzig und potthässlich. Nein, ich wollte eigentlich immer zum Film oder zum Fernsehen. Und irgendwann hatte ich riesiges Glück, dass sich ein Regisseur ein bisschen in mich verliebt hatte. Und da war es dann gut.

Warum in Sie?

Das war der Franz Peter Wirth und der hatte ein Hobby, die amerikanischen Filme. Der liebte den Gary Grant. Vor allem, wenn er gegenbesetzt war.

Waren Sie dann schnell auch in so einer Schublade?

Natürlich, aber meine größten Erfolge waren auch immer meine größten Fehlbesetzungen.

Wenn man über Sie liest, taucht schnell der Begriff „Womanizer“ auf. Unangenehm?

Ach Gott, das hat mal irgendjemand geschrieben, es gibt Schlimmeres.

Sie sind ja noch mit nur einem Fernsehsender aufgewachsen. Waren das im Vergleich zu heute gesegnete Zeiten?

Ich finde ,Ja’. 18 Uhr fing es an und 24 Uhr war Schluss. Da gab es ja auch noch einen Kulturauftrag. Ich werde nie vergessen: Der 1. Januar war im ersten Programm der Kulturtag. Maria Stuart oder Hamlet oder Don Carlos – so wurde das Jahr begonnen.

Wenn Sie heute auf so einen roten Teppich schauen . . .

Jetzt wollen Sie sagen, wer da so alles rüberläuft? Mein Gott, das ist die Zeit. Hätten Sie 1984 gedacht, dass RTL mal jemals selbst produziert, das war ein reiner Abspielsender. Das ist doch heute eine ganz andere Welt.

Aber Sie sagen nicht, es ist eine schlechtere Welt.

Nein, sage ich nicht, ich finde es schrecklich, wenn alle immer sagen, früher war alles besser. Heute geht es einfach mehr zur Sache. Es ist eine Inflation der Gefühle. Das Vibrieren ist allerdings in der Tat weg.

Gehen wir mal vom Fernsehen weg. Aus einem anderen Interview stammt von Ihnen der kernige Satz „Älter werden ist scheiße!“ Tun Sie was dagegen?

Wie meinen Sie das?

Hängen Sie morgens schon kopfüber im Türrahmen?

Ach so, also Sport mache ich immer und habe ich immer gemacht, damit ich mich wohlfühle. Ich muss unter Dampf stehen.

Macht Sie das Altern auch traurig?

Traurig? Weiß ich nicht. Ich habe aber ein Vorbild, meine Schwiegermutter, 93 und fit wie ein Affe. Die habe ich noch vor mir.

Sind Sie ein Planer?

Ich habe eine gewisse Demut. Eigentlich bin ich dankbar, dass es mir so gehen kann und darf, wie es mir geht. Ich versuche auch, mich zu benehmen. Aber ich bin kein Menschenfreund. Das halte ich für eine Fehlentwicklung der Evolution. Allein der Begriff „menschlich“ ist ja schon falsch, kein Tier kann so sein wie der Mensch. Und die, die diese Erkenntnis verdrängen und sagen: ,Wir leben doch in einer wunderschönen Welt!’, denen sage ich: „Dann sind sie krank!“

Sind Sie ein emotionaler Mensch?

Gott, vieles berührt einen schon.

Wenn es dramatisch oder traurig wird in den Nachrichten, können Sie dann auch weinen?

Kann ich, ich bin ja nicht so eine Verklemmter.

Also ich staune. Jemand, der im Fernsehen so sympathisch und angenehm rüberkommt, dem man nur die schönsten Frauen oder als Frau gern auch sich selbst wünscht, sagt von sich: Ich bin weiß Gott kein Menschenfreund!

Naja, das wird ja auch falsch ausgelegt. Ich sage: Ich habe in dem Film „Tiefe Wasser“ vier Menschen umgebracht und die Leute sagen: Ach so, ja, aber wie sie das gemacht haben . . . Einfach schön!“

Aber Sie sind Tierfreund!

Extrem!

Haben selbst aber derzeit keine Tiere?

Früher Pferde und Hunde, dann durch den Beruf bedingt eine Zeit lang keine mehr. Aber jetzt habe ich zwei fast zahme Eichhörnchen und einen zahmen Amselmann. Mit dem kann ich mich auch unterhalten. Wobei es wichtig ist, nie zu pfeifen. Sie müssen mit ihm reden, Mensch bleiben. Das kapiert der sofort. Wenn Sie pfeifen, fühlt er sich verarscht.

Geht der Mensch richtig mit den Tieren um?

Nein, die haben ja gar keine Ahnung. Die projizieren ihre Sache auf die Tiere. Die merken gar nicht, dass Fische zum Beispiel auch Gefühle haben. Es gibt sogar Quallen mit Gefühlen. Macht Euch die Erde untertan? Oder „Nutz“-Tiere? Alles Blödsinn. Wer hat überhaupt das Recht, ein Tier zu töten?

Warum sind Sie eigentlich niemals in die Politik gegangen?

Da sind sie mit Leuten umgeben, die nur korrumpiert sind. Die meisten können keinen geraden Satz reden. Die Frau Merkel ist ja in ihrem Beruf perfekt. Aber was redet die? Nichts! Aber die Leute finden das gut, sagen „Die macht das schon!“

Wäre Kabarett auch eine Möglichkeit gewesen?

Ja, da war ich mal nah dran. Beim Kai Lorenz in Düsseldorf. Da ist aber der Harald Schmidt hingegangen. Ich habe immer behauptet, wenn man das macht, muss man auch schreiben können. Ich habe Respekt und Horror vor einem weißen Blatt Papier.

Haben Sie viele Freunde?

Nö. Meine Frau ist mein bester Freund und dann habe ich noch zwei, von denen ich annehme, auf die kann ich mich verlassen, wenn’s eng wird. Dann erst weiß man das ja, vorher ist alles Gelaber.

Leute, die keine Menschenfreunde sind, neigen nicht selten auch zu Atheismus. Sie auch?

Ja, aber andererseits, die Menschen brauchen den ganzen Rummel. Je größer der Aberglaube, um so besser. Und ganz wichtig: So wenig Fakten wie möglich. Aber wenn einer sagt: Gott hat gesagt, . . .! dann musst Du sofort aufstehen und gehen. So ein Blödsinn! Aber das brauchen die Leute. Ich musste vor einiger Zeit von meiner Schwiegermutter ein Geschenk zum Pfarrer bringen. Ich habe es ihm in die Hand gedrückt und gesagt: „Viel Erfolg!“ Und er hat gesagt: „Das ist nicht Gottes Wort!“ Da habe ich gesagt: „Dann wollen wir es doch lieber lassen.“

Sie haben mal gesagt: Das schöne an mir ist, ich hatte nie sonderlich Ehrgeiz! Wird das jetzt im Alter auf der Zielgeraden wieder mehr?

Nicht Ehrgeiz, es gibt so eine Besessenheit. Ich habe immer gedankt, dass ich nicht Ansätze hatte von einer gewissen Genialität. Wenn Du getrieben bist und kannst da nicht raus, wie Mozart oder Kleist, das ist schlimm.

Müssen oder dürfen wir mit Ihren Memoiren rechnen?

Ein Kollegen von Ihnen hat einen herrlichen Ausspruch getan, als irgend so ein dusseliger Schauspieler wieder mal was veröffentlicht hat. „Auch er konnte die Tinte nicht halten!“ Herrlich, oder?