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Spinnenphobie – was man gegen die Angst vor Achtbeinern tun kann

Spinnenphobie – was man gegen Angst vor Achtbeinern tun kann

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Foto: Ingo Otto
Wenn es jetzt kalt und nass wird, krabbeln die Spinnen in die Wohnungen und sorgen dort bei vielen Menschen für Angst und Ekel. Dabei sind die Insektenjäger hierzulande harmlos. Was man gegen die große Furcht tun kann.

Essen. 

Das Grauen lauert in dunklen Ecken oder seilt sich lautlos vor unserer Nase ab. Es flitzt auf acht Beinen unberechenbar über unseren Teppich und hat mit seinen vier Augenpaaren alles im Blick. Nein, diese schaurigen Gesellen möchte man nicht in der heimischen Wohnung wissen. Und doch suchen einige Arten nun wieder als Untermieter Obdach vor Nässe und Kälte. Die Angst vor Spinnen ist uralt, doch wie berechtigt ist sie? Und was kann man gegen diese Phobie tun?

Woher kommt die Spinnenphobie?

Die Wissenschaft rätselt seit langem, warum viele Menschen ein Ekelgefühl oder sogar Panik befällt, sobald sie den Weg einer Spinne kreuzen. Einige Forscher versuchten, das mit dem ungewöhnlichen Körperbau der Achtbeiner, der so verschieden von dem des Menschen ist, zu erklären. Andere Experten entgegneten, das träfe auch auf Schmetterlinge, Elefanten und sogar Flipper und Lassie zu.

Eine weitere These vermutet, dass in Urzeiten die Spinne einer der ärgsten Feinde des Menschen gewesen sei, die Angst sei demnach vererbt worden. Fossilienfunde haben diese Vermutung jedoch widerlegt: Die meisten Urspinnen waren offenbar ebenso harmlos wie die überwiegende Mehrzahl ihrer heutigen Nachfahren. „Die Spinnenangst ist vor allem in Europa ein kulturelles Problem“, sagt Dr. Martin Kreuels, Spinnenexperte beim Naturschutzbund NRW. „In Film und Literatur werden sie stets negativ dargestellt, denken sie nur an die Harry-Potter-Filme.“

Ganz anders sei der Umgang mit den kleinen Krabblern in anderen Kulturen, wo sie zuweilen gar als göttliche Tiere verehrt werden. Und in Europa? Vor allem im finsteren Mittelalter sei die Spinne gleichbedeutend mit Tod, Pest und Teufel gewesen, erklärt Kreuels. Seitdem hat sich ihr Image nur unwesentlich verbessert.

So nützlich sind Spinnen

Von den weltweit knapp 40.000 Spinnenarten können gerade einmal knapp 20 exotische Exemplare dem Menschen gefährlich werden – in Mitteleuropa findet sich von ihnen keine einzige.

Das Risiko, von einer Spinne gebissen zu werden, sei verschwindend gering, erklärt Kreuels. „99,9 Prozent der Spinnen sind völlig ungefährlich, die meisten können noch nicht einmal zubeißen, weil sie nicht durch die menschliche Haut kommen. Jede Mücke oder Wespe ist gefährlicher“, sagt der Münsteraner Biologe.

Spinnen seien hingegen extrem nützlich, helfen sie doch, die Heerscharen von Insekten klein zu halten, die sich ohne die geschickten Jäger maßlos vermehren würden. Kreuels nennt eine theoretische Berechnung: „Würden in Deutschland keine Spinnen mehr existieren, würde das Land nach einem Jahr mit einem 20 Zentimeter hohen Insektenteppich bedeckt sein.“ Auch keine schöne Vorstellung.

Hilfe gegen Spinnenangst

Obgleich die Arachnophobie, also die Angst vor Spinnen, irrational ist, bleibt bei vielen Menschen der Ekel, sobald sie eines der Tierchen in der Nähe vorüberhuschen sehen. Martin Kreuels rät, sich einfach einmal vor ein Spinnennetz zu setzen, um zu beobachten, was eigentlich passiert. „Die Spinne wird vermutlich im Netz sitzen bleiben und macht überhaupt nichts.“ Der Mensch ist ihr schnuppe.

Eine Arachnophobie ist jedoch ernst zu nehmen, und es ist ratsam, professionelle Hilfe zu suchen. Einige Tierparks und Zoologische Gärten in der Region bieten gelegentlich Workshops an.

Kreuels selbst gibt in Zusammenarbeit mit einem Psychologen Seminare gegen Spinnenangst, in denen Betroffene schrittweise an das kleine Tier herangeführt, mit ihm vertraut gemacht und konfrontiert werden. Auf diese Weise soll die Angst konkret durchlebt und im besten Falle überwunden werden.

„Das passiert in fünf Stufen und wir beginnen zunächst damit, Kinderbilder von Spinnen zu zeigen“, erklärt Kreuels. Danach gibt es Fotos von den Tieren, es folgen Plastiken und tote, in Alkohol eingelegte Spinnen, ehe es an das lebende Objekt geht. Gezeigt werden typische Tiere (in einem Kasten oder in einer Dose) aus den heimischen Gefilden. „Seminare mit Vogelspinnen ergeben keinen Sinn, das sind in meinen Augen Show-Veranstaltungen, denn diese Tiere kommen bei uns ja gar nicht vor“, sagt Kreuels.

Das Tier in der Wohnung

Zwei Arten sind besonders häufig im Haus anzutreffen: Zunächst die Winkelspinne, die für viele Spinnenphobiker das Ekeltier par exellence ist: groß (bis zu 10 cm), langbeinig und pelzig. Sie fühlt sich vor allem im Keller und in dunklen Ecken wohl – und das ganzjährig.

Die zweite Art ist die Zitterspinne, die recht klein ist, aber außergewöhnlich lange Beinchen aufweist. Sind Feinde in der Nähe, zittert sie in ihrem Netz und macht sich so unsichtbar. Der geschickte Jäger nimmt es übrigens auch mit größeren Arten auf und behält zumeist die Oberhand.

Falls sich eine Kreuzspinne im Haus aufhält, dürfte sie sich verlaufen haben. Denn sie fühlt sich am Busen der Natur am wohlsten und spinnt dort ihre kunstvollen Netze.

Wer keine achtbeinigen Mitbewohner mag, sollte nicht zum Pantoffel oder zur Zeitung greifen. Bewährt hat sich die Methode, die Spinne mit einem Glas und einer Postkarte zu fangen (Glas drüber, Karte drunter) und vor die Tür zu setzen. „Das kann man machen“, sagt Kreuels, „aber man sollte sie mindestens 60 Meter weit wegtragen, sonst ist sie gleich wieder drin.“

Findet das Tier nicht den Weg zurück, wird wahrscheinlich eine Kollegin alsbald ihren Platz einnehmen. Gegen Spinnen im Haus ist kein Kraut gewachsen. Auch Lavendel hilft nicht. „Sonst gäbe es in der ganzen Provence keine Spinnen“, sagt Kreuels.