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Konsortium will Diagnose „Asperger“ abschaffen

Konsortium will Diagnose „Asperger“ abschaffen

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Foto: Getty
Die Amerikanische Gesellschaft für Psychiatrie (APA) plant den Ausdruck Asperger-Syndrom abzuschaffen. Grund dafür ist die schwierige Abgrenzung zu anderen Autismus-Formen. Das schreckt Betroffene auf: Denn an der Krankheitsdefinition orientiert sich auch der Behandlungsumfang.

Chicago. 

Der Ausdruck Asperger-Syndrom ist mittlerweile geläufig – es handelt sich um eine bestimmte Form von Autismus. Aber die Abgrenzung ist oft schwierig. Die Amerikanische Gesellschaft für Psychiatrie (APA) will deshalb Konsequenzen ziehen und in der Diagnostik den Begriff Asperger abschaffen. Eine entsprechende Neufassung der Leitlinien beschloss kürzlich das Kuratorium der APA, im Mai sollen die neuen Leitlinien – die auch in anderen Bereichen Änderungen enthalten – veröffentlicht werden.

Was nach einer Formalität klingt, kann weitreichende Folgen für die Therapie der Betroffenen haben. Denn an den Leitlinien orientieren sich auch die Krankenversicherungen bei der Erstattung von Behandlungskosten.

Unterschiedliche Ausprägungen

Die Leitlinien legten fest, welche „Konstellation von Symptomen“ Ärzte bei der Diagnose psychischer Störungen zugrunde legten und welche Behandlung verordnet werde, sagt der Psychiater Mark Olfson von der Columbia Universität, der an der Neuformulierung nicht beteiligt war. Selbst kleinste Veränderungen der Kriterien könnten sich erheblich auf die Art der Versorgung auswirken.

Genau das ist die Angst vieler Familien, in denen ein Angehöriger eine Asperger-Diagnose erhalten hat. Sie befürchten, dass den Betroffenen bestimmte Leistungen wie eine besondere schulische Förderung nicht mehr gewährt werden könnte.

Auch innerhalb des Kuratoriums soll die Neufassung der Autismus-Leitlinien heftig umstritten gewesen sein. Von dieser Entwicklungsstörung Betroffene ziehen sich in ihre eigene Welt zurück und kapseln sich von der Umwelt ab; es gibt allerdings sehr unterschiedliche Ausprägungen von Autismus.

Ein bedeutender Schritt nach vorn 

Vom Asperger-Syndrom spricht man landläufig, wenn sich jemand relativ gut am ’normalen‘ Leben beteiligen kann, aber Probleme hat, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Mangelnde Empathie, das Nichterkennen sozialer Signale sind hier die Schlagwörter. Dabei sind „Aspies“ oft sehr intelligent und leistungsstark.

Die neuen APA-Leitlinien umfassen jetzt nur noch den Begriff Autismus-Spektrum-Störungen – wie ihn viele Fachleute auch heute schon verwenden. Weiter unterschieden wird dann nach leichteren und schwereren Ausprägungen, das Asperger-Syndrom taucht nicht mehr auf. Ziel der Revision sei es, dass die Diagnose bei betroffenen Kindern und Erwachsenen so exakt wie möglich ausfalle, betont David Kupfer, Psychiater an der Universität von Pittsburgh, der maßgeblich an der Neufassung der APA-Leitlinien beteiligt war.

Von einem „bedeutenden Schritt nach vorne“ spricht David Fassler von der Universität von Vermont, Mitglied des APA-Kuratoriums. Einzelheiten wird man erst erfahren, wenn die Leitlinien im kommenden Frühjahr veröffentlicht werden. Die Revision gilt als umfangreichste seit 1994, zuletzt waren die Leitlinien 2000 überarbeitet worden.

Vorsichtig optimistisch

„Seitdem hat es bedeutende Fortschritte in unserm Verständnis von psychischen Erkrankungen gegeben“, sagt Olfson. Die Autismus-Expertin Catherine Lord vom New Yorker Weill Cornell Medical College, die an der Neufassung der Autismus-Leitlinien mitgearbeitet hat, versichert, dass diejenigen, bei denen Asperger diagnostiziert worden sei, auch von den neuen Kriterien erfasst würden.

Vorsichtig optimistisch zeigt sich auch Geraldine Dawson von einer Autismus-Interessengruppe. Allerdings, so schränkt sie ein, müsse genau beobachtet werden, ob betroffene Kinder tatsächlich weiterhin in den Genuss aller Leistungen kämen. (dapd)