Schockbilder auf Zigarettenpackungen sind jetzt Pflicht
Schockbilder auf Zigarettenpackungen Foto: Archiv/dpa
Schockfotos sind nur für Zigaretten und Selbstdreh-Tabak vorgeschrieben
Erste Packungen kommen wohl erst in ein paar Wochen in den Handel
Experten glauben, dass die Wirkung bei Kettenrauchern verpufft
Essen.
Eine Frau mit einem blutig gehusteten Taschentuch, eine durch ein Loch im Hals freigelegte Luftröhre wegen Kehlkopfkrebs, das Foto eines amputierten Raucherbeins: Raucher in Deutschland müssen künftig hart im Nehmen sein. Seit diesem Freitag sind auch in Deutschland „Schockfotos“ auf Zigarettenpackungen Pflicht. Bis sie tatsächlich im Handel sind, dauert es aber noch.
Beim Unternehmen Lekkerland in Frechen bei Köln, das bundesweit mehr als 56.000 Trinkhallen, Tankstellenshops und andere Einzelhändler unter anderen mit Tabakwaren beliefert, geht man davon aus, „dass die ersten Zigarettenpackungen mit Schockbildern in etwa drei bis vier Wochen in den Shops unserer Kunden erhältlich sein werden“, sagt Sprecherin Verena Schick. Und: Bis zum 19. Mai 2017 dürfen Einzelhändler noch Verpackungen ohne Schockbilder verkaufen. Dann endet die Abverkaufsfrist.
Vorschrift sind Schockbilder nur für Zigaretten und Selbstdreh-Tabak. 65 Prozent einer Zigarettenpackung müssen künftig mit Bild und Warnhinweis bedruckt sein. Zudem ist ein gelbes Textfeld aufzudrucken, dass Informationen zur Raucherentwöhnung geben soll. Cigarillos, Zigarren und Pfeifentabak gelten als Nischenprodukte und müssen nicht mit abschreckenden Fotos bedruckt werden. In NRW gibt es nach Zahlen des Statistikamts IT NRW etwa 2,8 Millionen Frauen und Männer, die Statistikern angegeben haben, sie seien „regelmäßige Raucher“.
42 verschiedene Schockbilder für Zigarettenpackungen
Der Streit um die Schockbilder lief über Jahre, bis die EU-Kommission am 10. Oktober 2014 in einer EU-Richtlinie die „bildlichen Warnhinweise“ auf Tabakerzeugnissen verbindlich regelte. Die dort veröffentlichten 42 Bildmotive sind von den EU-Staaten alle zu verwenden, erklärte Steffen Schulz, Leiter der Bonner EU-Regionalvertretung, am Donnerstag. Allerdings seien die in der EU-Richtline gezeigten Bilder „noch nicht im endgültigen Design“. Im zuständigen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sah man sich am Tag vor Inkrafttreten der Richtlinie nicht in der Lage, die aktuellen Motive zu benennen. In der Bonner EU-Vertretung hieß es zudem, dass man die Fotos nicht vorab veröffentlichen wolle, „auch, um den Neuigkeitseffekt der Bilder zu bewahren.“
Tabakverband kritisiert Schockbilder als „sinnlose Antiwerbung“
„Schockbilder sind sinnlose Antiwerbung“, kritisiert Michael von Foerster, Hauptgeschäftsführer vom Verband der deutschen Rauchtabakindustrie. Die Fotos würden „kaum jemanden vom Rauchen abhalten“; aus Sicht der Tabakfirmen müsste das eigentlich ein wünschenswerter Effekt sein. Doch von Foerster hebt auf die Schwierigkeiten ab, die die geforderte Umstellung mache, etwa in punkto Produktdesign und Wiedererkennungswert von Verpackungen. Auch die Produktionsumstellung sorge für erheblichen Aufwand, etwa in den Druckereien. Die Tabakindustrie forderte deshalb 15 Monate Übergangsphase, weil die Tabakwirtschaft „auf wenige spezialisierte Zulieferer aus dem Maschinenbau und der Druckindustrie angewiesen (ist), die alle gleichzeitig von der gesamten Branche nachgefragt werden“. Eine Frist wurde nicht eingeräumt.
Auch kritisiert die Tabakindustrie Wettbewerbsnachteile. In 14 von 28 EU-Mitgliedsstaaten sei die Richtlinie bereits umgesetzt. Deutschlands Nachbarstaat Tschechien jedoch habe die Deadline verschoben, Polen setze sie erst 2017 um. Dort also sind Tabakpackungen weiterhin Schockbild-frei. Unterdessen sinkt der Tabakkonsum in Deutschland weiter. Für fast 80 Prozent der 12- bis 17-Jährigen sei Tabak uninteressant; damit liege die Zahl der Nichtraucher in dieser Altersgruppe auf dem höchsten Stand seit Beginn entsprechender Umfragen, gab jüngst die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Anfang April bekannt. Auch bei 18- bis 25-Jährigen sei die Raucherquote rückläufig. Sie liege aktuell bei 26,2 Prozent.
Bei so manchen Rauchern könnten die Schockbilder auf den Packungen auch ein „Jetzt-erst-recht“-Gefühl auslösen, geben Wissenschaftler zu bedenken. Schon 2011 hatten Psychologen an der Universität Bonn in einer Studie herausgefunden, dass die abschreckende Wirkung von Schockfotos bei Kettenrauchern wohl verpuffen dürfte. Weil Nikotin das „Furchtzentrum“ im Gehirn beeinflusse. Die Fotos sollen jedoch vor allem Nachwuchs-Raucher abschrecken, also Jugendliche oder junge Erwachsene, heißt es. Die finden den Einstieg in die Nikotin-Sucht vor allem über Zigaretten.