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Spritzig und überschäumend

Spritzig und überschäumend

Hagen. 

Ganz im Ernst: Die Sauerländer haben Humor. Sie sind wie Silvester: spritzig, überschäumend, und man lässt es richtig krachen. Ist doch so, oder? Wenn das einer weiß, dann Gerd Normann. Der gebürtige Sauerländer (Bestwig-Nuttlar) ist Kabarettist („Sauerlanddialoge“), Buchautor und beobachtet seine Heimat von Berlin aus. Ein Gespräch über den Sauerländer Humor. Das kann ja heiter werden.

Frage: Herr Normann, lassen Sie uns über uns Sauerländer reden und – so sind wir nun einmal – ohne Umschweife zum Thema kommen. Haben die Sauerländer Humor?

Gerd Normann: Wer seine Ortschaften Faulebutter, Hundesossen, Halbhusten oder Mosebolle nennt, muss einfach Humor haben. Und wer dann auch noch dort wohnt, na, der hat ja wohl den Schalk im Nacken.

Frage: Hand aufs Herz, oder Kopf in den Nacken – was benötigen die Sauerländer, um in Stimmung zu geraten?

Normann: In erster Linie Bier, andere Sauerländer und einen an den schütteren Haaren herbeigezogenen Anlass. Und Anlässe gibt’s im Sauerland wie Sand am Meer. Ich glaube in ganz Deutschland gibt es keine Region, die kreativer beim Kreieren von Anlässen ist. Ich habe kürzlich von einem Runkelfest gehört und muss zugeben, richtig neugierig geworden zu sein. Ich habe mir den Termin in meinem Kalender angestrichen. Das interessiert mich wirklich. In meinem Heimatdorf Nuttlar richtet der Schützenverein eine Irish Night aus. Das will ich einfach mal so stehen ­lassen.

Frage: Sie sagen aber bestimmt etwas dazu, ob Sauerländer ein Menschenschlag sind, der gerne andere zum Lachen bringt. Oder will er eher zum Lachen gebracht werden?

Normann: Das eine bedingt das andere. Der Sauerländer ist gesellig,und er will jemand anderen zum Lachen bringen, um dann von demjenigen selbst zum Lachen gebracht zu werden. Fängt einer an Witze zu erzählen, sind die anderen sofort mit dabei.

Frage: Da könnte man ja denken, dass der Sauerländer auf einer Stufe steht mit den vielbeschriebenen rheinischen Frohnaturen. Oder gibt es doch Unterschiede?

Normann: Der Sauerländer ist zunächst zurückhaltender als der Rheinländer, er brabbelt nicht sofort drauflos, ­sondern wartet ab, checkt die Situation, um dann im ­richtigen Moment den absoluten Brüller unters Volk zu ­bringen.

Frage: Welche Art von Humor mögen die Sauerländer? Eher hintersinnigen, schwarzen, trockenen, feinen oder derben?

Normann: So genau kann ich das nicht sagen. Das dürfte auch von Sauerländer zu Sauerländer unterschiedlich sein. Wenn ich von mir ausgehe, dann mag ich alle Humorarten. Es kommt auf die ­richtige Dosierung an. Und eins ist ganz wichtig: er muss gut sein.

Frage: Ja gut, in welchen Situationen, bei welchen Anlässen können Sauerländer herzhaft schmunzeln?

Normann: Wenn topausgerüstete Städter auf staksigen Beinen versuchen eine sauerländische Bodenwelle mit Skiern hinunterzurutschen. Oder eine Gruppe Nordic Walker durch das Unterholz klappert.

Frage: Apropos Schenkel: Kennen Sie einen typischen Witz, bei dem sich die Sauerländer auf die Schenkel schlagen?

