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So läuft der Wiederaufbau in den Trümmern von Tacloban

In den Trümmern von Tacloban

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SPENDENAKTION der Kindernothilfe und WAZ 2013 Foto: Jakob Studnar
Sieben Wochen nach der Sturmkatastrophe auf den Philippinen ist die Stadt Tacloban noch immer am Boden zerstört. Doch der Wiederaufbau regt sich. Die Kindernothilfe konzentriert sich auf den sturmfesten Wiederaufbau von Schulen und Kitas. Manche von ihnen hatten sich buchstäblich in Luft aufgelöst.

Tacloban. 

Die Reisenden werden weniger bei jedem Umstieg, die Flugzeuge kleiner, und wenn dann der letzte Pilot die Propeller abgestellt hat, die Tür geöffnet ist und die Gangway hergeschoben, dann steigt man aus der klimatisierten Welt von „Cebu Pacific Air“ hinab in die schmierigen Trümmer von Tacloban.

Eben, am Flughafen der Touristenstadt Cebu, flatterte noch ganz ungerührt die überdimensionale Werbezeile „It’s more fun in the Philippines“. Jetzt steht hinter der Rollbahn vor einer verlassenen Ruine nur ein wackliges Schild. „Velásquez Property. Stay out!“

Doch das Plündern ist vorbei. Übrigens kann man nach einer Katastrophe wie dieser statt „Plünderer“ auch „Hungernde“ sagen.

Häuser aus Beton haben den Sturm besser überstanden

In Tacloban auf der Insel Leyte ging der Wirbelsturm Haiyan an Land, er ertränkte und erschlug allein hier über 2000 Menschen wie Angel (10), Princess (6) und ihre Mutter, und jetzt sitzt der Vater da und sagt: „Manchmal will ich nur noch sterben, aber mein achtjähriger Sohn braucht mich, deshalb versuche ich, stark zu sein.“ Um ihn herum ist die Stadt zu Boden geschlagen, wie es kaum je einer Stadt im Frieden widerfuhr.

Häuser, Schulen, Kitas, Kirchen: alles kaputt. Häuser aus Beton haben es eher überstanden, aber längst nicht alle; oder solche mit runden Dächern, ohne Packende – so steht auch der unbeschädigte „Tacloban Astrodome“ surreal inmitten der Verheerung. Einer Verheerung „jenseits von Worten, jenseits von Vergleichen, jenseits jeder Vorstellungskraft“, schreibt die Zeitung „Manila Bulletin“, und mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Zehntausende leben in durchnässten Zeltstädten

Schulen sind eingestürzt in der Unglücksregion, Kitas haben sich buchstäblich in Luft aufgelöst: Sie sturmsicher wieder zu errichten, ist das, worauf sich die Kindernothilfe in den nächsten Monaten konzentriert. Viele Straßen sind geräumt in der Stadt, Märkte wieder geöffnet, und niemand muss mehr hungern, aber damit muss es jetzt auch reichen mit den guten Nachrichten. Spendenaktion

Denn auch sieben Wochen nach dem Sturm des Jahrhunderts leben noch Zehntausende in den durchnässten Zeltstädten und hängen ab von der immergleichen Hungerhilfe. Zuletzt gab es aber zusätzlich Schokolade und einige Kekse. An einem Tag, den man Weihnachten nennt.

„Das Aufräumen wird noch eine Weile dauern“

„Es ist Zeit, weiterzumachen. Allein das Aufräumen wird wegen der Menge noch eine Weile dauern“, sagt Gilberto Catindoy. Der 41-Jährige verlor Vater und Haus, ist aber heilfroh, dass die drei Kinder überlebten.

Einen Arbeitsplatz hat der Bauarbeiter nicht mehr, nun gehört er zu Tausenden, die für ein paar Dollar am Tag anpacken beim Wegräumen einer ganzen havarierten Großstadt. Stadtverwaltung und Hilfsorganisationen bringen so Geld unter die Leute und eine bescheidene Wirtschaft in Gang. Tote aber finden sie noch immer bei der Arbeit: ein Fall dann für die Männer der ,Soco’, die anrücken unter Atemschutzmasken. Spendenaktion

„Ich höre sie immer noch ,Mama, Mama’ rufen“

Und so schaut die Verkäuferin Michelle Maraya (22) immer wieder nach bei den schwarzen Leichensäcken, die vor einer Kirche abgelegt werden. „Ich komme jeden Tag in der Hoffnung, dass ich mit meinen Kindern wiedervereint werde“, sagt sie. Wie die Großmutter und die Tante, gelten auch ihre vierjährige Tochter und der zwei Jahre alte Sohn als vermisst. „Ich höre sie immer noch ,Mama, Mama’ rufen, als die Flut in unser Haus drang“, sagt die Mutter.

Die Situation in Tacloban sei „furchtbar“, sagt auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon bei einem Besuch hier: „Die Menschen arbeiten hart, um wieder auf die Beine zu kommen.“ Aber die Welt müsse ihre Hilfe „beschleunigen und erhöhen. Wir dürfen nicht zulassen, dass dies zu einer weiteren vergessenen Krise wird.“

Die Stadt wurde bereits zweimal völlig zerstört

Zerstörung ist auf 360 Grad, weshalb selbst ortskundige Fahrer noch an mancher Kreuzung zögern, wohin es denn nun weitergeht. Und Dunkelheit ist nach halb sechs Uhr abends, weil es kaum ein Haus gibt, wo jemand Licht machen könnte. Da staunt man dann, dass Taclobans Auferstehung aus Ruinen nur drei Jahre dauern soll, wie die Stadtverwaltung schätzt. Dass sie das schaffen, kann man nicht bezweifeln, denn Apokalypse geschah hier nicht zum ersten Mal.

Zuletzt 1912 wurde Tacloban von einem Taifun niedergemacht, und geht man noch weiter zurück, findet man in der ,New York Times’ vom 28. November 1897: „Der Wirbelsturm erreichte die Insel Leyte und traf die Hauptstadt Tacloban mit großer Wucht. Nach weniger als einer halben Stunde standen dort nur noch Ruinen . . .“

1897. 1912. 2013. Weiß Gott: Jahrhundertkatastrophe. (mit dpa)