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Als Kindergärtner ist man allein unter Frauen

Als Kindergärtner ist man allein unter Frauen

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Foto: Matthias Graben
Männliche Erzieher sind nach wie vor selten. Doch sie sind wichtig, um Kindern ein ausgeglichenes Rollenverständnis zu geben. In der Kita, in der Maik Tasche arbeitet, sind es fünf Frauen und zwei Männer. Tasche kommt aus einem Männerberuf: Er ist gelernter Tischler.

Köln. 

Maik Tasche ist das, was man einen richtigen Kerl nennt. Nur wenige Zentimeter fehlen dem 36-Jährigen zur Zwei-Meter-Marke. Seine Schultern: breit, seine Arme: muskulös und tätowiert, sein Kopf: fast kahl. Ein Mann wie ein Berg, dem der Respekt wie von alleine zufliegt, der aber auch mal ein ungläubiges Stirnrunzeln kassiert, wenn er von seiner Arbeit erzählt. Maik Tasche ist einer der wenigen männlichen Erzieher, die es in Deutschlands Kindertagesstätten gibt. Und, so viel vorneweg: Er ist es gerne.

Beginn in einemklassischen Männerberuf

Doch bis er das gemerkt hat, musste er ein paar Umwege gehen. Denn angefangen hat Maik Tasche, wie man so schön sagt, in einem klassischen Männerberuf: als Tischler. Dann kam der Zivildienst und mit ihm die Erkenntnis: Ich habe gern mit Menschen zu tun. Also studierte Maik Tasche Heilpädagogik und landete schließlich in der Kindertagesstätte Thenhoven des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM) in Köln. Für Maik Tasche war der Berufswechsel eine große Umstellung. „Im Handwerk ist der Ton rauer“, sagt er. „Und das pädagogische Denken musste ich erst einmal lernen.“

Das hat er sich abgucken können – von Markus Meller. Er ist der zweite Mann in der Kita, und er ist Tasches Vorgesetzter. Seit sechs Jahren leitet er die Tagesstätte mit 43 Kindern im Alter von 1,5 bis 14 Jahren. Auch er ging zunächst einen anderen Weg, schulte vom Justizbeamten im mittleren Dienst zum Sozialarbeiter um.

Sein Vater sei damals ausgeflippt, als er ihm sagte, er wolle nun Sozialpädagogik studieren, erinnert sich Markus Meller. Er solle etwas „Vernünftiges“ lernen, hieß es. Die gängigen Klischees, sie gibt es eben noch. „Ihr spielt doch nur“, muss sich Maik Tasche in seinem Bekanntenkreis oft anhören. Wenn er aber aus seinem Alltag erzählt, von seiner Arbeit im sozialen Brennpunkt, von Kindern, die in patriarchalischen Strukturen groß werden, von Familien, die von Hartz IV leben, dann zollt man ihm und seiner Arbeit doch Respekt.

Kinder brauchen Frauen und Männer als Vorbilder

Die Diskussion um die wenigen Männer in Kindertagesstätten tut gut, meint Maik Tasche. Kinder bräuchten verschiedene Bezugspersonen und Vorbilder. „Ideal wäre ein Verhältnis von einem Mann und einer Frau“, sagt Markus Meller. In seiner Kita sind es fünf Frauen und zwei Männer. Und selbst hier, in einer Umgebung, in der man für Geschlechterfragen sensibilisiert ist, dringen manchmal die typischen Rollenmuster durch. Den männlichen Erziehern zum Beispiel wird vieles nicht so schnell so krumm genommen, wie den Kolleginnen. „Bei uns sind die Eltern schon mal nachsichtiger“, weiß Markus Meller. Männerbonus.

Der verliert sich aber schnell, wenn mal die Glühbirne ausgetauscht oder die Kiste mit den schweren Büchern in den Keller getragen werden muss. Dann ist der Mann im Haus gefragt, dann muss Maik Tasche ran. „Hin und wieder sehen die Frauen nämlich die Klischees auch gern bedient“, sagt der Erzieher grinsend.

In manchem Vorurteil steckt aber auch ein Körnchen Wahrheit. Wie in diesem: Bastelarbeiten gehören nicht zu Tasches Lieblingsbeschäftigung. Na, und? Dafür ist er mit den Kindern lieber draußen an der frischen Luft. Wichtig ist, dass Kinder schon früh in ihrem Leben mit verschiedenen Rollenbildern vertraut gemacht werden. „Das stereotype Rollenverhalten wird ja schon oft von den Kindern mitgebracht“, weiß Meller. Im Kindergarten lernen die Kinder, in diesem Fall stammen die meisten aus Roma-Familien, dass auch Männer den Abwasch machen oder den Waschraum schrubben.

Respekt ohne Aggression

Und sie lernen eine andere Art von Durchsetzungsvermögen. „Wir zeigen ihnen einen respektvollen Umgangston und dass man sich auch ohne aggressives Verhalten durchsetzen kann“, sagt der Leiter der SKM-Einrichtung. Deshalb sei es wichtig, dass es mehr männliche Erzieher gibt. Doch viele schrecken vor dem Beruf zurück, weil sie schneller als ihre Kolleginnen mit Missbrauch in Verbindung gebracht werden.

Markus Meller winkt ab. „In den ganzen Jahren ist das nicht einmal Thema bei uns gewesen“, sagt er. Er wünscht sich vielmehr, dass der Beruf aufgewertet wird. Wenn’s nach ihm ginge, sollte die Erzieherausbildung an die Universität angegliedert werden. Hauptsache ist, der Erzieherberuf bekommt ein besseres Image – und so mehr Männer in die Kitas.

Im Jahr 2008 lag der Anteil männlicher pädagogischer Fachkräfte in Kitas bei 2,4 Prozent. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) will mit dem Projekt „Mehr Männer in Kitas“ für mehr männliche Erzieher werben. Das Projekt wird vom Europäischen Sozialfonds und vom Bundesministerium für Familie gefördert. Ziel ist es, den Anteil der Männer im Erzieherberuf auf 20 Prozent zu erhöhen.

Das Modellprojekt wird in in 16 Regionen umgesetzt. In NRW beteiligen sich Einrichtungen in Dortmund und Köln. Dazu gehören verschiedene Aktionen in den Tagesstätten, wie zum Beispiel das Engagement am Boys Day (26. April), Elterngespräche, Weiterbildungsangebote für Eltern zum Thema Geschlechterrollen oder Fachtagungen für Erzieher. Bis Ende 2013 soll es dann Antworten auf die Frage geben, wie sich mehr Männer als Erzieher gewinnen lassen. Die Evangelische Hochschule Dresden geht in einer Studie gleichzeitig der Frage nach, wie sich Erzieherinnen und Erzieher in ihrer Arbeit unterscheiden.