Veröffentlicht inPanorama

Augsburger Puppenkiste – Marionetten für Millionen

Augsburger Puppenkiste feiert 60 Jahre im TV

170910puppenkist_122.jpg
Augsburger Puppenkiste in Bochum von Ingo Otto Foto: Ingo Otto / WAZ FotoPool
Am 21. Januar 1953 traten die Marionetten der Augsburger Puppenkiste erstmals im deutschen Fernsehen auf. Gespielt wurde Sergei Prokofjews Peter und der Wolf. Über die Ursache des Erfolges der Puppenkiste gibt es verschiedene Theorien. Heute allerdings sind die Marionetten aus der Fuggerstadt nur noch eine Sendung unter vielen.

Augsburg. 

Hölzern der Kopf, ungelenk der Gang, kaum vorhanden eine Mimik. Damit wird man entweder Actionstar in Hollywood oder Ensemblemitglied der Augsburger Puppenkiste. Vor 60 Jahren feierten die Marionetten ihre TV-Premiere. Heute müssen sie darum kämpfen, nicht in Vergessenheit zu geraten.

Am 21. Januar 1953 kommen sie zu Besuch in die wenigen deutschen Wohnzimmer, die damals schon Fernsehen haben. Geschnitzt aus Lindenholz und hängend an zehn Fäden spielen sie Sergei Prokofjews Peter und der Wolf. Hanns Fahrenburg, Chef des Hamburger Senders NWDR, hat sie kurz zuvor in Augsburg gesehen und sie als Attraktion für das neu gestartete Fernsehen verpflichtet. Und Walter Oehmichen, Gründer der Augsburger Puppenkiste, hat gerne angenommen. Weil er viele Ideen hat, aber nur wenig Geld, um sie umzusetzen.

Live-Aufführungen vor der Kamera

In den ersten Jahren wird live gespielt. Das Fernsehen hat noch keine Technik, Sendungen aufzuzeichnen. Doch Oehmichen und seinen Leuten macht das nichts aus. In einem ehemaligen Spital in Augsburg lassen sie schon seit 1948 regelmäßig die Puppen tanzen. Nun kann sie auch der Rest des Landes kennenlernen. „Die Fernsehproduktionen haben uns den nationalen und internationalen Bekanntheitsgrad gebracht“, sagt Klaus Marschall, seit 1992 Chef der Augsburger Puppenkiste.

Von den späten 1950ern bis in die mittleren 1970er dauert die erfolgreichste Zeit der Marionetten. Es sind die Jahre, in denen sich deutsche Kinder an den Adventssonntagen mit ihren Eltern auf dem Sofa kuscheln, wenn sich der Deckel der Puppenkiste für den Weihnachtsvierteiler im TV endlich wieder öffnet. Da ist dann der Löwe los, kommt Urmel aus dem Eis und spielt im Schloss oder Don Blech zieht mit seiner Blechbüchsenarmee in den Kampf. Und zwischendurch wird gesungen. Nicht gut, aber gerne, nicht schön, aber schräg. Trotzdem schafft es „Eine Insel mit zwei Bergen“ sogar bis in die Hitparade.

Deutsche lieben die Welt an Fäden

Die Deutschen lieben diese Welt an Fäden, in der kein Blut fließt und das Meer aus Plastikfolie ist. Wo die Kleinen ganz groß werden und die Großen am Ende oft ganz klein. In der Drachen „Frau Mahlzahn“ heißen, Ritter sich Oblong Fitz Oblong nennen und Professoren Habakuk-Tibatong. Und in der Könige mit Namen „Alfons, der Viertel-vor-zwölfte“ telefonsüchtig sind, lange bevor es Handys gibt. So viele Stücke gibt es und so viele Figuren, dass jeder seinen Liebling hat. Aber „Jim Knopf hat sich am meisten eingebrannt – dicht gefolgt von Urmel“, weiß Marschall.

Über die Ursache des Erfolges der Puppenkiste gibt es verschiedene Theorien. „Wir haben einfach immer gute Geschichten erzählt“, sagt Marschall gerne. Und Gründer Walter Oehmichen mutmaßte oft: „Wir haben nie den erhobenen Zeigefinger gezeigt. Wir haben die Kinder immer ernst genommen.“

Das ist damals revolutionär, heute die Regel. Und statt einer Stunde am Nachmittag gibt es mittlerweile ein halbes Dutzend Kinder-Sender mit Programm fast rund um die Uhr. Die Marionetten aus der Fuggerstadt sind da nur noch eine Sendung unter vielen. „Nicht mehr zeitgemäß“, findet der ARD-Kinderkanal sie 2011 und streicht sie aus dem Sendeplan.

[kein Linktext vorhanden]Comeback zu nächtlicher Stunde

Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München kann die Entscheidung nachvollziehen. „Im Fernsehen hat sich die Ästhetik des Puppenspiels etwas überholt“, sagt sie in einem Interview. Die Puppen seien ein wenig „zu steif“, die Farben für Kinder ungewohnt.

Für ihre Eltern aber bleiben sie eine schöne Erinnerung. So sind die Marionetten bei ihrer Rückkehr ins Fernsehen Anfang des Jahres auch nicht ins Nachmittagsprogramm gekommen. Stattdessen haben sie freitags gegen 23 Uhr wöchentliche Kurzauftritte in der Sendung, die der Bayerische Rundfunk „Freitag auf d’Nacht“ nennt. Bekannte Figuren sind nicht dabei, trotzdem kann man die Puppen an den Fäden sofort zuordnen. Hölzern ist der Kopf, ungelenk der Gang, kaum vorhanden eine Mimik. Manches ändert sich eben nie.

Zum Glück.