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60 Minuten im Schuhladen – Wo Frauen meistens schwach werden

60 Minuten im Schuhladen – Wo Frauen meistens schwach werden

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Foto: Volker Hartmann
Rabatte locken die Kundinnen an – und am Ende nehmen sie auch noch die aktuelle Herbstware mit. Eine spannende Sozialstudie im Schuhgeschäft.

Gelsenkirchen. 

Die mit Glitzer sind am schönsten. „Machen einen schlanken Fuß“, sagt jemand. Wie man beim Friseur so sagt: „Du hast die Haare schön.“ Aber das ist hier ist ein Schuhgeschäft. Neben Frau Geldermanns Füßen stehen noch Sneakers, eine Zehentrenner-Sandale, eine weitere mit Fransen und Espadrilles mit Knöchelband. Alle grau, wie Ina Geldermanns Hose. „Wahrscheinlich werde ich schwach“, sagt sie. „Das wollte ich gar nicht.“

So geht es Frauen ja oft, jedenfalls im Schuhladen: Sie wollen nicht, aber dann werden sie doch schwach. Diesmal, weil bei Schlatholt in Gelsenkirchen „Sale“ ist, was früher „Schlussverkauf“ hieß. Sommer-Schlussverkauf, und es ist ja endlich Sommer. Außerdem „40 Prozent auf alles (ausgenommen neue Kollektion)“. Letzteres könnte zum nächsten Problem werden: Da kommt Frau wegen der Prozente, wittert ein Schnäppchen und entdeckt die neue Herbstmode. . . Gelegenheit macht neue Schuhe! Oder, wie bei Frau Geldermann: „Ich sah das Schild, und ich fahre noch in Urlaub. Da dachte ich, du könntest doch . . .“

Welche Schuhfarbe passt zur Hose?

Es stehen jetzt sieben Frauen an einem bunt beschuhten Regal, fast alle auf einem Bein. Mit einer Hand ziehen sie ein Riemchen über die Ferse, an der anderen baumeln weitere Sandalen. Festhalten, weitersuchen. „Wo ist mein Mann?“, ruft eine. Mitnichten in der ersten Etage, bei den Herren-Schuhen; er steht draußen. Und wartet. „Der Papa muss jetzt bezahlen“, wird die Verkäuferin an der Kasse gleich dem Kind erklären, das der Vater entschlossen auf die Theke hob, um an sein Portemonnaie zu kommen. „Es gibt genau zwei Farben, die zu meiner Hose passen“, erklärt die Gattin, es klingt entschuldigend. „Schwarz und . . . eigentlich nur schwarz.“ Natürlich müssen die Pumps also mit.

Serie 60 Minuten„Shopping-Queen?“, fragt Birgit Däter ein kleines Mädchen, das in die Kinderabteilung strebt. Rosa mit Pünktchen, Pink mit Sternchen warten, aber die Shopping-Queen will bloß rutschen – ein ordentliches Schuhhaus hat heutzutage immer noch eine ordentliche Holzrutsche. Es komme auch vor, sagt die Filialleiterin, dass Erwachsene nur zum Kaffeetrinken kommen, gerade plaudern sie neben der Kasse über die nächsten Ferien, aber wie sie dann so quatschen, die Kunden, fällt ihr Blick vielleicht auf das nächste Regal, und dann . . . Siehe oben. „Wenn die Sonne da ist“, sagt Frau Däter, „sind wir eigentlich schon in den Startlöchern für den Herbst.“

Die Verkäuferinnen werden deshalb schon bald kein Pink und Weiß mehr tragen, „es muss passen“, man geht mit der Zeit, also auch in der Oberbekleidung auf Grau und Braun. An den Füßen tragen die Kolleginnen dazu immer Schlatholt. „Wir sind ein Familien-Unternehmen“, sagt Birgit Däter, mit tatsächlich 20 Filialen in Ruhrgebiet und Sauerland. „Wir haben eine gute Auswahl, warum sollten wir woanders kaufen?“ Natürlich shoppt eine Schuhverkäuferin auch niemals online. „Ich will die Sachen sehen, fühlen, anprobieren“, sagt Däter.

Zu schmal, zu eng, zu weit

Und das auch ihren Kunden bieten: „Ich finde es einfach schön, Schuhe zu verkaufen. Sie sind das Wichtigste für die Garderobe.“ Die Chefin ist schon 40 Jahre dabei, sie hat erlebt, wie die Kinderkollektion bis auf Größe 42 anwuchs, weil auch die kleinen Kunden größer werden. „Kinder kommen gesund auf die Welt“, sagt Birgit Däter. „Die Schäden werden gemacht: zu schmal, zu eng, zu weit . . .“

Aber nicht hier. Heute soll Lara neue Sandalen bekommen, natürlich strebt die Neunjährige indes zielsicher auf silbern glänzende Schläppchen zu. „Die sind schön!“ Nur keine Sandalen, wendet die Mama ein. „Ich mag aber über-haupt keine Sandalen!“ Lara zieht einen Flunsch, das Verkaufsgespräch ist für heute vorbei. Das Kind will nicht einmal mehr rutschen!

Und der Hund nicht trinken. Frauchen hockt vornübergebeugt auf dem Stuhl, einen Schuhanzieher in der Hand. Links ein Schuh, rechts ein Schuh, „wenn man einmal dabei ist“, sagt sie ratlos. Der Hund wendet sich ab. „Sam“, sagt die Frau, „ist der ideale Einkaufsbegleiter.“ Redet nicht rein, wartet geduldig, macht auch keine Sprüche über schlanke Füße. Apropos, wo ist Frau Geldermann? Sie habe drei Paar mitgenommen, verrät ei­ne Verkäuferin. Die Glitzernden hat sie anbehalten. Die gehörten ihr schon.