Dortmund.
Wenn sie tanzt, schmelzen die Knochen ihrer Finger, werden ihre Arme Schlangen und ihr Körper zu Gummi. All ihre Bewegungen folgen der treibenden orientalischen Musik. In solchen Momenten verwandelt sich Eva Cordes in Samra.
Wenn die gebürtige Österreicherin tanzt, ist sie ganz in der Musik, entrückt, einem Traum aus tausendundeiner Nacht entsprungen und gelandet mitten im Ruhrgebiet. Dort schlägt sie ihre Zuschauer und zahlreichen Tanzschülerinnen seit 1986 in Bann.
So ähnlich muss es Samra selbst ergangen sein, damals, Anfang der 1980er. Da sah sie in einem Wiener Restaurant eine Bauchtänzerin. „Das war mein Aha- und Erweckungserlebnis.“ Samra, die als Kind Ballettunterricht hatte, studierte zu dieser Zeit Modern Dance in der österreichischen Hauptstadt. „Ich habe alles getanzt, was ich finden konnte“, sagt sie. Bis sie zum Bauchtanz fand und dabei blieb, bis heute.
Erster Auftritt zum 90. Geburtstag der Großmutter
„Mir hatten meine Lehrer durch die Blume zu verstehen gegeben, dass ich Bewegungen machte, die eigentlich nicht gehen“, sagt Samra zu ihrer Studienzeit. „Sie meinten damit: zu erotische Bewegungen. Beim Bauchtanz war das kein Problem, im Gegenteil. Das ist ganz mein Stil.“ So kam sie zum orientalischen Tanz, lernte die schlängelnden akzentuierten Bewegungen unter anderem bei einer Ägypterin, die damals für ein Jahr an der Wiener Staatsoper Ballett tanzte.
„Meinen ersten öffentlichen Auftritt hatte ich am 90. Geburtstag meiner Oma – jeder sollte dort etwas machen, was er gut konnte“, sagt Samra. „Ich lernte seit drei Monaten Bauchtanz, konnte drei Bewegungen und legte los. Die halbe Verwandtschaft versank im Boden vor Scham – die andere Hälfte fand es gut, auch meine Oma.“
In den 1980ern kam Bauchtanz in Mode
Samra war damit ganz in ihrer Zeit: In den 1980ern kam Bauchtanz in Mode. „Es war die Zeit, als Frauen sagten: ‚Mein Bauch gehört mir’, dazu passte diese Art des Tanzens“, erzählt die bekennende Feministin. „Frauen konnten sich etwas Gutes tun – ganz ohne Männer, die ja oft nicht mit in den Tanzkurs wollten.“ In den USA habe der Bauchtanz dagegen eine etwas andere Geschichte: „Dort wollten Frauen ihre Männer verführen und zu Sultans machen.“
Als Samra dann 1986 nach Dortmund zog, der Liebe zu einem Herdecker wegen, den sie im Mittelmeer-Urlaub kennengelernt hatte, war sie dort noch eine der wenigen Bauchtänzerinnen. Und schnell gefragt: „Beim Jugendamt suchte ich eine Arbeit als Kindergärtnerin, bis heute mein zweites berufliches Standbein“, erzählt sie. „Wir sprachen auch übers Tanzen, ein Mitarbeiter kannte die Gruppe „Bescay“ und vermittelte den Kontakt.“ Die Urgestein-Band der Ethno-Szene im Ruhrgebiet suchte – wie passend – damals eine Bauchtänzerin. „Also habe ich vormittags Babys geschaukelt und abends getanzt.“
Nebenher trat sie auf und unterrichtete orientalischen Tanz. „Damals war ich praktisch die einzige“, erinnert sie sich. „Heute ist die Szene in NRW groß. Und viele, die heute Bauchtanz unterrichten, haben auch bei mir gelernt.“
Anregungen auch bei Hip Hop und Jazztanz
Und wo lernt die 50-Jährige, die mittlerweile weit über die Ruhrgebietsgrenzen hinaus bekannt ist, Neues? „Ich besuche Workshops und Lehrgänge, beobachte aber auch andere Tanzstile wie Hip Hop oder Jazztanz, wenn ich nach neuen Bewegungskombinationen suche.“
Reist sie für Kurse in arabische Länder? „Nein“, sagt Samra. „Hier kann man besser lernen als dort – bei uns vermischen sich alle Stile des orientalischen Tanzes, der ja ein Gebiet von Nordafrika bis hin nach Indien umfasst.“ Und: „Die guten Lehrerinnen kommen auch nach Deutschland, um Kurse zu geben.“
„Eher biedere Bauchtänzerinnen“
Kein Wunder, findet Samra: „In Kairo zum Beispiel tanzen heute viele Russinnen, um Geld zu verdienen. Denn in Ägypten warfen viele Bauchtänzerinnen schon vor Jahren das Handtuch, als die Fundamentalisten erstarkten.“ Das sei kein Einzelfall, sondern passiere auch in anderen arabischen Ländern.
Wirklich verstehen kann Samra das nicht. „Seit Sängerinnen wie Madonna und Shakira deutlich unbekleideter noch heißere Bewegungen machen, sind wir Bauchtänzerinnen eher bieder.“
HINTERGRUND
Seit 20 Jahren tritt Samra auch zu zweit auf – mit Alitza. Auffallend bei ihren Auftritten: das Duo verkörpert zwei verschiedene Stile des orientalischen Tanzes. Samra bewegt sich äußerst präzise, kontrolliert und graziös-elegant. Alitza tanzt den klassisch-ägyptischen Stil, also raumgreifend und kraftvoll. Sie ist bekannt für ihr äußerst bewegliches Gesicht, das immer mitzutanzen scheint.
Am 12. und 13. Februar 2010 feiern Samra & Alitza ihr 20-jähriges Jubiläum mit zwei Auftritten in Dortmund: jeweils ab 20.30 Uhr im „Fletch Bizzel“, Humboldtstr. 45.
Weitere Infos: www.alitza-samra.de