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Senta Berger lebt so, als würde sie „ewig leben“

Senta Berger lebt so, als würde sie „ewig leben“

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Unter Verdacht Foto: ZDF
72 – na und? Für Senta Berger ist das Älterwerden kein Problem. Das bekannte die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin im Interview. Die Rolle als Polizeipsychologin Eva Maria Prohacek macht ihr nach wie vor Spaß. Und dennoch ist Rente ein Thema – für ihre Figur.

Berlin. 

Senta Berger

war 60 Jahre alt, als sie zum ersten Mal die eigenwillige Kommissarin Eva Maria Prohacek gespielt hat. Jetzt ist sie 72 – und hat noch längst keine Lust aufzuhören. Am Samstag läuft die 20. Folge der Krimiserie „Unter Verdacht“ (Samstag, ZDF, 20.15 Uhr). Im Interview mit Julia Emmrich in Berlin erzählt die vielfach preisgekrönte Schauspielerin, wie sie sich mit dem Älterwerden anfreundet – und warum sie den öffentlichen Appell gegen Prostitution unterschrieben hat.

Wenn Sie Ihren Sechzigern eine Überschrift geben sollten – wie würde die lauten?

Senta Berger: Da muss ich nachdenken. (Pause) Es sind ja eigentlich meine zweiten wunderbaren Sechziger: In den ersten, in den Achtundsechzigern, war ich ein junges Mädchen. Und in den zweiten war ich vor allem überrascht, dass dieses Jahrzehnt so ausgefüllt mit Arbeit war. Ich konnte sehr vielfältig spielen und gleichzeitig meinen Kindern beim Erwachsenwerden zusehen. Die Zahl 70 war dann, anders als ich erwartet hatte, kein Einschnitt. Es war so, als würde ich auf eine Uhr gucken und sagen: „Oh, schon so spät?“ Und dann geht das Leben wieder weiter.

Fühlen sich die Siebziger anders an?

Berger: Ich glaube, dass man immer versucht, dem Leben eine Struktur zu geben, um es in den Griff zu bekommen. Gerade eben auch das letzte Lebenskapitel. Wir reden viel über Abschiednehmen, Testament, Tod. Aber ich glaube, dass es am Ende ganz anders sein wird, als wir uns das theoretisch vornehmen und bei irgendeinem Anwalt deponieren. Das Leben spielt nicht nach unseren Regeln.

Macht Ihnen das Angst?

Berger: Manches Mal. Aber ich kann es ganz gut verdrängen. Ich lebe oft so, als würde ich ewig leben. Ich mache einfach keine Pläne von der Sorte „Wenn ich mal nicht mehr gehen kann, dann…“. Ich entscheide solche Fragen, wenn ich davor stehe.

Bei Frauenfragen beziehen Sie klar Position – wie 1971 in der Abtreibungsdebatte. Jetzt haben Sie den öffentlichen Appell gegen Prostitution unterschrieben. Was ist daran so schlimm?

Berger: Es geht ja nicht um die Edelhure, die ihren Körper in Charlottenburg verkauft. Es geht um die ausgebeuteten Frauen, die angeblich frei und selbstständig in Bordellen anschaffen gehen. Wenn mir in den Medien deswegen vorgeworfen wird, ich sei unbedarft, dann kann ich nur sagen: Das stimmt. Ich habe noch nie auf dem Straßenstrich gestanden. Das haben die Journalisten, die das schreiben, aber auch nicht. Wenn ich jedoch in Köln außerhalb in einem Studio drehe, dann fahre ich jeden Tag an dieser Kolonne von Wohnwagen vorbei, in denen kein Strom und kein Wasser ist, höchstens Feuchtigkeitstücher für die Hygiene. Und um dieses Lager kreisen unentwegt die Cayennes und BMWs. Darum geht es.

Die neue Folge von „Unter Verdacht“ dreht sich um einen Vergewaltiger, der nach seiner Entlassung zu Hause auf eine aggressive Dorfgemeinschaft stößt. Wer muss jetzt vor wem geschützt werden?

Berger: Die Sympathien wechseln zwischen den Seiten. Das ist wichtig, denn wir können keine Lösung anbieten. Es gibt den Rechtsstaat, aber es gibt auch ein Unbehagen, es bleibt ein Dilemma. Ein Sexualverbrechen ist ein anderes Verbrechen als Wirtschaftskriminalität. Es geht an unser innerstes Wesen. Es kann einen Menschen zerbrechen. Auch für die Kommissarin ist das schwer auszuhalten – der Konflikt zwischen dem Gesetz, ihrem Auftrag und ihrer privaten Abscheu.

Es soll noch mindestens fünf weitere Folgen von „Unter Verdacht“ geben. Anders als Kommissar Stubbe denkt Eva Maria Prohacek noch nicht an die Rente, oder?

Berger: Wir überlegen das gerade. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Da bin ich sehr streng mit mir selbst. Ich dachte ursprünglich, ich mache noch ein paar Folgen. Doch da ich nun öfter gefragt werde, wann sie in Rente geht, muss ich noch mal darüber nachdenken.

Iris Berben („Rosa Roth“) ermittelt nicht mehr, Hannelore Hoger („Bella Block“) will aufhören. Spüren Sie da nicht eine Art Auftrag, die Fahne der starken älteren Kommissarinnen hoch zu halten?

Berger: Ich habe keinen Auftrag. Ich habe Spaß (lacht).