Hattingen.
Der Mann heißt Boris Becker. Aber das ist Nebensache. Viel ungewöhnlicher als der prominent besetzte Name ist seine Karriere: Der Mann kommt rum. Er arbeitet dort, wo andere Urlaub machen. Auf einem Kreuzfahrtschiff. Mit seinen 30 Jahren ist Boris Becker der jüngste Kapitän der Aida-Flotte. Und man sieht ihm den Job durchaus an: ein freundliches Gesicht mit lachenden Augen und einem seebärigen Bart.
Aus Hattingen kommt er. Aus einer Stadt also, die bislang nicht unbedingt den Ruf einer Seefahrermetropole hatte. Deshalb lag es auch für Boris Becker nach dem Abi zunächst nicht auf der Hand, loszuziehen, um abzulegen.
Genau sein Ding
„Also habe ich in Dortmund Wirtschaft und Informatik studiert. Aber das war mir zu unpersönlich und zu theoretisch“, sagt er heute. Nach zwei Semestern hat er seine Tasche gepackt und sich der Küste genähert. Mit einem Nautik-Studium auf der Seefahrtschule in Bremen. Schiff ahoi!
Das war genau sein Ding. Mit der Geschwindigkeit eines High-Speed-Bootes ist er durch die Semester gerast. Selbst ein Praktikum auf einem Containerschiff, das nun gar nichts mit der Kreuzfahrt-Herrlichkeit zu tun hatte, konnte ihn nicht erschrecken. Im Gegenteil. „Die neun Monate auf dem Containerschiff waren eine sagenhafte Erfahrung.” Die Küsten vor Asien, das Mittelmeer, der Atlantische Ozean bis zu den USA – Boris Becker kennt sie alle. Und er hat sich hochgearbeitet. Von einfachen, aber schmutzigen Matrosenaufgaben, über den Offiziersanwärter bis zum 1. Kapitän hat er in seinen jungen Jahren alle Ämter an Bord abgeklappert.
Am Ende seines Studiums stand ein Praxissemester auf der Aida – und da wurde schnell klar: Der junge Mann aus Hattingen und die Clubschiff-Reederei aus Rostock gehören zusammen wie Käptn Iglo und die Fischstäbchen.
„Das war schon etwas anderes als die Arbeit auf einem Containerschiff“, sagt Boris Becker. Der Komfort ist deutlich höher, auch für die Besatzung. Man bekommt leckeres Essen vom Buffet, hat ein schönes Büro an Bord und sieht viel von der Weltgeschichte. Und man macht Menschen glücklich, die in ihrer Urlaubsstimmung ganz sicher herzlicher reagieren als Container, die man nach Dienstschluss nicht auf einen Kaffee an der Bar treffen kann. „Bis man es auf einem Kreuzfahrtschiff zum Kapitän bringt, dauert es üblicherweise etwas länger“, sagt Boris Becker, der aber mit seiner eigenen Geschichte beweist, dass auch diese Regel Ausnahmen kennt.
Der Job, er ist komplex. Die Verantwortung, sie ist groß. Schon alleine deshalb, weil bis zu 2500 Gäste mitreisen. Der Kapitän muss seine Augen überall haben und ist der wichtigste Mann auf dem Schiff. So romantisch wie das Klischee es will, geht es für ihn nun auch wieder nicht zu. Lieblingstouren? „Nein, wenn man professionell unterwegs ist, sieht man das emotionslos“, sagt er. Für ihn ist eher wichtig, wie die Häfen aussehen oder welcher Wind weht. Wobei: Hier und da geht ihm doch mal das Herz auf. „In Norwegen durch die Fjorde zu fahren, dort in aller Frühe anzulegen…“ Der Mann schwärmt.
Seine kleine Stadt hat er immer dabei
Boris Becker ist vier Monate im Dauereinsatz, dann folgen zwei Monate Urlaub. Seit sieben Jahren fährt er nun mit der Aida-Flotte um die Welt. Er war schon auf allen sieben Schiffen, zuletzt auf der Vita, in diesem Monat wechselte er auf die Bella. Seine Route: Mittelmeer und die Kanarischen Inseln.
Vermissen tut er nichts, wenn er so lange unterwegs ist. Zumindest nichts Materielles. Seine kleine Stadt mit Geschäften, Bars und Friseur, mit Disco, Schwimmbad und Kino hat er ja praktischerweise immer dabei. Nur die Freunde, seine Freundin Jana Richter (28), mit der sich der Hattinger inzwischen eine Wohnung in Bremen teilt, und seine Familie können ihn natürlich nicht ständig begleiten. Auch wenn sie das gerne tun würden.
Den anderen Boris hat Boris Becker übrigens noch nie getroffen. Aber das ist eine Nebensache.