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Krankheit Morbus Sudeck wird trotz großer Schmerzen oft nicht erkannt

Krankheit Morbus Sudeck wird häufig nicht erkannt

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Foto: getty
Das Komplexe regionale Schmerzsyndrom, oder Morbus Sudeck, sorgt für starke Schmerzen, deren Quelle selbst Ärzte nicht ausmachen können. Obwohl die Krankheit seit 100 Jahren bekannt ist, ist nur wenig über ihren Ausbruch und Verlauf bekannt. Daher wird sie meistens spät oder gar nicht erkannt.

Erfurt. 

Frank Bergs‘ erstes Leben endete im Sommer 2011 im Griechenland-Urlaub. Eine Fraktur des Fußgelenks und ein Bänderriss beim Fußballspielen machten aus dem 47-Jährigen einen schmerzgepeinigten und schwerstgehbehinderten Mann. „Ich wollte mein Bein vor lauter Schmerzen abhacken“, sagt der Diplom-Ingenieur für Medizintechnik aus Achim bei Bremen. Bergs hat Morbus Sudeck. Die Medizin nennt es Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS). Es ist eine rätselhafte Krankheit, bei der die Ärzte auch 100 Jahre nach ihrer Entdeckung nur die Symptome lindern können.

10.000 bis 40.000 Menschen sind Schätzungen zufolge in Deutschland betroffen. „Häufig bleibt das Syndrom unerkannt“, sagt Professor Frank Birklein von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung. Bei vielen wird die Krankheit nicht oder zu spät behandelt. Neben psychischen Problemen aufgrund der anhaltenden Schmerzen droht die Gefahr, dass das betroffene Gelenk versteift. Morbus Sudeck bricht meist nach einem Knochenbruch oder der Schädigung eines Nervs an den Extremitäten aus.

Symptome werden oft nicht ernst genommen

„Die Symptome können sehr unterschiedlich sein“, sagt Birklein, der als einer der weltweit führenden CRPS-Experten gilt. Typisch sind Schmerzen, die der Arzt durch die eigentliche Verletzung nicht erklären kann und die sich über den ursprünglichen Verletzungsort ausbreiten. „Etwa drei Viertel aller CRPS-Patienten beschreiben einen permanenten Schmerz, der brennt, zieht oder sticht“, sagt der Professor. Häufig treten Schwellungen auf, übermäßiges Schwitzen sowie Änderungen der Hauttemperatur und –farbe. Bei einigen wachsen Haare, Finger- und Fußnägel an den betroffenen Stellen unnormal stark. Bewegungseinschränkungen und Muskelschwund kommen später hinzu.

Bei Frank Bergs kam zu den „sehr schlimmen Schmerzen“ auch das Unverständnis einiger Ärzte hinzu. „Schmerzen gehören dazu, da müssen Sie durch“, musste er sich anhören. Bisweilen wurde er auch als Psychopath oder Simulant in die Ecke gestellt. „Oft werden die Symptome falsch interpretiert oder nicht ernst genommen“, bestätigt Birklein. Bei jedem Patienten verläuft das Leiden anders. Dabei sei es wichtig, möglichst früh zu therapieren, um bleibende Schäden zu vermeiden.

Entstehung von CRPS ist noch unbekannt 

Die Diagnose CRPS stand bei Bergs drei Monate nach seinem Unfall per 3-Phasen-Knochen-Szintigramm fest. Dabei macht der Arzt mithilfe einer schwach radioaktiven Substanz detailgenauere Aufnahmen vom Skelett des Patienten, als es beim Röntgen möglich ist. Für den Niedersachsen begann dann seine „Arzt-Odyssee“ durch halb Deutschland.

„Ich habe verzweifelt eine Spezialklinik gesucht, die mich aufnimmt“, erinnert er sich. Wartezeiten von drei bis fünf Monaten waren keine Seltenheit. Rund 100 Tage hat er seitdem in Kliniken verbracht. Die multidisziplinäre Schmerztherapie aus Physiotherapie, Medikamenten und Psychotherapie hat ihm geholfen, mit der Krankheit umzugehen.

Noch ist weitgehend unklar, warum es zum Komplexen regionalen Schmerzsyndrom kommt. „Ein wesentlicher Faktor ist die gestörte Rückbildung der ursprünglichen, Trauma-bedingten Entzündung“, sagt der Professor. Wie beim Phantomschmerz kommt es zu Veränderungen der Großhirnrinde, was die Ausbreitung der Schmerzen erklärt. „Wichtig ist es, andere Ursachen, die vergleichbare Symptome hervorrufen können, auszuschließen.“ Dazu gehörten der arterielle Gefäßverschluss, eine Nervenschädigung oder rheumatische Erkrankungen.

Neues Leben durch Selbsthilfegruppe

Bei Unklarheit kann es nach den Worten von Birklein hilfreich sein, die Änderung der Hauttemperatur über einen längeren Zeitraum zu messen oder wie bei Frank Bergs ein Skelett-Szintigramm anzuwenden. Bergs hat wegen der Krankheit seine Arbeit verloren und wird wohl in die Rente gehen. Kurze Wege bewältigt er heute mit dem Gehstock, für längere Strecken muss er den Rollstuhl benutzen.

Um anderen Betroffenen zu helfen, hat Bergs eine Selbsthilfegruppe gegründet. Rund 4.000 Besucher hat seine Seite pro Monat. „Die meisten brauchen Hilfe bei der Suche nach einem geeigneten Arzt“, sagt Bergs. Andere sind verzweifelt oder selbstmordgefährdet, weil sie mit den Schmerzen nicht leben können. Für Frank Bergs hat mit dieser ehrenamtlichen Arbeit sein zweites Leben begonnen. (http://www.sudeckselbsthilfe.de) (dapd)