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Dortmunder „Schickeria“ im Fokus

Dortmunder „Schickeria“ im Fokus

Dortmund. 

„Facebook“ und Partys gefallen der 16-jährigen Nadine Petzokat hundertmal besser als ihr echtes Leben in einem heruntergekommenen Hochhaus in Dortmund-Clarenberg. Ihre Herkunft versteckt sie hinter Schminke und schicken Klamotten, wenn sie mit ihren neuen Freunden in einem noblen Nachtclub trinkt und tanzt. Von diesem Doppelleben weiß nur ihre beste Freundin. Um „Eine andere Welt“ geht es beim Dortmund-„Tatort“, den die ARD am Sonntag um 20.15 Uhr ausstrahlt. Wenn Nadine nachts abhaut, bekommen ihre Eltern das nicht mit. Und plötzlich ist Nadine tot.

Die Mutter macht sich Vorwürfe, zittert, raucht, weint. Ihre Tochter wurde tot im Dortmunder Phoenixsee gefunden. Vergewaltigt und vermutlich ermordet. Nadines Vater – Vokuhila-Frisur, Trainingsanzug, übellaunig – weiß: „Nadine wollte raus aus der Scheiße hier, wollte studieren, hatte das Zeug dazu.“ Ihre Mutter hatte keinen Schimmer, war zu sehr mit sich und den Haaren der Nachbarn beschäftigt, die sie ab und zu in der Küche schneidet. Die Dortmunder Mordkommission vermutet den Ex-Freund als Täter, aber das wäre irgendwie zu leicht.

Einfaches Mädchen flüchtet in die Welt der Reichen und Schönen

Der Plot „Einfaches Mädchen flüchtet in die Welt der Reichen und Schönen“ ist nicht neu, aber sehenswert und dramaturgisch um Längen besser komponiert als die Drehbücher der zwei vorherigen Folgen. „Wir haben in Dortmund eine Schickeria?“, fragt Hauptkommissar Peter Faber (Jörg Hartmann), der nie seinen zerschlissenen, braunen Parka auszieht, seine Kollegin. „Ja, das sind die, die die Bratwurst mit Messer und Gabel essen“, antwortet Martina Bönisch (hervorragend: Anna Schudt). Es bleibt nicht das einzige Ruhrgebietsklischee an diesem Abend. Statt Hochglanz-Bilder gibt es wieder Schäbiges.

Faber und Bönisch ermitteln gewohnt ungewöhnlich, indem sie sich in das Opfer und den Täter hineindenken. Auf dem Autositz und auf dem Steg am See simulieren sie die Vergewaltigung. Die jungen Kommissare Daniel Kossik (Stefan Konarske) und Nora Dalay (Aylin Tezel) mischen sich dagegen unter die Partyleute im Nachtclub im Dortmunder U-Turm, um Nadines Mörder zu finden.

Das Thema Doppelleben, das sich Drehbuchautor Jürgen Werner für den dritten Dortmunder Tatort ausgesucht hat, passt zu den zerrissenen Lebenswelten der vier Kommissare: Faber und seine drei Kollegen haben alle selbst etwas zu verbergen.

Schauspieler Jörg Hartmann hatte nach dem Dreh des ersten „Tatorts“ zugegeben, dass der Psycho, den er spielt, keiner sei, „den die Zuschauer direkt lieb haben“. Aber wer ihn in der dritten Folge noch immer nicht mag, ist selber schuld.
Wer nach dem „Tatort“ noch mehr Jörg Hartmann sehen möchte, hat im Anschluss um 22.15 Uhr dazu Gelegenheit. Dann ist er bei „Zimmer frei!“ im WDR zu Gast.