Zur Weihnachtszeit bitte Wikipedia alljährlich um eine Spende durch die Leser. An der Basis führt der Aufruf teilweise zu Unmut.
Essen.
Die Vorweihnachtszeit ist eine gute Zeit, um Spenden zu sammeln. Das Fest der Nächstenliebe veranlasst den ein oder anderen schon mal schneller, für den guten Zweck den Geldbeutel zu öffnen. Auch die Online-Enzyklopädie Wikipedia bittet im Winter alljährlich um eine Finanzspritze. Laut der Aussage von Pete Forsyth, einem ehemaligen Mitarbeiter beim amerikanischen Wikimedia, in der Süddeutschen Zeitung (SZ) erzürnt der Spendenaufruf jedoch die Basis von Wikipedia. Die Basis, das sind die Leute, die die Artikel für die Enzyklopädie kostenfrei verfassen. Ihr Vorwurf sei: Der Aufruf suggeriert eine Bedürftigkeit, die es so nicht gibt. Dem Unternehmen Wikimedia, das hinter Wikipedia steht, gehe es finanziell gut.
Wenn das Spendenziel von 8,6 Millionen Euro nicht vorzeitig erreicht wird, prangt noch bis Ende Dezember ein Banner auf der deutschen Wikipedia-Seite, das die Leser aufruft ein paar Euro locker zu machen. Wofür das Geld ist, wird aus dem Aufruf nicht ersichtlich. In Deutschland sammelt der gemeinnützige Verein Wikimedia Deutschland die Spenden.
Ein Drittel der Spenden bleibt in Deutschland
Auf Nachfrage versucht der Wikimedia- Sprecher, Jan Apel, das System Wikipedia und den Spendenaufruf zu erklären. „Falls wir die 8,6 Millionen Euro nicht erreichen, gehen die Lichter hier nicht komplett aus“, stellt Apel direkt zu Anfang klar. Das wolle auch niemand suggerieren. Jedoch müsse man dann sehen, wo man Geld einsparen muss. Von den gesammelten Spenden bleibt ein Drittel in Deutschland. Zwei Drittel bekommt der Mutterkonzern in den USA, der unter anderem die Server finanziert.
„Bei uns wird das Geld für Softwareentwicklungen, die Mitarbeiterkosten und vor allem für die freiwilligen Schreiber gebraucht“, erklärt Apel. 81 Mitarbeiter zählt Wikimedia Deutschland und etwa 6000 freie Autoren. „Als aktiver Schreiber gilt jemand, der pro Monat mindestens fünf Mal einen Artikel schreibt oder editiert“, sagt Apel.
Diese „aktiven Schreiber“ unterstützt das Unternehmen finanziell. „Wir ermöglichen ihnen über Dinge zu schreiben. Zum Beispiel finanzieren wir eine exklusive Führung durch Museen und übernehmen die Reisekosten.“ Schreiber könne jeder werden, der seine Texte gemäß der Regeln einer Enzyklopädie verfasst. „Die Artikel müssen neutral und belegbar sein.“ Im deutschsprachigen Raum sind so bislang über 1,9 Millionen Texte entstanden.
Rücklagen um den Betrieb sicherzustellen
Dass es Diskusionen um die Spenden gibt, bestreitet Apel nicht. „Ein Kritikpunkt ist, dass das Geld nicht komplett in Wikipedia fließt“, sagt der Pressesprecher. „Aber hier sind die Grenzen oft fließend. Wir wollen frei zugängliches Wissen insgesamt fördern.“ Als Beispiel nennt er Fototouren, die Wikimedia finanziert. Diese kämen zum Teil auch wieder Wikipedia zu Gute. „Wir wollen so viele Artikel wie möglich bebildern.“
Neben den Spenden finanziert sich Wikimedia Deutschland noch durch Mitgliedsbeiträge und in speziellen Projekten durch staatliche Fördergelder. Der Mitgliedbeitrag kostet jährliche 24 Euro. Fördergelder bezieht Wikimedia zum Beispiel für das Projekt Mapping OER, bei dem der Verein Bildungmaterialien gemeinsam mit dem Bildungsministerium gestaltet.
Ein Plus kann Wikimedia Deutschland im Gegensatz zum amerikanischen Mutterkonzern nicht erwirtschaften. „Wir sind ein gemeinnütziger Verein. Das Ziel ist immer eine schwarze Null.“ Dass Wikimedia in den USA Rücklagen bildet, bestreitet Apel aber nicht. „Sie wollen den Betrieb sicherstellen, auch wenn morgen alle Spenden wegbrechen würden.“ Ein Jahr könne man dann weitermachen. „Ob das angemessen ist, muss jeder selber entscheiden“, sagt Apel.