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Strafanzeige gegen Xavier Naidoo wegen Songtext erstattet

Strafanzeige gegen Xavier Naidoo wegen Songtext erstattet

Wegen eines Liedes auf ihrem gemeinsamen Album „Gespaltene Persönlichkeit“ stehen Xavier Naidoo und Kool Savas massiv in der Kritik. In dem Song wettern die Musiker in derbster Vulgärsprache gegen vermeintliche Ritualmorde an Kindern. Eine linke Jugendorganisiation hat deshalb Strafanzeige erstattet und fordert den Rauswurf Naidoos bei „The Voice of Germany“.

Essen. 

„Gespaltene Persönlichkeit“ heißt das Album, das Xavier Naidoo und Kool Savas als „Xavas“ gemeinsam veröffentlicht haben. Knapp acht Wochen ist das Werk des Duos jetzt auf dem Markt, in der Zwischenzeit war es auf Platz 1 der Charts, und beinahe hätte kaum jemand Notiz genommen vom Hidden Track „Wo sind“ – jenem Song, der nach einer Pause im Anschluss an Lied 15 zu hören ist.

Beinahe. Jetzt aber kocht Empörung über das Lied hoch. Es hagelt Kritik: an der aggressiven Vulgärsprache und Gewaltschilderungen, an Formulierungen, die kaum anders als homophob zu verstehen sind. Die „Linksjugend solid“, ein an die Linkspartei angelehnter Jugendverband, hat deshalb Strafanzeige erstattet. Die Organisation bezichtigt Naidoo und Kool Savas des Aufrufs zur schweren Körperverletzung, zum Totschlag und der Volksverhetzung.

Xavier Naidoo rappt übers Töten

Wer sich den Text durchliest oder anhört, darf in der Tat nicht zartbesaitet sein. „Ich schneid euch jetzt mal die Arme und die Beine ab“, singt Xavier Naidoo da, „und dann f***e ich euch in den Ar***, so wie ihr es mit den Kleinen macht.“ Weiter geht’s: „Ich bin nur traurig und nicht wütend. Trotzdem würde ich euch töten. Ihr tötet Kinder und Föten, und ich zerquetsch euch die Klöten.“ Und dann fragt der gläubige Schmusesänger mit Hang zu missionarischen Botschaften: „Warum liebst du keine Möse?“ – seine Anklage gegen Schwule?

Der Song transportiere „Menschenfeindlichkeit, Gewaltverherrlichung und Homophobie“, findet die Linksjugend. „Hier werden auf haarsträubende Art und Weise satanistische Rituale mit Kindesmissbrauch, mit Pädophilie, mit Homosexualität gleichgesetzt.“

Staatsanwaltschaften bestätigen Eingang von Strafanzeigen

„Der Text gruselt mich“, bekannte bereits im September Gerhard Fontagnier, Grünen-Politiker und Ratsmitglied in Naidoos Heimatstadt Mannheim, in einem Interview. Xavas hätten mit dem Text „nicht nur die Grenze des guten Geschmacks überschritten“, sondern schienen „geistig im Mittelalter verblieben zu sein“.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim bestätigte am Mittwoch, dass eine Strafanzeige vorliege. Sie sei am Montag eingegangen und werde nun geprüft, sagte ein Sprecher. Mannheim kommt als Standort eines etwaigen Verfahrens infrage, weil hier Naidoos Plattenlabel „Naidoo Records“ sitzt. Auch die Staatsanwaltschaft Hannover bestätigt den Eingang einer Anzeige – gegen die Tonpool Medien GmbH, die das Album vertreibt. Die Linksjugend hat nach eigenen Angaben auch noch in Berlin Anzeige erstattet. Dies konnte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft dort am Mittwoch weder bestätigen noch dementieren.

