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Tabuthema Impotenz – neue Behandlungsmöglichkeiten

Tabuthema Impotenz – neue Behandlungsmöglichkeiten

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Foto: imago
Viele Männer leiden unter Erektionsstörungen. Der Medizin steht heutzutage weitaus mehr als nur Tabletten zur Verfügung, um Betroffenen zu helfen.

Essen. 

Ein Mann ist stark und zäh und kühn. Das suggerieren, gestern wie heute, Kino, Fernsehen und Werbung. Mal mehr, mal weniger direkt wird damit auch ein Anspruch an die sexuelle Potenz verbunden: Der Mann will immer, kann immer. Zur Verbreitung dieser Legende tragen nicht zuletzt auch, ja, die Männer selbst bei. „Viel Selbstwertgefühl wird über die Potenz definiert“, sagt Dr. Jochen Heß, Sektionsleiter Rekonstruktive Urologie am Uniklinikum Essen. Dementsprechend groß ist oft die Scham, wenn etwas nicht legendengemäß funktioniert.

Die Diagnose

Das lateinische „Potentia“ bedeutet Kraft, Macht oder Fähigkeit – diese (vorübergehend) einzubüßen, ist allerdings „gar nichts Exotisches, sondern ein Problem, das viele haben“, sagt Jochen Heß. Medizinisch relevant wird die „erektile Dysfunktion“ (ED), also die Erektionsstörung, wenn „über sechs Monate hinweg eine Schwäche bei der Erektion auftritt, die Geschlechtsverkehr nicht mehr möglich macht“. Natürlich spielt hier die subjektive Wahrnehmung eine große Rolle: Manche erleben die Schwäche schnell als einschränkend, andere nehmen sie erst spät als Problem wahr. Doch anstatt zeitnah einen Arzt aufzusuchen, quälen sich viele Patienten mit Selbstzweifeln, fühlen sich oftmals sogar als Versager.

Zwar steigt die Wahrscheinlichkeit einer ED mit dem Alter an – so sind unter den 30- bis 40-Jährigen etwa zehn Prozent, unter den 70- bis 80-Jährigen ungefähr 50 bis 75 Prozent aller Männer betroffen – doch es leiden weitaus mehr darunter, als gemeinhin vermutet wird. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus – und von einem langen Leidensweg. Denn wer sich dazu durchgerungen hat, den Hausarzt um Rat zu fragen, bekomme zwar meist Tabletten verschrieben, so Heß, „die Ursache der erektilen Dysfunktion bleibt allerdings oft ungeklärt“. Er empfiehlt Patienten daher, auch Fachärzte oder spezialisierte Zentren aufzusuchen, wo nicht nur mehr Möglichkeiten zur Ursachensuche zur Verfügung stünden, sondern auch verschiedene Therapieangebote.

Ursachen und Risikofaktoren

Denn auch, wenn viele Betroffene das annehmen: Meist ist das Problem nicht psychischer Natur. „Nur in etwa zehn Prozent der Fälle gibt es psychische Ursachen, bei 90 Prozent ist die Ursache organisch“, erklärt Heß. Einfach formuliert, ist bei der ED das Zusammenspiel von Blutzufluss- und Abfluss in den Penis gestört. Am häufigsten ist das auf eine Gefäßerkrankung wie Arteriosklerose, umgangssprachlich Arterienverkalkung, zurückzuführen, die auch für Herzinfarkte verantwortlich ist.

Doch während heute fast jeder weiß, dass Übergewicht, Stress, Rauchen und Bewegungsmangel das Risiko eines Herzinfarktes erhöhen, ist kaum bekannt, dass die gleichen Faktoren auch Erektionsstörungen begünstigen. „Der Durchmesser der Penisgefäße ist halb so groß wie der von Herzkranzgefäßen“, sagt Jochen Heß. Somit mache sich die durch Gefäßverkalkung verursachte ED deutlich früher bemerkbar als eventuelle Herzprobleme. „Bei entsprechendem Risikoprofil ist die erektile Dysfunktion daher ein Warnsignal für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“

Ebenfalls häufig sind postoperative Erektionsstörungen, etwa nach einer Prostata-Entfernung im Rahmen einer Krebsbehandlung oder bei Enddarmoperationen. Hier tritt die Störung direkt nach der Operation auf, bei anderen Ursachen entwickelt sie sich schleichend.

Hinter etwa einem Drittel der Fälle steckt eine Diabetes-Erkrankung: Zuckereinlagerungen an den Blutgefäßen oder krankheitsbedingte Nervenveränderungen stören die Erektionsfähigkeit. Auch Medikamente, Unfälle, angeborene Gefäßanomalien oder eben psychische Probleme können die ED auslösen.

Therapiemöglichkeiten

An erster Stelle steht für viele Männer die medikamentöse Behandlung mit Viagra und Co., die die Gefäße weiten und somit einen stärkeren Blutfluss ermöglichen. Doch das kann gerade für Herz-Kreislauf-Patienten problematisch sein, da die Mittel nicht nur auf die Penisgefäße sondern häufig auch auf andere Gefäße wirken und Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall verursachen können. Außerdem läppern sich die Kosten, denn die Pillen werden nicht von der Krankenkasse bezahlt. Ist eine ursächliche Therapie möglich, sei diese in jedem Fall vorzuziehen, so Heß. Möglich ist das etwa bei einer Hormonstörung, die gezielt behandelt werden kann. Und bei Gefäßerkrankungen lasse sich mit der Umstellung des Lebenswandels oft eine deutliche Besserung erzielen.

Als weitere symptomatische Therapieoption steht ein Wirkstoff zur Verfügung, der – über eine Spritze in den Schwellkörper oder über eine Mini-Tablette in die Harnröhre gebracht – eine künstliche Erektion hervorruft. Außerdem kommt die mit Studien zwar gut belegte aber nicht als Kassenleistung anerkannte Stoßwellentherapie, oder die Vakuumpumpe infrage.

Diese ist zwar „zuerst nicht besonders beliebt, weil sie sehr unerotisch erscheint“, sagt Heß, aber durchaus empfehlenswert, weil sie praktisch keine Nebenwirkungen verursache. Letzte Option, wenn andere Methoden nicht den gewünschten Erfolg bringen, ist die Schwellkörperprothese: „Entweder biegsam oder zum Aufpumpen – letztere kommt der natürlichen Funktion am nächsten“, sagt Heß. Es handele sich zwar um einen operativen Eingriff, 92 Prozent der Patienten seien mit dem Ergebnis aber hoch zufrieden, „bei Tabletten sind es maximal 50 Prozent“.