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Freie Fahrt für schnellen Schalker

Freie Fahrt für schnellen Schalker

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Foto: Fischer
Zu schnell war Schalkes Leon Goretzka gefahren, ein Fahrverbot drohte. Doch das ersparte ihm das Amtsgericht Hattingen und erhöhte das Bußgeld.

Hattingen. 

Dem Schalker Jungprofi Leon Goretzka bleibt es erspart, jeden Tag mit der S-Bahn zum Training zu pendeln. Auf seinen Einspruch hin korrigierte am Freitag das Amtsgericht Hattingen einen Bußgeldbescheid wegen zu schnellen Fahrens und ersparte ihm das einmonatige Fahrverbot (Az: 21 OWi 111/15). Allerdings erhöhte Richter Frank Waab das Bußgeld von 120 Euro „angemessen“ auf 600 Euro und verdonnerte den 21-Jährigen zu einem Verkehrserziehungskurs der Kreispolizeibehörde Schwelm. Da sollte der junge Mann schon mal einen Stapel Autogrammkarten mitbringen.

In vier Sitzungen hatte der Richter seit Oktober 2015 versucht, zur Entscheidung zu kommen. Jetzt lief ihm die Zeit davon, denn abgelaufene Fristen hätten in wenigen Wochen dafür gesorgt, dass auf jeden Fall das Fahrverbot nicht hätte verhängt werden dürfen, sagte er.

Goretzka drohte die Autopause nämlich nur, weil er ein Wiederholungstäter ist. Im März 2013 war er schon einmal über 26 Stundenkilometer zu schnell gefahren. Am 26. Oktober 2014, um diese Fahrt ging es jetzt vor dem Amtsgericht, fuhr er erneut in eine Blitzanlage: nachts um 0.29 Uhr auf der A 46 im Autobahnkreuz Wuppertal. 110 fuhr er, 70 Stundenkilometer waren erlaubt. Kurz danach kam der Bußgeldbescheid: 120 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg und ein einmonatiges Fahrverbot.

Das Fahren wollte sich Goretzka nicht verbieten lassen. Über seine Anwälte legte er Einspruch ein. Ein Jahr nach dem Tempoverstoß kam es zur ersten Sitzung in Hattingen vor Amtsgerichtsdirektor Frank Waab in seiner Funktion als Jugendrichter. Viel Aufwand für einen Bußgeldbescheid. Goretzka kam mit zwei Anwälten, und selbst die Staatsanwaltschaft nahm an Sitzungen teil, ungewöhnlich bei Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten.

Der Fußballer schwieg vor Gericht, Anwalt Burkhard Benecken redete: Dem Mandanten sei es „als Person des öffentlichen Lebens“ nicht zuzumuten, mit der S-Bahn zu pendeln: „Dann würde er ständig Autogrammwünsche bekommen und hätte nicht seine Ruhe.“ Mitverteidiger Christian Simonis zweifelte die Korrektheit der Radarmessung an und forderte ein Gutachten. Anwalt Benecken bemerkte, es könne ja auch eine herumliegende Plastiktüte hochgeflogen sein und das Messergebnis verändert haben.

Seitdem sind Monate vergangen, und so mancher zweifelte schon, ob Schalke gut beraten sei, den Jungprofi derart vor Gericht gewähren zu lassen. Aber Schalke und die Justiz sind sich nicht fremd. Mal streitet sich Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies vor Gericht mit seinem Neffen um Unternehmensanteile, mal verteidigt Ehrenratsmitglied Professor Klaus Bernsmann den Ex-Chef der Schalker Ultra-Organisation „Hugo“ wegen einer mutmaßlich hinterhältigen und brutalen Körperverletzung.

Und Leon Goretzka kann seit gestern auf den gerichtlichen Erfolg verweisen. Von seiner persönlichen Anwesenheit hatte das Gericht ihn befreit. Nachdem seine Anwälte erneut bezweifelten, dass die Tempomessung korrekt sei, sperrte Richter Waab die spärlich vorhandene Öffentlichkeit aus dem Saal und beriet sich mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Ergebnis: Der telefonisch erreichte Goretzka räumte seinen Tempoverstoß ein, Richter Waab erinnerte danach an den „Erziehungsgedanken“ des Jugendstrafrechts. Außerdem werde im Juli die Eintragung der „Vortat aus 2013“ getilgt, so dass die Grundlage für das Fahrverbot sowieso entfalle.

Noch ein Argument des Richters: Die „Begleitumstände“ durch Berichte in den Medien seien für Goretzka, aber auch für das Gericht „nicht unerheblich und zum Teil ganz heftig“ gewesen. Näheres dazu verschwieg er.