Xavas-Song könnte womöglich auf dem Index landen

Jenseits der Frage nach der Strafbarkeit des Inhalts könnte der Titel Konsquenzen für Xavier Naidoo und Kool Savas haben. Da wäre der Jugendschutz: Bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien war bis zum Mittwochmittag zwar noch keine Beschwerde über den versteckten Song eingegangen – die Aufregung um das Lied aber auch dort angekommen.

Sie habe den Text vor sich liegen, sagte die Bundesprüfstellen-Vorsitzende Elke Monssen-Engberding im Gespräch mit der WAZ Mediengruppe. Und: Sie gehe davon aus, dass „in den nächsten Tagen“ Meldungen dazu aufliefen. Um einer offiziellen Prüfung nicht vorwegzugreifen, wollte sie sich nicht weiter zum Inhalt des Liedes äußern – nur so viel: Eine Reihe ähnlicher Hip-Hop-Texte seien bereits indiziert worden.

„The Voice of Germany“ will an Xavier Naidoo festhalten 

Und dann wäre da noch die aktuelle Arbeit Xavier Naidoos als Coach in der Castingshow „The Voice of Germany“. „Die Linke.queer“, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Schwulen und Lesben in der Linkspartei, forderte ProSiebenSat.1 auf, ihn aus der Show zu nehmen. Seine Jury-Kollegen – Nena, Rea Garvey und The BossHoss – sollten sich weigern, weiter mit ihm zusammenarbeiten.

Die Macher der Castingshow ließen indes zügig ein knappes Statement verbreiten: „Xavier Naidoo hat in einem Radio-Interview zur Plattenveröffentlichung den Hintergrund hinreichend erklärt“, teilte Sendersprecher Christoph Körfer mit. „Natürlich bleibt er Coach bei ‚The Voice of Germany‘.“ Die Frage, inwieweit gewaltverherrlichende oder homophobe Texte einer Zusammenarbeit entgegenstehen könnten, blieb bis zum Nachmittag unbeantwortet.

Xavier Naidoo und Verschwörungstheorien

Ohnehin ist gerade die von ProSieben angeführte Erklärung Xavier Naidoos zum Hintergrund des Songs womöglich das Irritierendste an der ganzen Geschichte: Es gehe in dem Hidden Track um „furchtbare Ritualmorde an Kindern“, sagte Xavier Naidoo im September in einem Interview beim Radiosender ffn Niedersachsen. Ritualmorde, die – Obacht! – „tatsächlich ganz viel in Europa passieren“, über die aber „nie jemand spricht, nie jemand berichtet“.

Er sei im Zusammenhang mit den Dutroux-Morden 1996 auf „das Thema“ aufmerksam geworden und seitdem „tief darin verwickelt“, erzählt Naidoo in dem Interview weiter. Er habe sich „unter der Lupe angeschaut, was da passiert“.

Was er damit meint? Kool Savas rappt im Song von „okkulten Ritualen“, die den „Pakt der Macht“ besiegelten, von einer „Loge, getarnt unter Anzug und Robe“. Und wer nach „Ritualmorde an Kindern“ googelt, stößt auf eine Fülle krudester Verschwörungstheorien, nicht selten tief verwurzelt im Antisemitismus.

Xavas äußern sich nicht zu den Vorwürfen

Auf Verschwörungstheorien rund um seine eigene Person angesprochen, sagte Kool Savas noch im Oktober 2011, er sei kein „Typ, der über alle Verschwörungstheorien lacht“. Aber „das Problem ist, dass oftmals irgendwelche Idioten kommen und Halbwahrheiten da reinbringen. Besser ist es, wenn einer sich wirklich analytisch damit auseinandersetzt und einem auch genug Freiraum lässt, sich zu entscheiden, Pro und Contra aufzählt.“

Zur Auseinandersetzung mit den aktuellen Vorwürfen blieb Kool Savas am Mittwoch stumm. Auch Xavier Naidoo ließ über sein Management lediglich ausrichten, sich nicht äußern zu wollen.