Normann: Es gibt da einen Witz, der mir vor etwa 30 Jahren als tatsächlich in unserem Dorf stattgefundene Begebenheit erzählt worden ist. Und ich habe diese Geschichte geglaubt – als realistische Möglichkeit eingeschätzt. Erst kürzlich habe ich erfahren, dass es sich um einen damals umher vagabundierenden Witz handelte. Er geht so: Hennes geht wegen eingewachsener Zehennägel zum Arzt. Der schaut sich den Fuß interessiert an und sagt: „Das sieht nicht gut aus, Hennes. Zeig mir den anderen Fuß doch auch mal.“ Woraufhin Hennes den Arzt erschrocken ansieht und sagt: „Oh, dat cheht nicht. Da bin ich nicht drauf vorbereitet!“

Frage: Ganz ohne Vorbereitung, antworten Sie bitte spontan: Gibt es Tabuthemen im Sauerland, über die man keine Scherze macht?

Normann: Über den FC Schalke 05.

Frage: Königsblau ist entgegen anderslautenden Gerüchten kein Karnevalsverein. Was mich aber auf ein anderes Thema bringt: Welchen Stellenwert hat unter Humorgesichtspunkten der Sauerländer Karneval?

Normann: Einen hohen Stellenwert. Auf unseren heimischen Karnevalsveranstaltungen habe ich erstmals Bühnenluft geschnuppert. Das war die Ausbildung. Ich kann mich noch genau erinnern. Bei unserem ersten Auftritt haben wir einen Bauerntanz gemacht, bei dem die Ernte­königin in hohem Bogen von der Bühne geworfen wurde. Das kam gut an. Das hat den Leuten gefallen. Beim nächsten Mal hatten wir dann schon zwei Auftritte.

Frage: Wandern wir von der Bühne zum Gasthof, diesen Ort der Geselligkeit. Auf welche Humorebene begeben wir uns?

Normann: Normalerweise wird man beim Betreten einer sauerländischen Kneipe mit blöden Sprüchen begrüßt. In dem Moment muss man sich wehren können, sonst kann man sofort wieder nach Hause gehen. Hat man das geschafft, ist eine gute humoristische Grundlage geschaffen, um im Laufe des Abends alle Humorebenen zu durchlaufen. So kann es durchaus vorkommen, dass so ein Abend mit dem Austausch philosophischer Bonmots endet. Wobei man natürlich am nächsten Tag wieder von blöden Sprüchen empfangen wird.

Frage: Wie komme ich jetzt auf Blödel-Otto? Mögen die Sauerländer denn eher Otto Waalkes oder eher Loriot?

Normann: Alle Sauerländer lieben Loriot. Ganz Deutschland liebt Loriot. Bei Otto Waalkes scheiden sich die Geister. Sicherlich hat er sich um den deutschen Witz verdient gemacht. Aber Loriot hat der Welt gezeigt, dass die Deutschen Humor haben, Otto hat gezeigt, dass sie lachen können. Wenn Loriot so wäre wie Otto Waalkes würde er immer mit einer Nudel an der Nase herumlaufen. Und dann würden die Leute irgendwann auch nicht mehr sagen: „Guck mal, wie lustig!“

Frage: Mit ohne oder Nudel an der Nase. Können Sauerländer über sich selbst lachen?

Normann: Auf jeden Fall. Ich habe ja in meinem Programm viele Sauerländer. Und ich hab das Gefühl, dass die mal so richtig über sich lachen wollen. Obwohl, es ist häufig so, dass die Frau schallend lacht und der Mann sich leicht errötet wegdreht.

Frage: Wie meinen Sie das? Ist das womöglich Ironie, Spott, Sarkasmus oder gar Zynismus? Mögen Sauerländer so etwas?

Normann: Noch vor 60 Jahren benötigte der Sauerländer diese Instrumente nicht. Da traf sich die männliche Dorfbevölkerung an der Dorf­grenze und tauschte mit den Fäusten Argumente aus. Doch mittlerweile ist der Sauerländer in dieser Hinsicht weltgewandter geworden und zieht erstmal über den anderen her, bevor er ihm was auf die Glocke gibt.

Das Gespräch mit Gerd Normann führte Rolf Hansmann.