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Küche in der Uniklinik Essen versorgt täglich 1300 Patienten

Küche in der Uniklinik Essen versorgt täglich 1300 Patienten

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Foto: Kai Kitschenberg
60 Minuten in der Zentralküche des Universitätsklinikums Essen. Die Mitarbeiter kochen das Essen immer zwei Tage im Voraus – aber nur fast.

Essen. 

Ungefähr so muss ein Schneebesen für Kinder im Krabbelalter aussehen, wenn sie das erste Mal die Schubladen in der Küche ausräumen – ein riesiges Drahtgestell, gerade so zu packen und länger als der eigene Arm. Schneebesen, Schaber, Töpfe, Schüsseln: An diesem Ort haben viele Dinge die Proportionen aus der Kleinkind-Perspektive, nur sind es sehr ausgewachsene Männer, die sie benutzen, und die Gerätschaften um ein Vielfaches größer als in Mamas Küche. Auch die Familie, die hier bekocht wird, ist ein wenig größer, es sind die rund 1300 Patienten des Universitätsklinikums Essen und ein paar Hundert Gäste in der Cafeteria.

Serie 60 MinutenUnsere 60 Minuten in der Zentralküche des größten Krankenhauses im Ruhrgebiet beginnen an diesem Mittwochmorgen um Punkt acht Uhr. Die Nase bemerkt sofort, dass die Köche schon eine Weile zu Werke sind, sie riecht Gulasch. Leise simmert es vor sich hin in einem 160-Liter-Kübel, obenauf schwimmen ein paar Lorbeerblätter und ein paar mehr Kümmelsamen. Das zu rühren, braucht es eben jene armlangen Schaber. Längst fertig sind die Nudeln dazu. Schwarzwurzeln ruhen sich in gläsernen Wannen aus, auf Ofenblechen liegen Hunderte Backfisch-Quader bereit.

Vorkochen bringt logistische Vorteile

Fisch, am Mittwoch? Natürlich nicht. Heute Morgen wird für Freitag gekocht, wie immer zwei Tage im Voraus. Was für den Laien erst einmal befremdlich klingt, nennen die Profis „Cook & Chill“. Das Essen wird nur fast fertig gekocht und dann rasch runtergekühlt. Kommt es dann nach zwei Tagen zum Einsatz, wird es auf der Station erhitzt und dabei fertig gegart. Die allenfalls noch lauen Mahlzeiten, an die sich mancher von seinem Beinbruch im letzten Jahrhundert erinnert, sind passé.

Die logistischen Vorteile des wohlorganisierten Vor-Kochens werden hinter der schweren Stahltür im nächsten Raum offenbar, am Band. Hier wird aufgetischt, und dies auffallend unhektisch. Das Band läuft langsam und immer wieder gar nicht, das Essen kann ja nicht kalt werden. Und auch die Damen wirken unter ihren Haarhauben ziemlich gechillt, wie es die Patienten der Kinder- und Jugendklinik wohl ausdrücken würden. Am Fleisch- und Soßenposten ebenso wie bei den Sättigungsbeilagen, der Gemüsestation, dem Obststand und dem Dessert-Tisch. Kaltes Mittagessen wird für jeden Patienten portioniert und in den Wagen seiner Station geschoben.

Garnelen-Spießchen für die Luxus-Patienten

Schlecht wäre es, würde dem Vegetarier versehentlich die Wurstschnecke aufgetan, dem Lactoseintoleranten der falsche Joghurt oder dem Herzpatienten die herzhaft salzige Bratensoße. An diesem Fließband kann von Einheitsbrei keine Rede sein, nicht einmal für jene Patienten, die nur Püriertes zu sich nehmen können. Das weckt den Künstler im Koch, er hat tatsächlich aus dem Blumenkohlbrei Röschen geformt, aus dem der Möhre eine Rübe und aus der Fleischmasse ein kantiges Kotelett. Das sieht nicht weniger liebevoll aus als die Extrawürste für die Luxus-Patienten, heute sind es auf Holzspießchen drapierte Garnelen oder eine Kalbsroulade mit Rosmarinzweig obendrauf.

Das nächste Band läuft deutlich schneller, in der Spülküche. Die Essensreste kommen in die Tonne, die Tabletts mit dem Besteck werden in ihre Einzelteile zerlegt, und die Speisewagen gehen in Gänze durch die Waschanlage, um ihre Keimfreiheit zurück zu erhalten. Der Kreis schließt sich, der des Minutenzeigers auch, die Stunde ist rum.

Die Nase aber muss noch einmal abbiegen in einen gar nicht so kleinen Nebenraum. Es ist die klinikeigene Bäckerei. Ein kleiner Blick hinein offenbart frisch dem Ofen entnommenen Apfelstreusel als Nasenfänger. Lange Brotlaibe stehen daneben bereit fürs Abendessen, für morgen früh werden die Brötchen geformt. Bis es in den Ofen geht, dürfen sie noch fast einen Tag lang ruhen. Vom „Chill & Bake“-Verfahren spricht hier aber niemand. Die Brötchen schmecken auch so.