Die Genitalbeschneidung bei Jungen im Kindes- oder Säuglingsalter kann zu psychischen Problemen führen – sagt Professor Franz von der Universität Düsseldorf. Seine Warnung vor späteren Folgen betrifft damit sowohl die jüdischen als auch die muslimischen Praktiken.
Düsseldorf.
Die Beschneidung der Vorhaut ist der älteste und am häufigsten durchgeführte operative Eingriff überhaupt. Welche psychologischen Folgen kann sie haben? Professor Matthias Franz, stellvertretender Direktor des Klinischen Instituts für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, warnt deutlich vor den Gefahren einer Beschneidung:
„Die Entfernung der Vorhaut im Säuglings- oder Kindesalter stellt ein Trauma dar und kann zu andauernden körperlichen, sexuellen oder psychischen Komplikationen und Leidenszuständen führen. Diese Problematik wird aus Respekt vor religiösen oder kulturellen Tabus und aus Angst vor möglichen Konflikten bislang aber vorwiegend in Fachkreisen diskutiert.“
Unterscheidung zwischen Judentum und Islam
Es muss unterschieden werden zwischen den Auswirkungen der Beschneidung im Säuglingsalter, wie es das Judentum fordert, und der im Kindesalter, die im Islam üblich ist. Jüdische Jungen, die laut Bibel am achten Tag zu beschneiden sind, erleiden bei der Beschneidung Schmerzen, die noch nach einem Jahr im Körpergedächtnis als überschießende Schmerzreaktionen auf Impfungen nachweisbar seien, so Franz.
Muslimische Jungen werden dagegen meist im Alter von fünf bis acht Jahren beschnitten. Aus psychoanalytischer Sicht stellt die Beschneidung bei fünf- bis achtjährigen Jungen eine traumatische Erfahrung dar, stellt Professor Franz fest. Für die Zukunft rechnet er mit Schadensersatzprozessen beschnittener Männer, nicht nur gegen Ärzte, sondern möglicherweise auch gegen Eltern. (mp)