„Alles wächst mir über den Kopf – wie soll ich damit fertig werden?“ Ein lähmender Gedanke, der einen zuweilen schon früh morgens packt und das Aufwachen zur Qual werden lässt. Expertinnen für mentales Coaching und Verhaltenstherapie geben Anregungen, damit der Tag trotzdem gelingt.
Essen.
„Alles wächst mir über den Kopf – wie soll ich damit fertig werden?“ Ein lähmender Gedanke, der einen zuweilen schon früh morgens packt und das Aufwachen zur Qual werden lässt: Der Terminkalender ist pickepackevoll, der Kopf brummt und im Magen meldet sich ein mulmiges Gefühl. Expertinnen für mentales Coaching und Verhaltenstherapie geben Anregungen, damit der Tag trotzdem gelingt. Sie erklären auch, ab wann Ängste und negative Gedanken in eine Erkrankung münden können, bei der Profis helfen sollten.
Wie kann ich mich beruhigen, wenn ich mich vor den Anforderungen des Tages fürchte?
„Warum sollte man sich von seinem Gehirn vorschreiben lassen, was es denkt?“, fragt Gabriele Lönne provokant. „Besser ist es, sich selbst im Badezimmerspiegel anzuschauen und zu überlegen: Warum kommen mir jetzt diese negativen Gedanken? Was würde ich mir – von außen betrachtet – selbst in dieser Situation raten?“ Gabriele Lönne ist Mental-Coach, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Lehrbeauftragte der Hochschule für Gesundheit und Sport in München.
Auch die Psychotherapeutin Dr. Christine Schneider aus Düsseldorf rät, aus dem negativ gepolten Gedankenkarussell auszusteigen und sich zu fragen: „Was ist das Schlimmste, das passieren kann – und wie wahrscheinlich ist es?“ Hilfreich kann es nach ihren Worten begleitend sein, zehn Mal langsam und entspannt in den Bauch hinein zu atmen, um auf diese Weise das vegetative Nervensystem zu beruhigen.
Menschen, die zu Perfektionismus neigen, fühlen sich schnell überfordert
Gibt es psychologische Tricks, um mich positiv zu motivieren?
Um den negativen Gedanken etwas entgegenzusetzen, ist die Überlegung „Was habe ich denn bisher schon alles geschafft?“ hilfreich. „Seine Stärken und die guten Ergebnisse seines Verhaltens kann man sich dann innerlich vor Augen führen“, sagt Verhaltenstherapeutin Christine Schneider, die noch andere Fragestellungen empfiehlt. Zum Beispiel: „Muss ich alles perfekt machen? Gibt es auch etwas, das ich lassen kann?“.
Ein offenes Gespräch mit dem Hausarzt über Ängste kann bereits der erste Schritt zu einer Behandlung sein, die Spezialisten dann fortführen. Sie tragen Zusatzbezeichnungen wie Psychologischer Psychotherapeut, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie beziehungsweise Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Achtung: Oft gibt es lange Wartelisten.
Adressen von Experten finden sich über die Kammer für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten NRW, Willstätterstraße 10, 40549 Düsseldorf, Telefon 0211/52 28 47-0, E-Mail: info@ptk-nrw.de, Homepage: www.ptk-nrw.de oder über die Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein (www.kvno.de) und Westfalen-Lippe (www.kwl.de).
Geschulte Heilpraktiker lassen sich über den Bund Deutscher Heilpraktiker (BDH) suchen: www.bdh-online.de.
Denn ihrer Erfahrung nach fühlen sich vor allem Menschen, die zu Perfektionismus neigen, von ihren vielen Aufgaben überfordert. Stehen schwierige Herausforderungen an, rät Schneider, schon morgens zu planen, womit man sich nach der Arbeit belohnen kann – indem man sich zum Beispiel ein köstliches Essen gönnt oder mit einem Menschen, der einem gut tut, zu einem entspannten Sauna-Gang verabredet. Und noch etwas hilft, gute Laune zu bekommen: lächeln! „So wird ein Feedback-Effekt im Körper ausgelöst, und die Stimmung steigt“, sagt die Psychotherapeutin.
Wie trete ich auch an „schlechten Tagen“ anderen selbstbewusst gegenüber?
In Situationen, in denen man sich kaum traut, die Bürotür zu öffnen und die Kollegen zu begrüßen, empfiehlt Mental-Coach Gabriele Lönne, sich einen imaginären Schutz vorzustellen, der einen umgibt. „Das kann eine Kuppel oder ein großes Cape sein – von außen unzugänglich, so dass mir niemand etwas tun kann“, erklärt Lönne. Gelassen und gut gelaunt ist nach ihren Worten auch derjenige, der sich seine Kollegen vor der ersten morgendlichen Begegnung innerlich vor Augen führt, wie sie mit Mickey-Mouse-Ohren aussehen und mit Pieps-Stimmen sprechen.
Im alltäglichen Miteinander kommt es dann laut Verhaltenstherapeutin Schneider auf die Haltung und die Art der Kommunikation an. Ihr Tipp: „Beide Beine fest auf den Boden stellen, Schultern nach hinten, Brust raus, Kinn nach oben und Augenkontakt halten. Dabei deutlich, jedoch in kürzeren Sätzen sprechen – und sich nicht rechtfertigen.“
Kann ich lernen, Ängste vor den bevorstehenden Aufgaben auf Dauer zu beherrschen?
Wer sich jeden Tag fast routinemäßig mit seinem imaginären Schutzmantel umgibt und trainiert, mit guter Laune gegen miese Gefühle anzugehen, hilft sich nach Erfahrung von Mental-Coach Gabriele Lönne auch langfristig selbst. Wenn die Ängste allerdings heftig sind, kann ein Coaching unterstützen oder auch eine Verhaltenstherapie, die positive Erfahrungen vermittelt, wenn man sich nicht verkriecht.
Für Christine Schneider ist ein Achtsamkeitstraining, für das es in Großstädten zahlreiche Anbieter gibt, ebenfalls eine Option: „Dabei lernt man, seine Gedanken ins Hier und Jetzt zu lenken und sich zu fragen, ob die ängstigenden Grübeleien nützlich sind.“
Woran man eine Erkrankung erkennt
Woran erkenne ich eine Angsterkrankung?
Erwischt man sich dabei, dass man Situationen um jeden Preis vermeidet oder ihnen aus dem Weg geht, weil sie unerklärliche Ängste verursachen, ist dies laut Verhaltenstherapeutin Schneider ein Warnsignal für ein krankhaftes Verhalten. „Wir sollten aufmerksam werden, sobald die Furcht Auswirkungen auf Lebensführung und -qualität hat.“
Ab wann sollte ich mir professionelle Hilfe suchen?
Steigt der Leidensdruck durch die Ängste und überlagern die Emotionen immer wieder den Verstand, so dass der Betroffene beschließt, etwas verändern zu wollen, ist der Einstieg in eine Therapie möglich. „Im Laufe der Diagnostik werden dann die Teufelskreise im Denken und Verhalten sichtbar gemacht“, erklärt Psychotherapeutin Christine Schneider.
Sie diskutiert mit ihren Patienten deren Einstellungen und Denkfehler, um anschließend Bewältigungsstrategien einzuüben – damit die Menschen sich dann den ängstigenden Situationen nach und nach stellen, bis die Furcht abnimmt.