Nina Wortmann aus Lippstadt ist seit einem Autounfall querschnittsgelähmt. Sie sitzt im Rollstuhl – und ist Model. Trotzdem? Nein – gerade deshalb. Sie hat für Magazine posiert und war bei der Berliner Modewoche dabei. Die 32-Jährige hat sich zurück ins Leben gekämpft und sagt: „Im Sitzen bin ich perfekt.“
Lippstadt.
Traummaße sind ein Muss, für ein Model. „Aber es geht auch anders“, sagt Nina Wortmann (32) mit einer Stimme, die nach Taten klingt. Für sie sind Highheels nur ein Wort, und auch mit einem Hüftschwung kann sie nicht dienen. Sie sitzt im Rollstuhl, querschnittgelähmt, und ist trotzdem Model. Oder gerade deshalb.
In Frauenmagazinen hat sie posiert, im Hochglanzblatt der Deutschen Bahn war sie zu sehen. „Im Sitzen bin ich perfekt“, sagt sie.Vor Kurzem noch war sie auf der Berliner Modewoche. Als Model für Designer Patrick Mohr, ein Meister des Gegenentwurfs zur Scheinwelt der Mode: Bei ihm zählt der Mensch, egal ob dünn, dick oder behindert.
Sie verursachte den Autounfall – auch ihre kleine Tochter war dabei
Dieses „Wahnsinnsgefühl“ kann sie gar nicht mehr loswerden. Diese Welt der Perfektion, die zwar nicht bei Mohr, aber ansonsten das Credo des Catwalks ist, hat sie schon fasziniert. Perfekt – das ist ein Wort, das aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken ist. So wenig perfekt sie für die Außenwelt auch wirken mag – Perfektion ist ihr Schlüssel zur Welt.
Doch es ist eine andere Perfektion. Eine, die nicht auf knackiges Aussehen setzt, sondern darauf, dass der Alltag läuft. Ohne Perfektion könnte sie nicht einmal einen Stift halten. Sie überwindet die Lähmung ihrer Finger, indem sie ihr Handgelenk irgendwie hochschleudert, sagt sie.
2003 fuhr sie mit ihrem Auto vor einen Baum. „Ich war schuld.“ Es klingt so, als wäre es fast egal, was mit ihr danach passierte. „Es ging mir nur um meine kleine Tochter. Wäre ihr bei dem Unfall etwas zugestoßen, hätte ich es nicht überlebt.“ Doch dann standen Papa und Töchterchen Scarlett wohlauf an ihrem Krankenbett — und von da an habe sie nur gedacht: „Mach weiter.“
Mit ihrer Mutter kämpfte sie sich zurück ins Leben
Sie war Ergotherapeutin, ihre Mutter Physiotherapeutin. Zusammen aktivierten sie, was zu aktivieren war. Muskel für Muskel. „Ich brauche immer einen Betreuer, wenn ich im Hotel bin, wobei ich mich auch schon alleine aus dem Bett hieven kann. Aber ich will mir ja nicht den Arm brechen.“ Sie lacht. Sie lacht gerne. Am liebsten über sich. Auch lacht sie heute darüber, wie sie damals im Internet herumsuchte, „was man als Behinderter so machen kann. Ich wusste das ja nicht.“ Und da stand das da: Gesucht werden Leute für den ersten deutschen Model-Wettbewerb.
Sie kam unter die ersten zehn von 200. Der Rolli war kein Rollstuhl mehr, sondern eine Art Arbeitsgerät – so redete sie sich das ein. Mancher sagte ihr, dass das doch keine Zukunft hat. „Guck Dir die Welt doch an.“
„Ich bin ich immer noch ich selbst“
Sie saß also in ihrem behindertengerechten Bungalow in Lippstadt und guckte sich die Welt an. „Es stimmte, Leute im Rollstuhl haben es schwer. Aber es hat sich etwas getan. Wir haben einen Minister im Rollstuhl. Und selbst im Fernsehen, wo die Wirklichkeit so häufig geschönt ist, spielen mehr und mehr Leute im Rollstuhl mit.“
Nina Wortmann denkt nicht, dass es schöner war, damals, als sie noch laufen konnte. Mit dem Töchterchen toben konnte. „Heute ist sie schon so groß, dann machen wir eben Brettspiele“, sagt sie. „Ich sitze zwar im Rollstuhl, aber ich bin doch noch immer ich selbst. So viel hat sich gar nicht geändert.“
Ihr Leben ist im Gleichgewicht, sagt sie. Sie spielt Rugby im Rollstuhl, sie verdient ihr Geld im Rollstuhl. „Und das Tollste ist: Ich arbeite mit einem Fotografen an einem Kalender 2014.“ Ihre Models haben alle ein Handicap. Und hätten etwas, worum sie viele Models ohne Handicap beneiden – „Natürlichkeit“. Ihre Ausstrahlung sei eben ganz einfach perfekt.