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Das Glück am Stammtisch

Das Glück am Stammtisch

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Foto: Hans Hartwig

Essen. Wo sich alleinstehende Menschen in Ruhe treffen können – ohne dass dies sofort mit Hintergedanken behaftet ist. Woraus sich allerdings auch Liebe entwickeln kann.

Solo? Dann sind Sie nicht allein: Über drei Millionen Singles leben in Nordrhein-Westfalen, meldet das Statistische Landesamt in Düsseldorf. Solisten, die auf der Suche nach einem neuen Partner sind, können ihrem Glück ein wenig auf die Sprünge helfen. Stammtische für Alleinstehende sind hierfür ein idealer Ort, schließlich lautet deren Motto: „Alles kann, nichts muss.“ Frauen und Männer treffen sich dort allwöchentlich nicht nur zu einer Klön-Runde, sondern auch, um mit anderen ihre Freizeit zu planen – Kino- und Konzertbesuche, Rad- und Wandertouren, Karnevals- und Weihnachtsfeiern. Und bei so viel Geselligkeit schießt Amor bei dem einen oder anderen dann schließlich auch scharf.

Immer wieder dienstags

Immer wieder dienstags kommen sie in Bochum ab 19 Uhr im Lokal „Haus Lotz“ zusammen. Die meisten sind Singles, geschieden oder verwitwet, alle gehören zur Generation 50plus. Eine von ihnen ist Helga. Ihren vollständigen Namen will die 57-Jährige nicht nennen. „Mein Ex-Mann soll nicht erfahren, dass ich hierhergehe.

Wie viele Stammtisch-Frauen hat Helga die Erfahrung gemacht, dass der Freundeskreis bei einer Scheidung nicht selten mit in die Brüche geht. „Als ich noch verheiratet war, wurde ich mit meinem Mann bei befreundeten Paaren abends eingeladen. Als ich alleine war, nur noch nachmittags zum Kaffeetrinken.“ Eine Mittfünfzigerin nickt in Helgas Richtung: „Da haben viele Ehefrauen offenbar Angst um ihre Männer.“

Gemeinsames Erleben im Mittelpunkt

Wer zum Bochumer Stammtisch geht, trifft auf Gleichgesinnte. Alle wollen wieder etwas mit anderen erleben. Alleine zu reisen, in eine Ausstellung oder ins Restaurant zu gehen, macht nur halb so viel Spaß – da ist man sich einig. „Wenn sich hier Pärchen finden, ist das sehr schön. Aber es ist nicht das vorrangige Ziel unseres Clubs“, betont Bärbel, die Stammtisch-Leiterin. Schmunzelnd fügt die gelernte technische Zeichnerin hinzu, dass dies von Männern jedoch oft anders gesehen werde. „Es gibt welche, die nur zu uns kommen, um zugucken, ob etwas für sie dabei ist. Wenn nicht, sieht man sie nie wieder. Frauen schließen bei uns auch häufig Freundschaften mit anderenFrauen.“ Richtig sprachlos machte Bärbel eine Anfrage eines Herrn, der zugab, noch verheiratet zu sein. „Ich trenne mich, wenn ich bei Ihnen die Richtige finde“, hatte der zu ihr gesagt. Aus der Brautschau wurde nichts. Die Stammtisch-Leiterin hat abgewinkt. Das macht sie auch, „wenn Ehepaare sich von uns unterhalten lassen wollen, weil sie sich selbst nichts mehr zu sagen haben“. Langeweile ist für Otto und Helga ein Fremdwort. Die 64-Jährige ist Bochumerin, der 63-Jährige Hamburger. Beide lernten sich auf einer Reise ihrer Clubs in die USA kennen. „Ich sprach sie vor der Flugzeug-Toilette an“, beichtet Otto verschmitzt, der jetzt, obwohl er weiter in der Hansestadt lebt, so oft es eben geht am Bochumer Stammtisch Platz nimmt. „Das Ruhrgebiet hat doch viel zu bieten“, lächelt der Mann in Helgas Richtung.

Alles kann, nichts muss

Hans (53) und Marie (48) treffen sich immer montags mit ihrem Stammtisch in der Essener Gaststätte „Zum Leibgericht“. Seit drei Jahren sind die beiden ein Paar. Der Ingenieur ist ein Ex-Ehemann. Einer der Gründe, warum der 53-Jährige dem Stammtisch für Alleinstehende beitrat, der sich unter dem Dach des „Clubs Aktiv Rhein-Ruhr“ – ebensowie der Bochumer Stammtisch – als Freizeitgruppe versteht. Dass Hans hier auch Marie gefunden hat, macht beide sichtlich glücklich. „Die meisten hier hätten gerne einen Partner“, ist sich Stammtisch-Leiter Dirk Eckhardt, selbst Single, sicher. Die Altershöchstgrenze für seinen Club liegt bei 40. „Wir wollen ein junger Stammtisch sein, der bowlt, ins Kino geht, der Städtetouren macht“, erklärt Eckhardt. Aber natürlich müsse niemand, der bereits Mitglied sei, den Stammtisch bei seinem 40. Geburtstag verlassen. Die Frauen und Männer, die sich das Dortmunder Lokal „Depothek“ als Treffpunkt ausgesucht haben, sind zwischen 30 und Mitte 50. Immer dienstags ab 19.30Uhr kommen sie zum Stammtisch zusammen, der ausdrücklich Nichtrauchern vorbehalten ist. Viele sind Singles.

Dieter Pilot hat den Treff aus der Taufe gehoben. „Im Vordergrund steht auch bei uns die Freizeit-Gestaltung“, betont der 49-Jährige. Seine Freundin Marion (45) erzählt, dasssich die zwei an einem anderen Stammtisch kennengelernt haben. Pilots Problem: Er würde gerne mehr Männer für seinen Nichtraucher-Treff gewinnen, denn die Stammtisch-Brüder sind mit nur 30 Prozentin der Minderheit. Der Mann, von Beruf Marktforscher, hat Humor und eine Zeitungsanzeige unter der Rubrik „Sie sucht ihn“ geschaltet. Eine augenzwinkernde Aktion, die nur kurzfristig von Erfolg gekrönt war. „Die Männer, die sich meldeten, hatten eindeutige Absichten. Ein paar kamen, drei, vier Mal, dann waren diewieder weg. ”Die 44-jährige Heike und ihrFreund Andreas (42) bleiben dem Stammtisch treu. Sie haben sich über ihn kennen- und liebengelernt. Heike, die geschieden ist, erzählt, dass sie sich früher auf „Ü40”-Partys nie wohl gefühlt habe. „Da gehen die Leute sowieso meist in Gruppen und nicht alleine hin. So lernt man keinen kennen. Über gemeinsame Aktivitäten wie hier an unserem Stammtisch schon.”

Wer Lust hat, bei einem der Stammtische vorbeizuschauen:

  • Club Aktiv, Stammtisch Bochum:0234/74306.
  • Freizeittreff Dortmund, Nichtraucherstammtisch: 0231/257136 oder 0162/6482708.
  • Club Aktiv, Stammtisch Essen:0201/8745952.
  • Adressen von weiteren Stammtischen in der Rhein-Ruhr-Region bekommt man beim Club Aktiv unter: 0201/ 248 7010.