Dortmund.
„Lebendige Demokratie hat ihre Wurzeln im Lokaljournalismus“ So lautete der Titel der Eröffnungsrede von Bodo Hombach, Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, beim Dortmunder Forum Lokaljournalismus. Wir sprachen mit ihm über dieses Thema.
Mit seinen klaren Worten gilt Bodo Hombach als wichtiger Meinungsmacher in der Medienbranche. „Lebendige Demokratie hat ihre Wurzeln im Lokalen“ heißt das Thema seines Vortrages am Eröffnungstag des Forums Lokaljournalismus 2010. Bodo Hombach kennt das Mediengeschäft von beiden Seiten – einmal als Politiker, jetzt als Geschäftsführer und Erneuerer auf Verlagsseite. Hombach ist glühender Verehrer der Tageszeitung. Mit dem Wechsel in die Verlagsverantwortung hat sich sein Leseverhalten geändert. „Als ich noch Abgeordneter war, habe ich natürlich zuerst in meinen Lokalteil geblickt. Heute lese ich erst die Mantelausgaben“, sagt der 57-Jährige.
Herr Hombach, „Mutig, Multimedial, Meinungsbildend“ – so lautet das Motto des Forums Lokaljournalismus 2010. Welche Bedeutung haben die drei Schlagwörter für den Lokaljournalismus?
Bodo Hombach: Sie sind die Leitpunkte für den lokalen Journalismus. Daran müssen sich Journalisten messen. Gerade der Lokaljournalist muss eine ziemlich exklusive Aufgabe erfüllen. Er berichtet über Themen, über die sonst niemand berichtet. Was vor unserer Haustür geschieht, das ist das wichtigste Thema in der Zeitung. Was dagegen in Washington, Peking oder Berlin passiert, dass sehe ich doch schon beinahe in Echtzeit auf meinem Bildschirm. Lokales gibt es aber nur in den Zeitungen, die fest in ihrer Stadt, in ihrer Region verwurzelt sind.
Wie sollte man gerade diese Kompetenz ausbauen?
Hombach: Im Lokalen haben wir ein Alleinstellungsmerkmal. Warum sollen wir über unsere Nahwelt nur berichten, und nicht auch mal propagieren? Wir wollen im Lokalen auch gestalten. Schauen Sie mal auf die Arbeit, die unsere Westfalenpost in Hagen macht. Dort haben es sich Chefredakteur Bodo Zapp und seine Redakteure zur Aufgabe gemacht, ihre Heimat nach vorne zu bringen. Südwestfalen, diese starke Region, lebt in der Westfalenpost. Da müssen wir hin, das muss unser Vorbild sein. Eine Heimatzeitung im besten Sinne, weltoffen, aber im Kern lokal und stark, das ist unsere Kompetenz. Oder nehmen wir die WAZ-Lokalredaktion in Dortmund. Der Lokalteil könnte von der Westfälischen Rundschau komplett übernommen werden. Aber das kleine Redaktionsteam, das die WAZ in Dortmund beschäftigt, setzt eigene Themen und nimmt sich nun viel mehr Zeit für gute Recherche. Das ist eine Entwicklung, die sehr weit von dem uns mal vorgeworfenen Einheitsbrei entfernt ist.
Könnte der Einsatz neuer Möglichkeiten wie Bloggen, Facebook, Twitter usw. dazu führen, die Leser an die Zeitung zu binden?
Hombach: Vom Bloggen bin ich sehr enttäuscht. Nicht von der Möglichkeit, aber von der Qualität. Ich dachte, dass durch Bürgerpartizipation ein neues Kapitel der Bürgerzeitung aufgeschlagen werden kann. Die bürgereigene Berichterstattung wird den Lokaljournalisten niemals ersetzen.
Wie wichtig ist es, dass Lokalredaktionen klar Stellung beziehen? Und welche Rolle sollten Lokaljournalisten einnehmen?
Hombach: Wir wissen um die Bedeutung des lokalen Journalismus und setzen daher dort auch neue Schwerpunkte. Aus voller Absicht. Die Lokalen haben es ohnehin schwerer, sie sind für ihren Informationsfluss selbst verantwortlich und können sich nicht an Agenturmaterial bedienen. Zudem gilt es mutig zu sein. Es gehört schon ganz schön etwas dazu, den Bürgermeister seiner Stadt in einem Kommentar zu kritisieren, obwohl man ihn vielleicht noch am gleichen Abend auf einer Veranstaltung trifft. Meinungsfreude ist aber immer gefragt und unerlässlich. Der Leser honoriert Journalisten mit Ecken und Kanten, die deutlich schreiben und klar Stellung beziehen. Der Journalismus wird nicht grundlos als die vierte Gewalt im Lande bezeichnet. Der Journalist kritisiert und klärt Missstände auf. Als reine Plattform für irgendwelche Interessen darf die Tageszeitung niemals ausgenutzt werden, dann verliert sie ihre Glaubwürdigkeit.
Immer mehr Verlage streichen Arbeitsplätze, immer weniger Redakteure müssen mehr Seiten füllen. Wie kann der Lokaljournalist da noch für die Wurzeln der lebendigen Demokratie sorgen?
Hombach: Qualität ist nicht gleich Quantität. Ich wundere mich über Aussagen, dass nur viele Menschen gemeinsam journalistisch hochwertig arbeiten können. Dabei sehe ich den Beruf des Journalisten als einen sehr kreativen Beruf an, etwa wie ein Opernsänger oder ein Maler. Wird die Oper besser, nur weil fünf Geiger mehr auf der Bühne sitzen? Wird das Bild des Malers besser, wenn zwei weitere mitmischen? Ich denke nicht. Tolles Schreiben ist das, womit der Journalismus punktet. Und durch Recherche, Themen und Präsenz.