Veröffentlicht inPanorama

Peter Scholl-Latour wird 90 – für ihn zählt nur das Erlebte

Peter Scholl-Latour wird 90 – für ihn zählt nur das Erlebte

Scholl-Latour.jpg
Peter Scholl-Latour - hier auf einem Archivbild aus dem Jahr 2007 - feiert am 9. März 2014 seinen 90. Geburtstag. Foto: imago/DRAMA-Berlin.de
Ein Kriegsreporter wird 90 Jahre alt. Peter Scholl-Latour polarisiert mit seinen Ansichten. Für die einen ist er ein „Steinzeitjournalist“, für die anderen nüchterner Realist. Doch wenn er erzählt von seinen Abenteuern, kann man sich kaum entziehen. Ein Porträt.

Berlin. 

Hören wir mal genau hin: Nein, arg so schlimm wie gerne parodiert, ist sein Nuscheln nicht. Aber wenn es anhebt – spürt man darin nicht ein Lagerfeuer knistern? Dann finden wir uns plötzlich mit Peter Scholl-Latour in der blutigen Kongo-Krise, in der Gefangenschaft des Vietcong, auf dem Marsch mit den afghanischen Mudschaheddin, über den Wolken mit einem dunkeläugigen Hohepriester, der gleich das alte Persien im Sturm nehmen wird; manch eine seiner tollen, kühnen Geschichten kommt noch wie schwarz-weiß daher.

Und fast vermischt sich dieser weltschweifende Abenteuerroman mit unseren eigenen Karl-May-Ausritten. Aber Peter Scholl-Latour ist ja tatsächlich von Bagdad nach Stambul gereist. Und viel, viel weiter noch.

Am Sonntag wird die Reporterlegende 90 Jahre alt, der Tropenanzug sitzt noch immer tadellos, dank täglicher Liegestütze und Sit-ups. In seiner Wohnung in Berlin-Charlottenburg arbeitet Scholl-Latour an gleich zwei neuen Büchern, im Blick eine Kalligraphie, die ihm der Bruder des letzten Kaisers von China gewidmet hat.

Doch nicht mehr lange, dann geht es in den Tschad. Seit er 1945 als französischer Fallschirmspringer in Indochina landete, ist Peter Scholl-Latour unterwegs, seit 68 Jahren. „Mein Vater hat mir die Bücher der großen Entdecker gegeben“, hat er mal begründet. Karl May, da ist er wieder.

Auf der Suche nach „starken Eindrücken“

Peter Scholl-Latour darf als sein erfolgreichster Nachfolger gelten. Wahrscheinlich, weil er den Reise-Journalismus immer auch verstanden hat als Mittel zum Zweck auf der Suche nach „starken Eindrücken“. Nur das Erlebte zählt. Und daraus hat der „Kenner der Kontinente“ immer schon starke Geschichten gesponnen. Stark auch in ihrer Eindeutigkeit, Vereinfachung, ihrem Verzicht auf Zweifel.

„Gab es eigentlich eine Krise, deren Ursachen Sie nicht verstanden haben?“, hat ihn jüngst ein Kollege gefragt.

PSL: „Nein, eigentlich nicht.“

Manch einer findet diese Haltung unerträglich. Einen „Steinzeitjournalisten“ nannte ihn die „taz“, andere meinen, er schreibe Kolonialromane, weil sich hier die „saubere, verweichlichte Zivilisation“ im ewigen Kampf finde gegen die „schmutzige, aggressive Wildnis“.

Geboren in Bochum

Der Islam, so sagte mal ein Kabarettist, habe drei Glaubensrichtungen: Sunniten, Schiiten – und Peter Scholl-Latour. Dass er so einen guten Draht zu Ayatollah Khomeini hatte, erklärt der Journalist mit seiner eigenen, fast fundamentalistisch katholischen Erziehung. Geboren in Bochum als Sohn eines Arztes und einer elsässisch-jüdischen Mutter, wuchs er als Verfolgter auf, als „Mischling 1. Grades“.

Seine Eltern schickten ihn aufs Schweizer Internat, doch 1940 verboten die Nazis die Zahlungen ins Ausland. Fast verzweifelt versuchte PSL nach seinem Abitur in Deutschland, sich dem französischen Widerstand und dann Titos Partisanen in Jugoslawien anzuschließen.

In Krisen, da hilft nur „reden, reden, reden“

Er wurde verhaftet, kam kurz vor Kriegsende in Gestapo-Haft. Der „Zeit“ sagte er: „Ich habe in jenen Tagen entdeckt, dass das Böse existiert … Um gesittet zu leben, bedarf der Mensch wohl einer gewissen Zucht, einer Strenge, also einer Religion, wie immer man das nennen will.“

Typisch, was Peter Scholl-Latour hinzufügt über Folter und Flecktyphus: „Persönlich möchte ich auf diese Erfahrung nicht verzichten.“ Sie habe ihn „abgehärtet“. Für alle Kriege danach. „Sicher ist man nie“, sagt er heute über seine Reisen. Eine Waffe aber wäre das letzte, was der Kriegsreporter einstecken würde. In Krisen, da helfe nur: „Reden, reden, reden.“

Er hat die „Sendung mit der Maus“ beim WDR vorbereitet

Neben all den Korrespondentenjobs für ARD und ZDF in Paris, Afrika und Asien – in Laos lernte er seine zweite Frau Eva kennen – hat er sich ja durchaus in die Mühen des Alltags gestürzt, hat Ämter bekleidet wie: Regierungssprecher im Saarland, Chefredakteur des „stern“, Fernsehdirektor des WDR. Hier führte der Haudegen die Lach- und Sachgeschichten ein und bereitete die „Sendung mit der Maus“ vor!

So viele Schichten hat dieser Mann, und dann sitzt er wieder in einer Talkshow und wischt schon die Möglichkeit einer Demokratie in China kurzerhand fort: „In einem Land mit 1,3 Milliarden Menschen würde das zu einem Bürgerkrieg führen.“ Ob das nun machtpolitische Nüchternheit ist oder der Pessimismus eines Verschwörungspraktikers? So oder so spricht hier das Leben.