Zimt, Kardamom oder Vanille gehören zu Weihnachten wie der Stern auf dem Baum. Die exotischen Zutaten tun auch dem Körper und der Seele gut.
Essen.
Es war einmal ein furchteinflößender, riesengroßer Vogel, der in seinem Nest im arabischen Hochgebirge einen kostbaren Schatz hütete, den die Menschen ihm nur unter Lebensgefahr entreißen konnten: Zimtstangen. So zumindest erzählten es seinerzeit die arabischen Händler, die das kostbare Gewürz nach Europa brachten und dort zu sagenhaften Preisen verkauften.
Heute hat die Zimtstange viel von ihrer märchenhaften Ausstrahlung verloren – doch einmal im Jahr, in der Weihnachtszeit, bringt sie gemeinsam mit ein paar exotischen Freundinnen einen herbsüßen Duft in unsere Küchen, der uns gleichzeitig vertraut und geheimnisvoll erscheint.
Zimt
Der Riesenvogel in allen Ehren: In Wirklichkeit ist dieses uralte Gewürz, das schon vor über 4500 Jahren in der chinesischen Küche verwendet wurde, nichts anderes als die Rinde von Lorbeergewächsen. Sie wird von der Pflanze entfernt und dann abgeschabt und getrocknet. Man unterscheidet zwischen Cassia-Zimt, der sich während des Trocknungsprozesses von selbst zusammenrollt, und dem feineren Ceylon-Zimt, der in Handarbeit eingerollt wird. Cassia enthält von Natur aus einen höheren Anteil an Cumarin, dem man gesundheitsschädliche Wirkung nachsagt. Allerdings macht wie so oft die Dosis das Gift. „Seit mehreren Tausend Jahren werden diese Gewürze verzehrt“, sagt Dirk Radermacher, Geschäftsführer des Fachverbandes der Gewürzindustrie, „den Hype um das Cumarin halten wir für übertrieben“.
Fest steht: Beide Sorten haben ihre Eigenheiten – so duftet Cassia weniger intensiv, schmeckt jedoch herber und kräftiger als Ceylon-Zimt. Kaiser Nero, so erzählt Radermacher noch, soll seinen Reichtum demonstriert haben, indem er an verschiedenen Stellen in Rom regelmäßig Zimtfeuer abbrennen ließ.
Kardamom
Die ursprünglich aus Indien stammende Kardamom-Pflanze ist mit dem Ingwer verwandt. Ihre Samen schmecken zugleich süßlich und brennend, weshalb sie sowohl in süßen als auch herzhaften Gerichten verwendet werden können. Beinahe ein Muss ist Kardamom im Lebkuchenteig, wenn man nicht auf fertige Lebkuchen-Gewürzmischungen zurückgreift. Dazu können dann je nach Rezept noch Zimt, Nelken, Ingwer, Piment, Koriander und Muskatnuss gehören. Neben Safran und Vanille ist Kardamom wegen seiner aufwändigen Ernte eines der teuersten Gewürze und kann auch medizinisch eingesetzt werden, etwa gegen Verdauungsprobleme. Außerdem kauten die alten Ägypter Kardamomkapseln für frischen Atem.
Sternanis
Erst Anfang des 18. Jahrhunderts wurde Sternanis auch nach Deutschland gebracht, nachdem er von den Chinesen schon knapp 3000 Jahre lang geschätzt wurde – sowohl wegen seines brennend-würzigen Geschmacks als auch wegen seiner medizinischen Wirkung. Das im Sternanis enthaltene Öl macht fettige Speisen leichter bekömmlich und soll außerdem bei Übelkeit und Halsschmerzen helfen. Und schließlich schmecken die hübschen Sterne nicht nur weihnachtlich, sondern sehen sogar so aus. Köche schwören übrigens auf Sternanis in Kombination mit Tomatensoßen oder -Suppen.
Gewürznelken
Auch die Gewürznelken haben eine sagenumwobene Vergangenheit, von der Dirk Radermacher einiges zu erzählen weiß: Ursprünglich wuchsen die Nelkenbäume nur auf den Molukken, einer indonesischen Inselgruppe. Wurde ein Kind geboren, pflanzte man dort einen neuen Nelkenbaum. Schon damals waren die Knospen des Baumes beliebtes Heilmittel und Gewürz, weshalb erst die Portugiesen und später die Holländer versuchten, den Handel unter ihre Kontrolle zu bringen und ein Monopol zu errichten. Es war unter Todesstrafe verboten, die Pflanzen anderswo als auf den Molukken anzusiedeln. Ausgerechnet ein Franzose namens Poivre, zu Deutsch Pfeffer, schmuggelte jedoch Nelkenpflanzen (und Muskat) von der Insel und half so, das Nelkenmonopol zu brechen.
Heute verwendet man Nelken sowohl für herzhafte als auch für süße Speisen – außerdem werden sie nach wie vor als Hausmittel gegen Zahnschmerzen empfohlen.
Hochwertige Nelken kann man daran erkennen, dass sie sich fettig anfühlen und Öl austritt, wenn man mit dem Fingernagel draufdrückt.
Piment
Die kugeligen Früchte des immergrünen Pimentbaumes werden auf Englisch „Allspice“ (Allgewürz) genannt weil sie mehrere verschiedene Gewürze in sich zu vereinen scheinen: Ihr Geruch erinnert an Nelken, Muskat und Zimt, ihr Geschmack an eine Kombination aus Nelken und Pfeffer. Columbus brachte das Gewürz seinerzeit nach Europa, wo man es zunächst für eine Pfefferart hielt.
Vanille
Neben Zimt ist wohl Vanille das Gewürz, dessen Duft bei uns die wohligsten Gefühle auslöst. Nicht umsonst ist sie ein unentbehrlicher Bestandteil der Weihnachtsbäckerei; außerdem sagt man ihr aphrodisierende Wirkung nach. Das Mark der Vanilleschoten riecht und schmeckt um einiges intensiver als künstliche Vanillearomen, die unter anderem aus Holzzellstoff hergestellt werden und dementsprechend günstiger sind. Doch die ausgekratzten Schoten müssen nicht weggeworfen werden: Man kann sie trocknen und in ein Glas mit Zucker legen, der ihr Aroma dankbar aufnimmt.
Bei dem echten Gewürz handelt es sich übrigens um die Frucht einer Kletterorchidee, die sich bis zu zehn Meter in tropische Bäume hinauf rankt und unter natürlichen Bedingungen von Kolibris bestäubt wird. Die Früchte werden unreif geerntet und erhalten ihr Aroma durch einen Fermentationsprozess. Tropische Bäume, Kolibris – so ganz passt das nicht zu dem für uns eher winterlichen Gewürz. Doch immerhin spielt in dieser Geschichte am Ende doch noch ein Vogel, wenngleich ein sehr, sehr kleiner, eine bedeutende Rolle.